Große Reform im Petitionsausschuss : Das Quorum für Petitionen sinkt auf 30.000 Mitzeichnungen
Mit der Reform setzt die Ampel ein Ziel ihres Koalitionsvertrages um. Das Verfahren werde transparenter und wirksamer. Die Union spricht von Placebo.
Das Petitionswesen wird reformiert. Schon ab dem 1. Juli reichen 30.000 Mitzeichnungen, damit eine Petition in öffentlicher Sitzung durch den Petitionsausschuss beraten wird. Bislang waren 50.000 Unterstützerinnen oder Unterstützer nötig. Verlängert wird auch der Zeitraum, in dem die Unterschriften gesammelt werden können - von bisher vier auf nun sechs Wochen. Eine dritte Neuregelung betrifft die internen Abläufe im Petitionsausschuss, wodurch es zu einer Beschleunigung der Petitionsverfahren kommen soll. All dies hat der Ausschuss in seiner Sitzung am Mittwoch auf Antrag der Koalition beschlossen.
Mit den LNG-Terminals vor Rügen hat sich der Petitionsausschuss im Jahr 2023 intensiv beschäftigt.
Bei der Vorstellung des Tätigkeitsberichts des Ausschusses für das Jahr 2023 am Donnerstag bot sich der Raum für eine Bewertung der Änderungen. Die fiel erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Während es für die Koalition die größte Reform seit Einführung der E-Petitionen vor 20 Jahren ist, sprach Andreas Mattfeldt (CDU) von einem Placebo. Benötigt werde eine wirkliche Reform des Petitionsrechtes, "die den Namen verdient und die die Petenten stärkt", sagte er. Das Absenken des Quorums für öffentliche Sitzungen helfe aber den Petenten "überhaupt nicht".
Union fordert schriftliche Begründung bei Ablehnung
Die Union hatte bei der Ausschusssitzung am Mittwoch eigene Vorschläge gemacht, die aber keine Mehrheit fanden. Bei Petitionen, die mit dem höchstmöglichen Votum "zur Berücksichtigung" überwiesen wurden, wollte sie die Bundesregierung verpflichten, in einer Ausschusssitzung zu erklären, warum sie keinen Handlungsbedarf sieht. Aktuell sei es so, dass die Regierung selbst höchste Voten nicht umsetzt, beklagte Mattfeldt. Sie führe dazu "lapidare Begründungen" an.
CDU und CSU hatten außerdem verlangt, dass die ablehnende Haltung eines Fachausschusses schriftlich gegenüber dem Petitionsausschuss begründet werden müsse. Das, so befand Mattfeldt, wäre tatsächlich ein Paradigmenwechsel.
Axel Echeverria (SPD) sah das anders. Die Ampelparteien hätten schon im Koalitionsvertrag vereinbart, das Petitionswesen zu modernisieren. "Immer, wenn die progressiven Kräfte hier im Haus die Mehrheit hatten, haben wir das Petitionsrecht erneuert", sagte der SPD-Abgeordnete mit Blick auf die letzte Reform unter Rot-Grün vor 20 Jahren. Die Union habe hingegen auch diesen Mal die Möglichkeit verpasst, die "historischen Veränderungen" zu unterstützen. Mit der Quorumsabsenkung werde das klare Signal an die Menschen in der Republik gesendet: "Ja, die Ideen und Meinungen der Menschen sind uns wichtig." Wenn die Union hier von einem Placebo rede, liege sie ganz weit daneben.
Corinna Rüffer (Grüne) lobte die Reform ebenfalls. Schneller, transparenter, öffentlicher und wirksamer würden die Petitionsverfahren dadurch werden, sagte sie. "Wir haben es nach 20 Jahren geschafft, endlich wieder Marken zu setzen, die den Weg in Richtung Bürgerfreundlichkeit weisen."
Petitionsausschuss als "letzter Strohhalm"
Die FDP trägt die Änderungen mit, obwohl sie in der Vergangenheit für ein Festhalten am 50.000er Quorum plädiert hatte. Für Manfred Todtenhausen (FDP) sind ohnehin die persönlichen Anliegen von Menschen, "für die der Petitionsausschuss der letzte Strohhalm ist", die wichtigsten. Zwar könne nicht jedem geholfen werden, machte der FDP-Abgeordnete deutlich. "Wir können aber unser Bestes tun, um diesen Menschen zumindest zuzuhören und jedes Anliegen mit gleicher Ernsthaftigkeit zu würdigen."
Petitionsbericht 2023 & Reform
📃 Im Jahr 2023 sind 11.410 Petitionen beim Petitionsausschuss eingereicht worden - 1.832 weniger als im Jahr davor.
🙋 Knapp 1,6 Millionen Menschen haben die Petitionen mitgezeichnet - fast doppelt so viele wie 2022. In 29 Sitzungen wurden 557 Petitionen zur Einzelberatung aufgerufen.
✏️ Statt 50.000 Mitzeichnungen braucht es ab 1. Juli nur noch 30.000 Unterschriften, damit eine Petition in öffentlicher Sitzung beraten wird. Bislang mussten die Unterschriften in einer Frist von vier Wochen vorgelegt werden. Jetzt bleiben dafür sechs Wochen Zeit.
Dirk Brandes (AfD) machte darauf aufmerksam, dass die Zahl der Petitionen zwar gesunken, die Mitzeichnungen jedoch angestiegen seien. "Glücklicherweise ist also noch Interesse an der Politik vorhanden", resümierte er. Der Petitionsausschuss, so Brandes weiter, erfahre, was die Bürger bewegt. Zahlreiche Eingaben hätten sich kritisch mit den Abgeordnetenvergütungen, der "GEZ-Abzocke" und einer Aufarbeitung des "Corona-Wahnsinns" auseinandergesetzt.
Großteil der Petitionen im Arbeitsbereich "Arbeit und Soziales"
In den 16 Jahren mit einer unionsgeführten Regierung sei es zu keiner Reform gekommen, beklagte die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Martina Stamm-Fibich (SPD). "Mehr als das Verwalten des Status quo war mit Ihnen leider nicht zu machen", sagte sie an die Union gewandt. Erst die neue Koalition habe über einen Wandel nachgedacht und einen Reformprozess angestoßen, "der Petitionen schneller, besser und bürgerfreundlicher machen soll".
Stamm-Fibich ging auch auf den vorgelegten Tätigkeitsbericht ein. 11.410 Eingaben hätten den Ausschuss im Jahr 2023 erreicht - 1.832 weniger als im Jahr davor. Auch der thematische Fokus habe sich verändert. "Betraf in den letzten Jahren ein Großteil der Petitionen das Bundesministerium für Gesundheit, fielen im Jahr 2023 die meisten Zuschriften in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales", sagte sie. Rund zwei Drittel aller Petitionen, so Stamm-Fibich weiter, hätten persönliche Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern enthalten, die mit Entscheidungen oder dem Vorgehen einer Behörde unzufrieden waren.
Bei den sechs öffentlichen Sitzungen sei es unter anderem um die Kindergrundsicherung, den Bundesfreiwilligendienst und die LNG-Terminals vor der Küste Rügens gegangen. Unter dem Applaus aller Fraktionen dankte die Ausschussvorsitzende Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) "für das Wertschätzende, das sie diesem Ausschussdienst zukommen lässt, und dass sie für unsere Anliegen immer ein offenes Ohr hat".