Korruptionsaffäre um Huawei : Teure Handys und 1.500 Euro für eine Unterschrift
Chinas Tech-Konzern Huawei soll Europa-Abgeordnete bestochen haben, damit sie für 5G werben. Sind die Anti-Korruptionsregeln immer noch zu lasch?
Der chinesische Tech-Konzern Huawei soll seit 2021 regelmäßig Mitarbeiter und Abgeordnete des Europäischen Parlaments mit Geld und Geschenken bestochen haben, um Einfluss auf die Gesetzgebung zum Mobilfunkstandard 5G zu nehmen. Entsprechende Ermittlungen bestätigte in der vergangenen Woche die belgische Bundesstaatsanwaltschaft.
Wie die europäische Ausgabe der US-Tageszeitung "Politico" berichtet, steht ein im Februar 2021 von acht EU-Abgeordneten unterschriebener, im Ton klar pro-chinesischer Brief an drei EU-Kommissare im Zentrum. In dem machen sich die Abgeordneten für den umstrittenen 5G-Ausbau in Europa stark. Huawei wird darin zwar nicht explizit erwähnt, aber die Intention scheint klar. Denn just zu diesem Zeitpunkt setzte sich die EU gegenüber den Mitgliedstaaten dafür ein, chinesische Komponenten aus sicherheitskritischen Kommunikationsnetzen herauszuhalten.

Europa-Zentrale von Huawei in Düsseldorf: Gerüchte über eine illegale Einflussnahme des Konzerns gibt es in Brüssel schon länger.
Für den Einsatz der Abgeordneten soll Geld aus China geflossen sein - 15.000 Euro für den Verfasser, 1.500 Euro für die Mitunterzeichner. Mitarbeiter des konservativen italienischen EU-Abgeordnete Fulvio Martusciello sollen die Zahlungen von Huawei organisiert und gewaschen haben. Martusciellos früherer Berater und seine Assistentin wurden verhaftet, es laufen vier Anklagen wegen Korruption und eine wegen Geldwäsche.
Erinnerungen an “Katargate”-Skandal werden wach
Der Fall weckt böse Erinnerungen an einen früheren Korruptionsskandal, der die europäische Volksvertretung erst Ende 2022 erschütterte. Damals ging es um mutmaßliche Bestechungszahlungen aus Katar, Marokko und Mauretanien an mehrere sozialdemokratische Abgeordnete, darunter die damalige EP-Vizepräsidentin Eva Kaili. Bei Durchsuchungen wurde Bargeld in Höhe von 1,5 Millionen Euro beschlagnahmt. Kaili und weitere Personen saßen monatelang in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen und Verfahren laufen bis heute.
Das Gerücht, dass Huawei möglicherweise illegal Einfluss auf politische Entscheidungsträger nimmt, kursiert in Brüssel schon länger. Das Unternehmen soll gerne teure Handys verschenkt und zu luxuriösen Abendveranstaltungen eingeladen haben. Regelmäßig ließ Huawei Europa-Abgeordnete auf Veranstaltungen auftreten, die das Unternehmen sponserte. Zu dem Brief, berichtet "Politico", habe die Nichtregierungsorganisation Transparency International 2021 einen Hinweis erhalten und diesen an das EU-Betrugsbekämpfungsamt OLAF weitergeleitet. Wegen "unzureichender Verdachtsmomente" sei er aber nicht weiter untersucht worden, erklärte ein Sprecher der Behörde.
Reform der Ethik-Regeln hat sich nicht bewährt
Kritiker sehen die neuerlichen Ermittlungen als Beweis dafür, dass die im Zuge von "Katargate" beschlossenen Reformen der Ethik-Regeln nicht ausreichen, um Korruption zu bekämpfen. "Zu lange schon gehen die Europa-Abgeordneten mit dem Thema Ethik sorglos um und sind einer Kultur der Straflosigkeit verhaftet", urteilt etwa Nicholas Aiossa, Direktor von Transparency International EU.
Dabei hatte EP-Präsidentin Roberta Metsola als Reaktion auf "Katargate" zügig einen 14-Punkte-Plan vorgelegt. Im September 2023 stimmten die Europa-Abgeordneten dann für eine äußerst schwache Reform der Ethik-Regeln. So dürfen die Parlamentarier weiterhin lukrative Nebenjobs annehmen. Sie müssen sie lediglich melden, haben aber keine Sanktionen zu befürchten, wenn sie dies nicht tun. Treffen mit Lobbyisten müssen sie nicht offenlegen. Auch Anschlussbeschäftigungen für Abgeordnete und ihre Assistenten wurden nicht eingeschränkt.
Huawei-Lobbyisten sind in Brüssel nicht mehr willkommen
Ein mehrheitlich beschlossenes, unabhängiges Kontrollgremium für Lobby- und Korruptionsregeln, das für acht EU-Institutionen zuständig sein soll, hat seine Arbeit bis heute nicht aufgenommen. Die konservative EVP-Fraktion und rechtspopulistische Gruppen blockieren es mit der Begründung, es bestünden Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit.
Die Anwälte der Beschuldigten streiten jegliche Beteiligung ihrer Mandanten an den Anklagepunkten ab. Derweil sind Huawei-Lobbyisten in Brüssel bis auf Weiteres nicht mehr willkommen. Sowohl die EU-Gremien als auch Branchenverbände wie DigitalEurope haben sie ausgeschlossen.
Silke Wettach ist freie Korrespondentin in Brüssel.
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Abgeordnete sollen außerdem ihre Nebeneinkünfte offenlegen. Die gesamte Arbeit des Parlaments zu Katar wird auf Eis gelegt.

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