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Recht : Vorratsdatenspeicherung light

Die Union verlangt, IP-Adressen anlasslos für sechs Monate zu speichern. So soll Kindesmissbrauch effektiver bekämpft werden.

27.06.2022
True 2024-06-20T11:32:17.7200Z
3 Min
Foto: picture alliance/Bildagentur-online/Ohde

Die Zahl der Kinderpornographie-Fälle hat sich gegenüber dem Vorjahr 2021 verdoppelt. Die Speicherung von IP-Adressen soll helfen.

Ein altes Anliegen der Unionsfraktion hat eine hitzige Debatte im Bundestag ausgelöst: Mehr Daten der elektronischen Kommunikation auf Vorrat zu speichern, um insbesondere Erzeuger und Verbreiter von Kinderpornografie besser ermitteln zu können. Jetzt hat sie mit dem Antrag "Kinderschutz vor Datenschutz" einen neuen Vorstoß unternommen. Er endete vergangenen Freitag mit der Ablehnung durch alle anderen Fraktionen.

Einig war sich das Parlament aber in der scharfen Verurteilung solcher Taten - und in einem langen Applaus für die Ermittler, Mißbrauchsbeauftragten und alle, die sich im Kampf gegen diese Verbrechen und beim Schutz der Opfer engagieren.

Zahlen haben sich verdoppelt

Günter Krings (CDU) verwies darauf, dass sich die Fälle der Verbreitung, des Erwerbs, des Besitzes und der Herstellung von Kinderpornografie 2021 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt hätten. "Wir als CDU/CSU werden es nicht hinnehmen, wenn immer mehr Kinder zu Opfern werden", sagte er zur Begründung des Antrags.

Dieser sieht vor, dass alle im Internetverkehr genutzten IP-Adressen für sechs Monate gespeichert werden und Ermittler bei Verdacht auf Kinderpornografie, und nur dann, auf richterlichen Beschluss darauf zugreifen können. Diese streng zweckgebundene Speicherung sei etwas ganz anderes als die allgemeine Vorratsdatenspeicherung und durch die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gedeckt.

"Thema nicht parteipolitisch ausschlachten"

Die Koalitionsfraktionen reagierten mit dem Vorwurf, die Union wolle das Thema parteipolitisch ausschlachten. Die Ampel-Koalition widme dem Kampf gegen Kindesmissbrauch breiten Raum, erklärte Sebastian Fiedler (SPD) und verwies unter anderem auf die personelle Verstärkung des Bundeskriminalamtes. Er persönlich sei auch für die Speicherung der IP-Adressen, erklärte Fiedler als einziger Redner außerhalb von CDU und CSU. Allerdings werde das innerhalb der Koalition geklärt "und nicht anhand Ihres Antrags hier".


„Die beste Prävention ist das Fassen der Täter.“
Mechthilde Wittmann (CSU)

Marcel Emmerich (Grüne) warb für das in der Koalition favorisierte Quick-Freeze-Verfahren, nach dem bei einem konkreten Verdacht IP-Adressen, die ohnehin immer sieben Tage lang gespeichert werden, auf richterlichen Beschluss hin länger gespeichert werden dürfen. Damit sei ein praktikabler Vorschlag auf dem Tisch. Genau das allerdings bestreitet die Union mit Hinweis darauf, dass zum Zeitpunkt eines aufkommenden Verdachts die IP-Adresse eben häufig nicht mehr feststellbar sei.

Kinderschutz vor Datenschutz?

Thorsten Lieb (FDP) nannte es "einigermaßen perfide", dass die Unionsfraktion mit der Formulierung "Kinderschutz vor Datenschutz" versuche, zwei Grundrechte gegeneinander auszuspielen. Dies werde Ernst und Bedeutung dieses Themas "in keiner Weise gerecht". Als Ziel der Koalition warb Konstantin Kuhle (FDP) für die "anlassbezogene Speicherung nach gerichtlichem Beschluss". Damit schütze sie "auch die Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, die mit diesen widerlichen Taten nichts zu tun haben".

Linke fordert bessere Prävention

Ähnlich wie die Abgeordneten der Koalition warb Anke Domscheit-Berg (Linke) für bessere Prävention, wie die Stärkung von Jugendämtern und Sozialarbeit sowie Aufklärung von Eltern und Kindern. Von der Union komme stattdessen der "immer gleiche Reflex: mehr Massenüberwachung". Mechthilde Wittmann (CSU) bemerkte dazu: "Die beste Prävention ist das Fassen der Täter."

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