Bericht zum Lobbyregister : In die Lobby-Arbeit fließt viel Geld
911 Millionen Euro haben sich Institutionen und Verbände ihre Politikberatung im Jahr 2024 kosten lassen. Einige Verbände kritisieren den bürokratischen Aufwand.
Lobbyarbeit ist teuer. Rund eine Milliarde Euro haben sich Institutionen und Verbände ihre Politikberatung und Interessenswahrung gegenüber Bundestag und Bundesregierung im Jahr 2024 kosten lassen. Das geht aus dem noch in der Amtszeit der früheren Bundestagspräsidentin Bärbel Bas erstellten Bericht der registerführenden Stelle in der Bundestagsverwaltung “über die Führung des Registers im Zeitraum 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2024” hervor.
Tatsächlich dürfte die Summe erheblich über den genannten 910,58 Millionen Euro liegen, die unter anderem durch Personal-, Sach- und Repräsentationskosten entstanden sind. Das Lobbyregistergesetz aus dem Jahr 2021 - noch von der damaligen Großen Koalition beschlossen und 2023 von der Ampel nachjustiert - erlaubte es nämlich bis zum 1. März 2024, Angaben über die eingesetzten Finanzen zu verweigern. Bei 507 Einträgen im Register geschah dies auch, wie aus dem Bericht hervorgeht.

Das Paul-Löbe-Haus des Bundestages: Rund 27.000 Lobbyisten sind im Register des Parlaments eingetragen.
Dazu kommt: Nach wie vor sind einige Gruppen von der Registrierung befreit. Paragraf 2 des Lobbyregistergesetzes sieht in Absatz 2 und 3 umfangreiche Ausnahmen vor - eine Regelung, die schon seit langem auf breite Kritik von Experten stößt. Davon profitieren unter anderem Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, kirchliche Organisationen und politische Stiftungen.
Doch zurück zu dem Bericht. Durchschnittlich 21.912 Zugriffe gab es wöchentlich auf die Internetseite des Lobbyregisters, heißt es. Bei der Zahl der Zugriffe wurden ausschließlich solche aus Deutschland mit Ausnahme der Zugriffe von Rechnern des Bundestages berücksichtigt. Im Rahmen dieser Zugriffe sind der Vorlage zufolge 81.415 Seitenansichten sowie 8.018 konkrete Suchanfragen und 9.107 Downloads von im Lobbyregister bereitgestellten Dateien vorgenommen worden.
Wirtschaft und Umwelt sind Hauptziele
Hauptziel der Lobbyarbeit ist die "Wirtschaft". 47,3 Prozent der Interessenvertreter haben diese Themenfeld bei der Registrierung angegeben. 42,5 Prozent nannten das Themenfeld Umwelt, 34,9 Prozent Wissenschaft, Forschung und Technologie, 34,5 Prozent die Europapolitik und 30,3 Prozent Energie. Die Zahl der namentlich benannten Personen im Lobbyregister lag zum Jahresende 2024 bei 26.998.
Um der Pflicht zur Registrierung und Auskunftserteilung Nachdruck zu verleihen, sieht das Lobbyregistergesetz auch Sanktionsmöglichkeiten vor. Vorsätzlich begangene Verstöße können laut Paragraf 7 mit Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden, bei fahrlässig begangenen Verstößen können bis zu 20.000 Euro fällig werden. Offenbar wird den gesetzlichen Regelungen überwiegend gefolgt: Lediglich 20 Ordnungswidrigkeitenverfahren hat die registerführende Stelle im Berichtszeitraum eingeleitet. Vier Verfahren wurden dem Bericht zufolge eingestellt, weil sich der Verdacht nicht erhärtet hat.
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In drei Verfahren wurden Bußgeldbescheide erlassen: Zwei dieser Bußgeldbescheide mit Geldbußen in Höhe von 660 Euro und 495 Euro sind im Berichtszeitraum rechtskräftig geworden. Gegen einen weiteren Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße in Höhe von 5.550 Euro hatte der betroffene Verband Einspruch eingelegt. Die verbleibenden 13 laufenden Ordnungswidrigkeitenverfahren sind aktuell noch nicht abgeschlossen. Dominik Meier, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (degepol), konstatiert angesichts dieser Angaben, dass der Vollzug der Sanktionsregelungen "offenbar zurückhaltend erfolgt ist".
