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Gastkommentare : Neuer Anlauf für Parität nötig? Ein Pro und Contra

Braucht der Bundestag einen neuen Anlauf für eine paritätische Besetzung mit Frauen und Männern? Daniela Vates und Ursula Weidenfeld in einem Pro und Contra.

28.03.2025
True 2025-03-28T16:06:05.3600Z
3 Min

Pro

Mann könnte einfach mal zur Seite rücken

Foto: Privat
Daniela Vates
ist Chefkorrespondentin im Hauptstadtbüro des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Foto: Privat

Man muss nicht groß nachzählen, es ist ja sichtbar mit einem Blick in den Plenarsaal: Die Frauen sind dort deutlich in der Unterzahl. Nur knapp ein Drittel der Abgeordneten sind weiblich, der Anteil ist im neuen Bundestag gerade mal wieder etwas gesunken. Seit Ende der 1990er Jahre bewegt sich in dieser Angelegenheit nicht mehr viel. Es ist ein Armutszeugnis für die Politik, insbesondere für die Fraktionen, die das Ungleichgewicht verursachen.

Vor allem Männer sind es also, die im Parlament die Geschicke des Landes bestimmen, die entscheiden, wie es weitergeht mit den Steuern, dem Klimaschutz, der Pflegeversicherung, darüber, was finanziert und wo gekürzt werden soll.

Und weil das Parlament ein wichtiger Personalpool ist, sowohl für Regierungsposten als auch beim Aushandeln von Koalitionsverträgen, setzt sich das anderweitig fort. Dass die Männer einfach bei allen Themen besser Bescheid wissen, lässt sich ausschließen. Und der Hinweis, dass Leistung bei der Postenvergabe das entscheidende Kriterium sei, ist zwar richtig, wird allerdings interessanterweise meist nur angebracht, wenn mal wieder eine Frau befördert wird.

Mann hat sich offenbar gut eingerichtet darin, sagen zu können, wo es lang gehen soll. Dass es nicht genügend Frauen gebe, die für die Politik bereitstehen, ist eine faule Ausrede. Wenn kluge Frauen absagen, sollte keine Partei mit den Schultern zucken, sondern sich fragen, wo wohl der strukturelle Fehler liegt.

All das ist seit Jahren bekannt, in vielen Parteien gelten mittlerweile nicht umsonst Quoten bei Gremienbesetzungen. Dies auch im Wahlrecht festzuschreiben, könnte verfassungsrechtlich schwierig werden. Kann Mann nichts machen? Oh, doch! Einfach mal zur Seite rücken.

Contra

Die alte Debatte nach schärferen Regeln und Vorschriften kommt leider zur falschen Zeit

Foto: Ursula Weidenfeld/Marc Darchinger
Ursula Weidenfeld
arbeitet als freie Journalistin.
Foto: Ursula Weidenfeld/Marc Darchinger

Es hat nichts genutzt: Weder die Quote noch glänzende Rollenvorbilder noch Mentoring- und Förderprogramme haben den Frauenanteil im Parlament stabilisiert. Im neuen Bundestag sitzen weniger Frauen als zuvor, und es sieht so aus, als würde auch das künftige Bundeskabinett nicht paritätisch besetzt. Schon bricht die alte Debatte nach schärferen Regeln und gesetzlichen Vorschriften von vorne an. Sie kommt zur falschen Zeit. Leider.

In den ersten zwanzig Jahren dieses Jahrhunderts bestimmten die sogenannten progressiven Milieus den öffentlichen Diskurs. Der gerechte Anteil von Frauen in Führungspositionen in Politik und Wirtschaft hatte genauso Konjunktur wie das Elterngeld. Überspitzt könnte man sagen: Die Themen des Prenzlauer Bergs waren die Themen des Landes. Sie wurden politisch durchgesetzt, oder zumindest angepackt. Was geregelt werden konnte, wurde geregelt.

Das hat sich mittlerweile geändert. Heute machen eher die Themen des Vogtlandes Karriere. In den USA wird das Fenster für Parität, Diversität und Gleichstellung gerade krachend zugeschlagen. Und auch bei uns in Deutschland schließt es sich derzeit, leiser zwar, und hoffentlich nur vorübergehend. Aber unverkennbar.

Es ist bitter, dass und wie Frauen wieder aus der politischen Öffentlichkeit gedrängt werden. Eine politische Top-Down-Lösung wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Stattdessen müssen sich Frauen, die LGBTQ-Gemeinde, Minderheiten, wieder einmal ein dickes Fell zulegen. Sie müssen ihren Fuß in jede Tür setzen, die so gerade offensteht. Im Bundestag nicht nur das Präsidium, sondern auch den Vorsitz in Ausschüssen beanspruchen, um Ministerinnen-, Fraktions- und Parteivorstandsposten boxen. Nicht weggehen, wenn sie eine Niederlage einstecken müssen. Das sind sie nicht nur ihren Vorgängerinnen und Nachfolgerinnen schuldig. Sie schulden es sich selbst. 

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