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Oppositionsanträge zur Migrationspolitik : Bundestag uneins über Drittstaatenmodell

CDU/CSU und AfD fordern in getrennten Anträgen, Asylverfahren künftig in sicheren Drittstaaten außerhalb der EU durchzuführen.

28.06.2024
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4 Min

Die Migrationspolitik hat den Bundestag auch in der zurückliegenden Woche gleich in mehreren Debatten beschäftigt. Den Anfang machte dabei am Donnerstag die Aussprache über einen CDU/CSU-Antrag, das "Konzept der sicheren Drittstaaten zum Leitprinzip des europäischen Asylrechts" zu machen. Darin wirbt die Unionsfraktion für ein Drittstaatsmodell, bei dem "jeder in einen sicheren Drittstaat außerhalb Europas überführt wird und dort ein Asylverfahren durchlaufen soll, der nach einem festzusetzenden Stichtag in der EU Asyl beantragt". Im Falle eines positiven Ausgangs werde der sichere Drittstaat vor Ort Schutz gewähren, schreibt die Fraktion weiter. Bei einem negativen Ausgang solle der Antragsteller in sein Herkunftsland zurückkehren oder aber zurückgeführt werden.

Foto: picture-alliance/dpa/Patrick Pleul

Die CDU/CSU fordert in ihrem Antrag auch, bis zu einem funktionierenden Grenzschutz an den EU-Außengrenzen an den deutschen Binnengrenzen zu kontrollieren wie hier in Frankfurt (Oder).

"Dazu wird mit dem sicheren Drittstaat eine umfassende vertragliche Vereinbarung getroffen, die eine weitreichende Partnerschaft zwischen der EU und dem Drittstaat in allen Bereichen begründet", heißt es in der Vorlage ferner. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, Gespräche zwischen der EU und Ruanda sowie weiteren Staaten anzustoßen, um über die Implementierung eines sicheren Drittstaatsmodells zu verhandeln. Zudem soll EU-Staaten nach dem Willen der CDU/CSU-Fraktion ermöglicht werden, sichere Drittstaatenmodelle auch im Rahmen bilateraler Vereinbarungen umzusetzen. Kurzfristig sollen zudem laut Vorlage zur Verringerung irregulärer Migration nach Deutschland bis zu einem funktionierenden Außengrenzschutz Grenzkontrollen an den Binnengrenzen erfolgen.

SPD nennt Ruanda-Modell "sauteuer"

In der Debatte betonte Thorsten Frei (CDU), seine Fraktion wolle in der Migrationspolitik "Humanität und Begrenzung" und glaube, dass dies am besten über das Konzept sicherer Drittstaaten erreicht werden kann. Um ungesteuerte Migration zu vermeiden, bei der Schlepperbanden entscheiden, wer in Deutschland Aufnahme finde, wolle sie Aufnahmeverfahren und Schutzgewährungen außerhalb Europas.

Was CDU/CSU und AfD fordern

⚫️ Die CDU/CSU plädiert in ihrem Antrag dafür, dass jeder in einen sicheren Drittstaat außerhalb Europas überführt wird und dort ein Asylverfahren durchlaufen soll, der nach einem bestimmten Stichtag in der EU Asyl beantragt.

🔵 Die AfD fordert gleichfalls, dass Asylverfahren in sicheren Drittstaaten außerhalb der EU durchgeführt werden können. In einem weiteren Antrag dringt sie auf eine Enquete-Kommission zu "kulturellen Differenzen als mögliche Ursache von Integrationsproblemen bei Zuwanderern in Deutschland".



Sebastian Hartmann (SPD) wandte sich gegen solche Drittstaatsverfahren. Beim Ruanda-Modell, das in Großbritannien angewandt worden sei, seien Kosten von 1,8 Millionen Pfund pro Asylbewerber errechnet worden. Das sei "sauteuer".

