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Nach dem Attentat von Mannheim : Scholz verkündet doppelten Kurswechsel

Nach dem Messerangriff in Mannheim kündigt Kanzler Scholz in seiner Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage eine härtere Linie bei Abschiebungen an.

07.06.2024
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4 Min

In wenigen Tagen beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Unbeschwert und gelöst geht das Land aber nicht in das Turnier, von dem sich mancher bereits eine Wiederholung des Sommermärchens von 2006 erhofft. Das mutmaßlich islamistische Attentat eines Afghanen in Mannheim lässt die Sorgen um Sicherheit und Zusammenhalt im Land wachsen. Der 2013 nach Deutschland geflohene Mann hatte am vorvergangenen Freitag Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bewegung Pax Europa sowie einen Polizisten mit einem Messer angegriffen, der später den schweren Verletzungen erlag.

Foto: picture alliance / Flashpic / Jens Krick

Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte in seiner Rede eine härtere Politik bei Abschiebungen an, erteilte pauschalen Verdächtigungen aber eine Absage.

In einer Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage suchte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wenige Tage vor der Europawahl am Sonntag Kurs zu vermitteln. "Nicht diejenigen sollen sich fürchten müssen in Deutschland, die in Freiheit und Frieden leben wollen. Sondern diejenigen müssen sich fürchten, die unsere Freiheit angreifen und unseren Frieden stören", sagte Scholz am Donnerstag im Bundestag. "Es gibt in Deutschland kein Faustrecht. Wer das anders sieht, der kriegt ein massives Problem mit unserer Polizei und unserer Justiz."

Scholz nennt Messer-Attentat "Terror"

Das Messer-Attentat auf den jungen Polizisten sei Ausdruck einer menschenfeindlichen Ideologie und eines radikalen Islamismus. "Dafür gibt es nur einen Begriff: Terror." Und Terror werde der Kampf angesagt, unabhängig davon, wie er motiviert sei. Scholz kündigte an, Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien zu ermöglichen. Das Innenministerium sei in Gesprächen dazu, auch mit Nachbarländern Afghanistans.


„Es gibt in Deutschland kein Faustrecht. Wer das anders sieht, der kriegt ein massives Problem mit unserer Polizei und unserer Justiz.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

Der Kanzler betonte, dass auch die mehr als 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland von Islamisten bedroht würden. "Sie sind Teil unserer Gesellschaft. Wir lassen uns nicht spalten." Es sei infam, sie unter Generalverdacht zu stellen. "Wer Verbrechen wie das in Mannheim dazu missbraucht, der legt die Lunte an unseren Zusammenhalt. Das schadet unserer Nation."

Union fordert Taten gegen die Verunsicherung

Angesichts der demonstrativen Entschlossenheitsbekundung forderte Unionsfraktionschef Friedrich Merz konkretes Handeln vom Kanzler ein. "Die Zeit des Warnens und des Verurteilens, des Abwiegelns und der Ankündigungen, diese Zeit ist jetzt vorbei", sagte der CDU-Vorsitzende. "Es geht um den Kernbestand des Zusammenhalts unserer Gesellschaft, um nicht mehr und nicht weniger." Der Mord an dem Polizisten in Mannheim falle in eine Zeit, in der die Gesellschaft ohnehin schon sehr verunsichert sei. "Ihre Regierung, Herr Bundeskanzler, muss jetzt handeln. Sie müssen diese Lage in den Griff bekommen." Es gebe Angriffe auf Polizeibeamte, Einsatzkräfte, Menschen, die Hilfe leisten wollen, politisch Andersdenkende und immer häufiger auch auf Kommunalpolitiker. Dies seien Erscheinungsformen einer zunehmenden Verrohung und Gewaltbereitschaft.

Grüne zweifeln an Gesprächen mit den Taliban

Zweifel an Abschiebungen nach Afghanistan meldete Britta Haßelmann an: "Wie soll man das machen?", fragte die Grünen-Fraktionsvorsitzende. Es sei zwar klar: "Menschen, die schwere Straftaten begehen, müssen nach Verbüßung der Strafe abgeschoben werden." Doch sei es fraglich, dass man mit den Taliban über ein Abschiebeabkommen verhandeln könne. Auch werde zu prüfen sein, "für welches Drittland es attraktiv sein soll, Terroristen oder schwere Straftäter aufzunehmen".

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FDP-Fraktionschef Christian Dürr lenkte den Blick auch auf zunehmende antisemitische Vorfälle in Deutschland. "Die Abschiebung islamistischer Straftäter nach Afghanistan und Syrien muss ermöglicht werden", sagte Dürr. "Wer hier bei uns islamistisch motivierte Straftaten begeht, von Volksverhetzung und Judenhass bis hin zu schweren Gewalt- und Tötungsdelikten, bedarf offenkundig keines Schutzes vor islamistischen Regimen."

Die AfD fordert eine sofortige Migrationswende

Von einer politischen Mitverantwortung der Ampel-Koalition und der Vorgängerregierungen für den Messerangriff von Mannheim sprach die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. Der Täter sei kein Einzelfall, sondern einer von vielen Attentätern und Gewaltverbrechern, die als vermeintliche Flüchtlinge nach Deutschland gekommen seien. "Aus dem Niedergang der inneren Sicherheit kann es nur eine vernünftige Konsequenz geben und das ist eine grundsätzliche Migrationswende, und zwar sofort." Dazu gehörten Grenzschließungen und Abschiebungen.


„Sie lassen sich als Friedenskanzler plakatieren und machen Deutschland mehr und mehr zur Kriegspartei.“
Sahra Wagenknecht (BSW)

Kanzler Scholz nutzte die Regierungserklärung auch, um die Entscheidung zum Einsatz westlicher Waffen durch die Ukraine auf militärische Ziele auf russischem Territorium zu verteidigen - ein Schritt, der bisher tabu war. Es sei richtig, sich vor solchen weitreichenden Entscheidungen "wieder und wieder und wieder" mit den Partnern und Verbündeten eng abzustimmen, sagte Scholz. Die Bürgerinnen und Bürger könnten sich darauf verlassen, "dass wir dabei besonnen handeln. Dass wir alle Risiken genau abwägen". Unionsfraktionschef Merz wollte Scholz diese Darstellung wiederum nicht durchgehen lassen. "Es ist nicht Besonnenheit. Es ist Zögerlichkeit, es ist Ängstlichkeit, es ist Ausdruck von Ihrer Politik eines beständigen Hin und Hers, und es ist Ausdruck einer Politik falscher Lageeinschätzung."

FDP: Nur Russland hat rote Linien überschritten

Kritik an der Kehrtwende kam unter anderem von Sahra Wagenknecht (BSW): "Sie lassen sich als Friedenskanzler plakatieren und machen Deutschland mehr und mehr zur Kriegspartei." Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) sagte hingegen, es sei richtig, grünes Licht dafür zu geben, dass die Ukraine Raketenabschussrampen auch auf russischem Boden zerstören dürfe. Die einzige rote Linie, die überschritten worden sei, habe Russlands Präsident Putin am 24. Februar 2022 überschritten - dem Tag des Angriffs auf die Ukraine.