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Lauterbachs Krankenhausreform : Deutschlands Krankenhäuser sollen besser werden

Mit einer Struktur- und Finanzreform soll die stationäre Versorgung effizienter und hochwertiger werden. Gesundheitsminister Lauterbach musste sich Kritik anhören.

28.06.2024
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3 Min

Eigentlich gilt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) als friedlicher Zeitgenosse, neuerdings spricht er aber erstaunlich oft von Revolution. Gemeint ist eine Revolution im Gesundheitswesen, wo es seiner Ansicht nach mit kleineren Korrekturen nicht getan ist. Wenn der Minister über nötige Reformen spricht, dauert die Aufzählung meist länger. Viele Probleme seien über Jahre aufgeschoben worden, nun sei der Anpassungsbedarf enorm, wird er nicht müde zu betonen.

Foto: picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte

Viele Krankenhäuser sind defizitär und insolvenzgefährdet. Mit der geplanten Reform sollen finanzielle Sicherheiten für die Betreiber verbunden sein.

Mit der Krankenhausreform wagt sich Lauterbach tatsächlich auf umkämpftes Terrain, denn die geplanten Veränderungen werden von den jeweiligen Interessengruppen teilweise sehr kritisch und mitunter harsch ablehnend kommentiert. Vor allem haben sich im Verlauf der vergangenen Monate, als die Krankenhausreform langsam Gestalt annahm, Kritiker auf Länderseite formiert, die mehr Mitsprache einfordern, weil die Krankenhausplanung formal Ländersache ist.

Gesetz sieht Einstufung der Kliniken in Level und Leistungsgruppen vor

Das Reformvorhaben betrifft die Struktur der Krankenhauslandschaft sowie die Finanzierung der Häuser und besteht aus zwei Teilen. In einem ersten Schritt, dem bereits verabschiedeten Krankenhaustransparenzgesetz, geht es um die fachliche Einstufung der Häuser über eine Zuordnung von definierten Leveln und Leistungsgruppen. Mit dem weiteren Gesetzentwurf, der am Donnerstag erstmals beraten wurde, werden vor allem die Vergütungsstrukturen verändert.

Das Ziel sei die Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität, die Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung, die Steigerung der Effizienz und eine Entbürokratisierung, heißt es im Entwurf für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG).

Leistungsgruppen sind mit Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen verknüpft

Das derzeit auf Fallpauschalen (DRG) basierende System der Krankenhausvergütung verleitet nach Angaben von Experten zu vielen Behandlungen, von denen etliche auch unnötig sind. Künftig sollen 60 Prozent der Betriebskosten über Vorhaltepauschalen abgegolten werden, also unabhängig von der Zahl der Behandlungen.

Die Krankenhäuser erhalten die Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen, die ihnen von der Planungsbehörde der jeweiligen Länder zugewiesen werden. Die insgesamt 65 Leistungsgruppen sind mit Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen verknüpft. So soll sichergestellt werden, dass Krankenhäuser ein bestimmtes Maß an technischer Ausstattung, qualifiziertes Personal und die erforderlichen Fachdisziplinen aufweisen.

Lauterbach will keine Zugeständnisse bei der Qualität

Nach Ansicht Lauterbachs ist die Reform dringlich. Deutschland weise mehr Krankenhausbetten aus als andere Länder, aber jedes dritte Bett stehe leer. Die Fallkosten explodierten, die Krankenhäuser beklagten Personalmangel. Der Minister warnte, ohne Reform müssten bis 2030 vermutlich rund 25 Prozent der Kliniken in die Insolvenz gehen. Er räumte ein: "Die Ökonomie ist zu weit gegangen." Der Bund bleibe gesprächsbereit, versicherte der Minister, fügte jedoch hinzu: "Wir machen keine Zugeständnisse bei der Qualität."


Andrew Ullmann im Portrait
Foto: Andre Ullmann/Brian Rauschert
„Das Gesundheitssystem in Deutschland liegt auf der Intensivstation.“
Andrew Ullmann (FDP)

Die Union findet die Reform grundsätzlich auch sinnvoll, erneuerte aber ihre Kritik am Vorgehen Lauterbachs. Tino Sorge (CDU) hielt dem Minister vor, sich mit den entscheidenden Akteuren nicht ausreichend ausgetauscht zu haben. Lauterbach habe offenbar die Orientierung und das Koordinatensystem verloren. Sorge betonte: "Wir brauchen mehr gemeinsames Handeln."

AfD fordert, stärker auf die Betroffenen zu hören

Ähnlich kritisch äußerte sich Thomas Dietz (AfD), der das hochmotivierte Personal in Krankenhäusern lobte. Auch Dietz forderte die Regierung auf, stärker auf die Betroffenen zu hören. Die Defizite vieler Häuser deuteten auf falsche Rahmenbedingungen hin. Vorhaltepauschalen und die Überwindung der Sektorengrenzen seien richtig, aber der Gesetzentwurf bleibe hinter den Möglichkeiten zurück. Mit Blick auf das Defizit der Häuser sprach er von einem "totalen politischen Kontrollverlust".

Ricarda Lang (Grüne) rügte, jahrelang sei nichts gegen Fehlentwicklungen unternommen worden. Leidtragende seien die Mitarbeiter im Gesundheitssystem und die Bürger. Sie versprach: "Wir trauen uns an eine große Reform heran."

FDP sieht Chancen, das Gesundheitssystem zeitgemäß zu gestalten

Andrew Ullmann (FDP) formulierte die Problemlage drastisch und sagte: "Das Gesundheitssystem in Deutschland liegt auf der Intensivstation." Es sei eines der teuersten und ineffektivsten der ganzen Welt. Krankenhäuser seien zu einer reinen Reparaturwerkstatt geworden mit Reparaturen am Fließband. Nun gebe es die Chance, das Gesundheitssystem fair, modern und zeitgemäß zu gestalten. Dazu gehöre auch eine bessere Patientensteuerung im Notfall, die mit einer Notfallreform angegangen werde.

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Dagmar Schmidt (SPD) erinnerte an die enorme Bedeutung von Krankenhäusern für die Gesundheitsversorgung der Menschen. Wenn Patienten in ein Krankenhaus kämen, werde vielen sofort klar, dass ihre Beiträge zur Krankenversicherung auch ihren Wert hätten. Sie sagte: "Die Hochleistungsmedizin kostet einiges, und das ist es uns auch wert." Viel zu lange seien nötige Reformen aufgeschoben worden. Schmidt mahnte Besserung an. Die Bürger dürften das Vertrauen in das Gesundheitssystem nicht verlieren.