Editorial : Eine Opposition nutzt ihre Möglichkeiten
In einer außergewöhnlichen Haushaltswoche zeigte sich auch die Rolle einer Opposition im Parlament - und wie wirkungsvoll sie sein kann.
"Opposition ist Mist", rief Franz Müntefering bei seiner Wahl zum SPD-Vorsitzenden vor fast genau 20 Jahren dem Parteitag zu. Einer der das einschätzen kann, ist Friedrich Merz (CDU); dessen gesamtes parlamentarisches Leben an der Spitze der Union besteht bislang aus Oppositionsarbeit. Im Grundgesetz ist diese begrifflich, anders als in den meisten Verfassungen der Bundesländer, gar nicht enthalten. Die Bedeutung dieser Arbeit ist aber nicht zu unterschätzen. Sie hat jetzt zu einer der ungewöhnlichsten Haushaltswochen in der 75-jährigen Geschichte des Bundestages beigetragen.
Die Koalition unterbrach diese Haushaltsberatungen, um stattdessen eine Sachdebatte anzusetzen. Die Beratungen des Haushalts, das Königsrecht eines Parlamentes, werden von weiteren Debatten eigentlich freigehalten. Die Verschärfung des Asylrechts war für die Ampel Grund genug, hiervon abzuweichen.
Kaum eine Regierung wurde so geplagt, wie die Ampel
Das lag auch an der Opposition. Ihr Los ist, dass eigene Vorschläge von der Mehrheit abgelehnt werden, und trotzdem können ihre Kontroll-, Kritik- und Alternativfunktion eine Wirkung entfalten. In Sachen Kontrolle und Kritik wurde bislang kaum eine Regierung so geplagt, wie die Ampel vom Widerspruchsgeist vor allem der Union. Aus dem letzten Jahr grüßen Heizungsgesetz und Haushaltsfiasko.
Die vergangenen Wochen standen nun im Zeichen der Alternativfunktion. In der Asylpolitik bringt die Ampel eine Verschärfung auf den Weg und die Union schafft es, diese gleichzeitig zu unterstützen, zu kritisieren und die Debatte immer wieder auf ihre Forderung zu lenken, künftig alle Flüchtlinge zurückzuweisen, die aus einem EU-Land kommen, auch wenn es juristisch umstritten sei. Konstantin von Notz (Grüne) musste im Plenum konstatieren, dass man "seit Tagen eine von der Opposition völlig überhitzte Diskussion über Migration" führe.
Manchmal ist dann ein Kunstgriff nötig
Ohnmächtig ist eine Opposition also nicht. Doch ohne Mehrheit im Parlament muss sie ihre Instrumente gut nutzen. Dazu gehörte in dieser Woche auch der Kunstgriff von Friedrich Merz, auf das Recht des Oppositionsführers zu verzichten, die Generaldebatte zu eröffnen. Er manövrierte sich auf der Rednerliste zur allgemeinen Überraschung hinter den Bundeskanzler, hatte gegenüber dem Kanzler damit das letzte Wort. Während dieser dann vehement die Opposition angriff, war Merz eher staatsmännisch mit dem rhetorischen Florett unterwegs. Parlamentarisch gewöhnlich war in dieser Haushaltswoche wirklich nichts.