Gottfried Curio (AfD) befand, dass Verfahren und Unterbringung auch in Drittstaaten wie Ruanda möglich seien. Dies zeigten Großbritannien und Dänemark. Dabei müssten nicht nur neue Asylbewerber in Drittstaaten gebracht werden, sondern auch abzuschiebende.

FDP: Abkommen können nur ein Baustein sein

Lamya Kaddor (Grüne) sagte, der Sachstandsbericht der Bundesregierung zu Asylverfahren in Drittstaaten zeige, dass die Auslagerung der Verfahren unpraktikabel und viel zu teuer sei. Auch sei umstritten, ob die Verfahren rechtlich möglich wären. 


Stephan Thomae im Porträt.
Foto: DBT/Achim Melde
„Ich bin dafür, das Thema Drittstaaten-Abkommen ernsthaft zu prüfen.“
Stephan Thomae (FDP)

Stephan Thomae (FDP) sagte, Ruanda wolle sich von Großbritannien viel Geld dafür bezahlen lassen, wenige Flüchtlinge aufzunehmen. Er glaube nicht, dass dieses Modell funktionieren werde, sei aber dafür, Drittstaatsabkommen ernsthaft zu prüfen. Dies werde von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) derzeit auch getan. Diese Abkommen könnten indes nur ein Baustein sein, um Migration zu begrenzen.

Einen AfD-Antrag zu einem Drittstaatsmodell überwies der Bundestag ohne Aussprache an die Ausschüsse. Darin dringt die AfD-Fraktion darauf, sichere Drittstaaten "als Kooperationspartner für Asylverfahren und Abschiebungen" zu gewinnen. Die Bundesregierung fordert sie in der Vorlage auf, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Asylverfahren künftig in sicheren Drittstaaten außerhalb der EU durchgeführt werden können und als schutzberechtigt anerkannte Asylbewerber anschließend in diesen Staaten auch Zuflucht finden".

AfD für Enquete-Kommission zu "kulturellen Differenzen" 

Einen weiteren AfD-Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommission zu "kulturellen Differenzen als mögliche Ursache von Integrationsproblemen bei Zuwanderern in Deutschland" überwies das Parlament ebenfalls zur weiteren Beratung an die zuständigen Ausschüsse. Bernd Baumann (AfD) beklagte in der Debatte über diesen Antrag, dass sich kulturelle Parallelgesellschaften immer rasanter ausbreiteten. Es handle sich um Gegengesellschaften, "die unserer Kultur feindlich gegenüberstehen". Dabei gehe es nicht um die Ausländer an sich, sondern um Migranten aus bestimmten Herkunftsgebieten mit fremden Männlichkeitsvorstellungen und einer viel zu hohen Gewaltbereitschaft.

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Gülistan Yüksel (SPD) betonte dagegen, kulturelle Unterschiede seien nicht pauschal Ursache für Integrationsprobleme, Ein Blick auf die bisherige Integrationspolitik zeige die Fehler der Vergangenheit. Statt Menschen vollumfänglich in die Gesellschaft aufzunehmen, seien Zugewanderte bloß als Arbeitskräfte auf Zeit gesehen worden.

Nina Warken (CDU) warnte, die Integrationsfähigkeit Deutschlands sei durch unkontrollierte Zuwanderung an ihre Grenzen gelangt. Der AfD warf sie vor, gar nicht an einer Integration interessiert zu sein, sondern lediglich "auf populistische Art und Weise auf Wählerfang zu gehen".

Grüne kritisieren "ethnopluralistische Grundvorstellung"

Lamya Kaddor kritisierte, der AfD-Antrag basiere auf einer "ethnopluralistischen Grundvorstellung" und ziele primär auf Menschen türkischer und arabischer Herkunft. Keine seriöse Partei könne dies mittragen, befand die Grünen-Abgeordnete.

Muhanad Al-Halak (FDP) warf der AfD vor, Muslime unabhängig von der Staatsbürgerschaft deportieren zu wollen. Er sei es leid, dass die AfD "wieder einmal alle über einen Kamm schert".