Von Alltagssorgen bis zu großen Streitfragen : Der Petitionsausschuss beackert ein weites Feld
Seit 75 Jahren gibt es den Petitionsausschuss. Mal geht es um Katzen, die sich im Garten des Nachbarn erleichtern, mal um den Atomausstieg. Geantwortet wird immer.
Am kommenden Mittwoch ist es wieder soweit: Die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Martina Stamm-Fibich (SPD), wird den Tätigkeitsbericht des Ausschusses für das Jahr 2023 an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) überreichen. Ein Bericht, der den großen Arbeitsaufwand für die 30 Mitglieder des Ausschusses, aber vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ausschusssekretariat belegt. Auch wenn die konkreten Angaben für das vergangene Jahr erst nächste Woche bekannt gegeben werden – die Zahl der Eingaben an den Bundestag dürfte sich in einem ähnlichen Bereich wie in den Vorjahren einpegelt haben. 2022 waren es 13.242, im Jahr 2021 11.667.
Das Petitionsrecht ist im Grundgesetz verankert
Das Petitionsrecht ist ein Grundrecht. "Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden", heißt es in Artikel 17 des Grundgesetzes. Wer an den Petitionsausschuss des Bundestags schreibt, wendet sich an das „Original mit der Dreifach-Garantie“, wie es der Ausschuss einst in einem Bericht nannte: Zum einen wird der Eingang der Petition bestätigt. Dann wird die Petition durch den Ausschuss geprüft. Schließlich – und das ist der größte Unterschied zu privaten Petitionsplattformen – erhalten die Petentinnen und Petenten einen begründeten Bescheid des Ausschusses darüber, wie mit ihrer Eingabe verfahren wurde.
Den Petitionsausschuss gibt es seit fast 75 Jahren. Am 14. Oktober 1949 konstituierte sich der Petitionsausschuss der 1. Legislaturperiode des Bundestages. 1975 erhielt der Ausschuss die Stellung eines Bundestagsausschusses, der in der Verfassung ausdrücklich genannt, mit eigenen Vollmachten ausgestattet und dessen Einsetzung zwingend vorgeschrieben ist. Eine solche starke verfassungsrechtliche Stellung haben außer ihm nur noch der Auswärtige Ausschuss und der Verteidigungsausschuss. Die Befugnisse des Ausschusses, etwa das Recht auf Auskunft, Aktenvorlage und Zutritt zu Behörden, sind im Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages geregelt.
In Sitzungswochen mittwochs um 8 Uhr tagt das Gremium. Bei vielen Bürgeranliegen finden die Abgeordneten eine fraktionsübergreifend getragene Bewertung. Um andere wird erbittert gestritten – vor allem dann, wenn es um politische Richtungsfragen geht. Bei Forderungen beispielsweise zum Atomausstieg, dem Tempolimit oder zur Arbeitspolitik wird zumeist entlang der Koalitionslinien abgestimmt.
Mehr als zwei Drittel der Petitionen betreffen persönliche Anliegen
Vielfach sind es aber persönliche Anliegen, mit denen sich die Petenten an den Ausschuss wenden. Die eine klagt über Benachteiligungen bei der Rentenermittlung. Der andere sieht sich vom Jobcenter schlecht behandelt. Etwa zwei Drittel der Eingaben – 2022 waren es 70 Prozent der insgesamt 13.242 Petitionen - betreffen solche eher persönlichen Anliegen. Vieles lässt sich auf dem „kurzen Dienstweg“ klären. Manchmal reicht es, wenn die Ausschussmitarbeiter die Behörden auffordern, den Sachverhalt nochmal zu prüfen. In anderen Fällen werden die Abgeordneten aktiv und suchen mit Regierungsvertretern eine Lösung. Nicht immer, so viel ist auch klar, wird dann genau das erreicht, was die Petenten wollten.
So geschehen, als sich ein Grundstücksbesitzer beim Ausschuss beklagte, dass sich die Katze des Nachbarn auf sein Grundstück schleicht, um dort „ihr Geschäft“ zu erledigen. Ärgerlich mag das sein. Der Forderung, den Schutz des Eigentums und der Privatsphäre von Grundstücksbesitzern höher zu bewerten als das Recht des Katzenhalters, seine Katze frei durch die Umgebung laufen zu lassen, stimmte der Ausschuss jedoch nicht zu.