Dass es überhaupt ein Lobbyregister geben muss, ist unstreitig. Die degepol hatte dies schon lange gefordert - ebenso wie der Verband der Chemischen Industrie (VCI), aber auch Transparency International und LobbyControl. Mit dem seit 2022 geltenden Gesetz wurde die 1972 eingeführte "Öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern" abgelöst. Mit dem Lobbyregistergesetz sei die notwendige Transparenz gesichert worden und das bei einem angemessenen Aufwand, bewertet der degepol-Vorsitzende die seinerzeit eingeführte Regelung rückblickend.
degepol kritisiert Bürokratiezuwachs
"Leider" habe die Reform des Lobbyregisters durch die Ampel-Koalition den Aufwand allein für das Einfügen der benötigten Registereinträge auf mehr als 300 Millionen Euro getrieben. Die laufende Pflege der Einträge habe sich ebenfalls "unverhältnismäßig verteuert", kritisiert er.
Besonders ärgerlich sei, dass die gesetzlichen Vorgaben von Seiten der registerführenden Stelle, etwa bei der verpflichtenden Angabe der "Regelungsvorhaben", überinterpretiert würden. "Wir sind weiterhin nicht damit einverstanden und sehen es als verfassungswidrig an, dass Lobbyingziele ausführlich und detailliert in diesem Pflichtfeld erörtert werden müssen, statt es wie auf europäischer Ebene bei der Angabe der Norm zu belassen", sagt Meier. Eine Verpflichtung zu Details lasse sich auch weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung entnehmen. "Vitale Interessen Deutschlands müssten hier offengelegt werden, wenn etwa ein Start-up oder Unternehmen der kritischen Infrastruktur Details eintragen müssten", kritisiert der degepol-Vorsitzende.
„Die Änderungen im Lobbyregister waren insgesamt sehr positiv und notwendig, damit aus dem Register mehr als ein Adressverzeichnis wird.“
Die Reform des Lobbyregisters 2023 habe zu mehr Bürokratie bei gleichzeitig geringerer Transparenz geführt, bemängelt auch VCI-Vertreter Michael Henning. So habe der Gesetzgeber beispielsweise seine Dokumentationspflichten auf die Interessenvertreter verlagert, "statt selbst Verantwortung zu übernehmen". Wer sich mit welchen Argumentationen und Positionen in ein Verfahren eingebracht hat, müsse durch den Gesetzgeber mit einem einheitlichen Standard dokumentiert werden, um eine faire und valide Vergleichbarkeit herzustellen, sagt Henning. Ein solches "Level Playing Field" würde auch dem massiven bürokratischen Aufwand, der insbesondere für kleine Interessengruppen ein großes Problem darstelle, entgegenwirken.
Reform der Ampel-Koalition bleibt umstritten
Bei Transparency International Deutschland - ebenso wie der VCI in der Allianz für Lobbytransparenz aktiv - wird die Novellierung hinggen begrüßt. "Die Änderungen im Lobbyregister waren insgesamt sehr positiv und notwendig, damit aus dem Register mehr als ein Adressverzeichnis wird", sagt Transparency-Vertreter Norman Loeckel. Mit den neuen Angaben über Regelungsvorhaben, zu denen gearbeitet wird, und den damit verbundenen grundlegenden Stellungnahmen sei das Lobbyregister zu einem ernsthaften Instrument der demokratischen Kontrolle geworden. Dazu habe auch die moderate Ausweitung der Schwellen zur Registrierung und des Kreises der Interessenvertreter sowie der Wegfall der oft genutzten Option, Finanzangaben zu verweigern, beigetragen.
Unzufriedenheit herrscht - wie schon erwähnt - über die Ausnahmeregelungen. Unverständlich seien diese, sagt der degepol-Vorsitzende Meier. Bei Transparency International Deutschland heißt es: Die umfassende Ausnahme für kirchliche Organisationen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sei in der Form verfassungsrechtlich nicht geboten und werde auf Ebene der Bundesländer auch anders ausgelegt. "Hier erfolgt in der Praxis ein reger Austausch, der für die breitere Öffentlichkeit weiter intransparent bleibt", kritisiert Loeckel.
Inwiefern die neue Bundesregierung das Thema Lobbyismus und politische Interessenvertretung angeht, muss sich noch zeigen. Als besonders prioritär wird es offenbar nicht erachtet. In den Wahlprogrammen von Union und SPD findet sich dazu nichts.