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Union fordert härtere Maßnahmen : Streit über Konsequenzen für Islamismusbekämpfung

Die CDU/CSU-Fraktion scheitert im Bundestag mit einem Antrag zur Bekämpfung des politischen Islam "als Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie".

07.06.2024
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4 Min

Direkt nach der Aussprache über die Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), bei der die Frage nach Konsequenzen aus dem mutmaßlich islamistisch motivierten Messer-Attentat von Mannheim einen Schwerpunkt bildete, stand die Bekämpfung des politischen Islam in Deutschland am Donnerstag erneut auf der Tagesordnung des Bundestages.

Diesmal ging es um einen entsprechenden Antrag der CDU/CSU-Fraktion, den das Parlament mit klarer Mehrheit ablehnte. In namentlicher Abstimmung votierten 406 Abgeordnete gegen die Vorlage. 241 stimmten für den Antrag; daneben gab es eine Enthaltung. Bereits am Vortag hatte ihn der Ausschuss für Inneres und Heimat mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie der Gruppe Die Linke bei Enthaltung der Gruppe BSW abgelehnt, während neben der Union auch die AfD-Fraktion für die Vorlage votiert hatte.

Foto: picture-alliance/dpa/Boris Roessler

Polizisten trauern am vergangenen Sonntag auf dem Marktplatz in Mannheim um ihren dort getöteten Kollegen, dessen Tod Minuten zuvor bekannt geworden war.

Union: Organisationen, die islamistisches System errichten möchten, verbieten

In dem Antrag forderte die CDU/CSU, dass sich künftig strafbar macht, wer - etwa durch die Forderung eines islamistischen Gottesstaates - öffentlich zur Abschaffung der freiheitlich demokratischen Grundordnung aufruft. Auch sah die Vorlage vor, dass die betreffende Person in einem solchen Fall die deutsche Staatsangehörigkeit verliert, sofern sie noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt.

Ein von der Bundesregierung geforderter Gesetzentwurf sollte nach den Vorstellungen der Unions-Abgeordneten gleichzeitig regeln, dass im Falle der öffentlichen Forderung nach einem islamistischen Gottesstaat eine zwingende Regelausweisung eingeführt wird, die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen ist und Leistungsansprüche im Asylbewerberleistungsgesetz und im Sozialrecht erlöschen. Zudem forderte die CDU/CSU unter anderem ein Verbot von Organisationen, die in Deutschland ein islamistisches System errichten möchten.

Hartmann wirft Union Aktionismus vor 

In der Debatte sagte Sebastian Hartmann (SPD), jede Form des Extremismus sei der Feind der offenen Gesellschaft und des Rechtsstaats. Dies gelte für den rechten, den linken und den islamistischen Extremismus. "Das ist die Bedrohung unseres Zusammenlebens" und der freien Gesellschaft, fügte Hartmann hinzu. Die Regierungskoalition sehe diese Gefahr und bekämpfe sie mit allen Mitteln. Man dürfe dabei aber "nicht über einen Kamm scheren", mahnte er. Es gebe in der Bundesrepublik Millionen Muslime, die rechtstreu seien und etwa in Sicherheitsbehörden oder Hilfsdiensten für diesen Staat einstünden. Daher müsse man mit dem Antrag der Union "kritisch ins Gericht gehen". Während es der Union um Aktionismus gehe, handele die Regierungskoalition.


„Der Kampf gegen Islamismus kann nur mit deutschen Muslimen gewonnen werden und nicht gegen sie.“
Lamya Kaddor (Grüne)

Andrea Lindholz (CSU) verwies darauf, dass bei dem aus Afghanistan stammenden Attentäter von Mannheim klare Hinweise für ein islamistisches Motiv vorlägen. Während der Antrag ihrer Fraktion wichtige Forderungen zur Bekämpfung des politischen Islam enthalte, handele die Regierungskoalition hier nicht, sondern rede nur. So habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) keinen einzigen Aktionsplan speziell gegen Islamismus vorgelegt und das Islamische Zentrum in Hamburg, eine "Brutstätte des radikalen Islamismus", bis heute nicht geschlossen. Auch habe sie den Expertenkreis "Politischer Islamismus" im Bundesinnenministerium aufgelöst. Ferner habe Faeser bereits vor einem Jahr angekündigt, Abschiebungen nach Afghanistan vorzunehmen, doch sei nichts passiert.

"Permanente Anfeindung" von Muslimen beklagt

Lamya Kaddor (Grüne) nannte den Islamismus eine "hasserfüllte politische Ideologie, die tötet". Er sei eine Bedrohung für die Menschen im Lande einschließlich der Muslime. Der Kampf gegen Islamismus könne aber nur mit deutschen Muslimen gewonnen werden und nicht gegen sie. Anträge, die "ein schwieriges Verhältnis zu Musliminnen und Muslimen in allgemeinen offenbaren", könnten dabei nicht zum Ziel führen. Die "permanente Anfeindung", der man als Muslim ausgesetzt sei, könne dazu führen, "dass man sich von unserem Gemeinwesen abwendet". Wachsende islamistische Radikalisierung und antimuslimischer Rassismus bedingten einander ein Stück weit. Die Komplexität des Themas zeige sich gerade bei dem Attentat von Mannheim, das sehr wahrscheinlich islamistisch motiviert gewesen sei. Gewalt gegen Andersdenkende sei aber unter keinen Umständen zu rechtfertigen und mit aller Härte zu bestrafen.

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Gottfried Curio (AfD) betonte, der politische Islam müsse gestoppt werden. "Importierte Gewalt lässt sich nicht kleinteilig wegmoderieren oder integrieren, aber man kann aufhören, sie zu importieren", fügte er hinzu. An den Grenzen sei aber eine "politisch gewollte Kontrollverweigerung" zu erleben. Benötigt werde nicht eine "immer weitere Symptombekämpfung, sondern endlich die Asylwende". Seit 2015 seien schon zu viele Islamisten eingewandert, die nichts vom hiesigen Staat hielten. Die "Migrationsfanatiker" wollten aber "Deutschland zum Siedlungsgebiet für Ausländer aus aller Welt machen". Wer jährlich Hunderttausende in Land hole, von denen "99 Prozent keine Verbrecher sind, holt mit dem letzten Prozent eben doch tausende kriminelle Islamisten wie diesen Attentäter".

FDP will Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan 

Linda Teuteberg (FDP) mahnte, angesichts der "entsetzlichen Tat" von Mannheim seien Beileidsbekundungen nicht ausreichend. Gebraucht werde konkretes Handeln. Dabei halte ihre Fraktion Maßnahmen wie die Schließung extremistischer Moscheen wie das Islamische Zentrum Hamburg für wichtig, ebenso wie Verbote von Vereinen wie "Muslim Interaktiv". Gefährder und Straftäter müssten konsequent abgeschoben werden. Dabei erwarte ihre Fraktion, dass die Bundesregierung "alle Anstrengungen unternimmt, um jedenfalls Gefährder und Straftäter wieder nach Afghanistan abschieben zu können". Auch müsse ohne Denkverbote über eine Erweiterung der Ausweisungsmöglichkeiten insbesondere bei der Billigung terroristischer Taten gesprochen werden. Ebenso sei die Terrorfinanzierung stärker in den Blick zu nehmen. Daneben müssten sich auch deutsche Islamverbände kritisch fragen lassen, welchen Beitrag sie zum friedlichen Zusammenleben im Lande leisten. Dringend nötig sei dabei die "Ächtung von Verherrlichung islamistischer Gewalt".