Der Petitionsausschuss des Bundestages
📫 Konstituierung vor 75 Jahren: Der erste Petitionsausschuss des Bundestages trat im Oktober 1949 zusammen. Aktuell gehören dem Gremium 30 Abgeordnete an.
📜 Besondere Stellung: Seit 1975 wird der Petitionsausschuss ausdrücklich im Grundgesetz genannt. Ein eigenes Bundesgesetz regelt die Befugnisse des Gremiums, etwa das Recht auf Auskunft und Aktenvorlage.
📈 Rekord in 2024: Mit 544.963 Unterschriften hält eine im Februar dieses Jahres im Petitionsausschuss behandelte Petition des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, den bisherigen Rekord.
Aber der Petitionsausschuss geht auch an die großen Themen ran. Ob Klimaschutz, Migration, Corona-Pandemie, Energiewende oder Innere Sicherheit: Zu all dem landen Eingaben beim Ausschuss, die teils auch in öffentlicher Sitzung beraten werden. Genau dann nämlich, wenn es sich um öffentliche Petitionen handelt, die innerhalb von vier Wochen mehr als 50.000 Unterschriften vorweisen können. Dazu zählen Mitzeichnungen auf der Petitionsplattform des Bundestages – ebenso wie die klassischen Unterschriftenlisten.
Was nicht zählt, sind Votings auf den privatwirtschaftlichen Petitionsplattformen wie change.org oder openpetition.de. Zugespitzt könnte man sagen: Diese Unterschriften sind verloren. Zumindest taugen sie nicht dazu, das Thema in einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses zu platzieren, bei der auch die Bundesregierung anwesend ist und Farbe bekennen muss.
Rekordpetition hatte mehr als eine halbe Million Unterschriften
Rekordhalter bei der Unterschriftenzahl ist eine im Februar dieses Jahres im Petitionsausschuss behandelte Petition. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), hatte darin die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung gefordert. Mehr als eine halbe Million Unterschriften (544.963) konnte er in der Vier-Wochen-Frist vorweisen.
Trotz der formal herausragenden Bedeutung des Petitionsausschusses, die sich aus Paragraf 17 Grundgesetz ergibt, halten sich die Durchgriffsmöglichkeiten des Ausschusses in Grenzen. Schärfstes Schwert des Ausschusses ist es, eine Petition der Bundesregierung „zur Berücksichtigung“ zu überweisen. Dann ist nämlich aus Sicht der Abgeordneten das Anliegen begründet und Abhilfe notwendig. Der Bundesregierung wird zur Beantwortung eine Frist von in der Regel sechs Wochen gesetzt. Bleibt sie aber bei ihrer Sicht der Dinge, muss das der Ausschuss ohne weitere Interventionsmöglichkeit hinnehmen.
Angekündigte Vorschläge zur Reform des Petitionswesens liegen noch nicht vor
Das relativ hohe Quorum, die kurze Mitzeichnungsfrist und der Umgang mit Petitionen seitens der Bundesregierung – das sind die Themen, bei denen viele Mitglieder des Ausschusses Reformbedarf erkennen. Schon im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP angekündigt, Petitionsverfahren insgesamt stärken und digitalisieren zu wollen.
Aus dem Archiv
Die Zahl der Eingaben ist gestiegen. Reformvorschläge der Ampel fehlen weiterhin.
11.667 Petitionen haben den Petitionsausschuss im Jahr 2021 erreicht. Die Debatte über sinkende Petitionszahlen ist im Gang, die Abgeordneten sehen Reformbedarf.
Wo aber bleiben nun die Reformvorschläge? Seit Jahren heißt es schon bei SPD und Grünen auf Nachfrage, man sei sich innerhalb der Ampel-Fraktionen im Grunde einig, dass das Petitionswesen weiterentwickelt wird – das Quorum also abgesenkt und die Mitzeichnungsfrist verlängert wird. Konkret passiert ist gleichwohl ein Jahr vor Ende der Legislaturperiode noch nichts.