Belastung von Vereinen und Ehrenamt : Engagierte sollen von Bürokratie entlastet werden
Den Bürokratieabbau im Ehrenamts- und Vereinsbereich schreiben sich alle Fraktionen auf die Fahne. Ein Antrag der Union wird indes nicht so umfassend unterstützt.
Bundestagsabgeordnete sind in aller Regel Mitglied, oft auch Vorstandsmitglied in vielen Vereinen. Und als solche, aber auch aus Gesprächen mit anderen engagierten Menschen in ihrem Wahlkreis kennen sie den bürokratischen Aufwand, der mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit verbunden sein kann. "Ich brauchte einen Kosten- und Finanzierungsplan, einen Trainer und ein Jugendschutzkonzept und, und", so berichtete Emilia Fester (Grüne) in einer Debatte am Freitag über ihre Bemühungen als Jugendliche, eine Jugend-Theater-Freizeit zu organisieren.
Union fordert “one in, two out”-Regelung fürs Ehrenamt
Anlass der Aussprache war ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel “Engagement fördern, Ehrenamt stärken, Vereine entlasten - Bürokratie in der Ehrenamts- und Vereinsarbeit abbauen” Darin heißt es, die Bürokratiebelastung des Ehrenamts müsse dauerhaft und stetig reduziert werden. Die Bundesregierung wird unter anderen dazu aufgefordert, für die Bürokratiekosten des Ehrenamts eine "One in, two out"-Regel einzuführen. "Für jede neue Bürokratiebelastung muss künftig doppelt so viel bisherige Bürokratiebelastung abgebaut werden", schreiben die Abgeordneten.
Außerdem braucht es aus Sicht der Union einen Praxischeck "Ehrenamt". Neue Regelungen müssten ehrenamtstauglich sein. Die Bundesregierung müsse die praktischen Auswirkungen neuer Gesetz- und Verordnungsentwürfe auf das Ehrenamt daher frühzeitig und systematisch überprüfen, wird verlangt. Bei der Überprüfung seien Ehrenamtler und Vereine mit ihren wertvollen praktischen Erfahrungen einzubeziehen. Außerdem fordern die Antragsteller eine höhere steuerliche Übungsleiter- und der Ehrenamtspauschale. Aufgrund der Inflation und des wachsenden Mangels an nebenberuflich Tätigen müsse die Übungsleiterpauschale auf 3.600 Euro und die Ehrenamtspauschale auf 1.200 Euro angehoben werden, heißt es in der Vorlage.
Abgeordnete der Koalitionsfraktionen lobten viele Punkte in dem Antrag, kündigten aber dennoch an, ihn abzulehnen. "Herzlichen Dank für diese Diskussion heute", sagte etwa Esra Limbacher (SPD) an die Unionsfraktion gerichtet, um dann aber auch auszuführen, was ihr an dem Antrag nicht gefällt. An erster Stelle stand hier die vorgeschlagene "One in, two out"-Regel. Nirgends stehe, was konkret wegfallen soll. Limbacher verwies zudem darauf, dass europäische Regulierungen von einem solchen Verfahren ausgeschlossen sind. Gerade der europäisch regulierte Datenschutz aber bereite Vereinen besonders viele Probleme. Nadine Ruf (SPD) verwies auf den Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement des Bundestages, zu dem immer Ehrenamtliche eingeladen würden, deren Aussagen dann in die parlamentarische Arbeit einflössen.
Koalition verweist bereits beschlossene Bürokratieentlastungen
Awet Tesfaiesus (Grüne) hob von der Koalition eingeführte Erleichterungen für das Ehrenamt hervor, wie das im Mai verabschiedete Freiwilligen-Teilzeit-Gesetz und die Möglichkeit, Mitgliederversammlungen digital oder hybrid durchzuführen. "Anstatt nur Symbolpolitik zu machen, verehrte Union, packen wir an", warf Tesfaiesus in den Raum. Mehrere Koalitionsabgeordnete verwiesen zudem auf die von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) für Dezember angekündigte neue Bundes-Engagement-Strategie, der die Union offenbar mit ihrem Antrag zuvorkommen wolle.
Thorsten Lieb (FDP) hob hervor, dass die Koalition beim Bürokratieabbau "schon viel erreicht" habe. Von digitalisierten Verwaltungsprozessen und der Ermöglichung digitalen Schriftverkehrs etwa profitierten auch Vereine. Und an weiteren Maßnahmen zu Bürokratieabbau werde gearbeitet. An die "verehrte Union" gerichtet fügte Lieb an, dass hier "in der letzten Wahlperiode nichts gemacht" worden sei.
Redner der Unionsfraktion beklagten eine zurückgehende Bereitschaft, sich im Verein zu engagieren. "Die Ehrenamtlichen verlieren die Lust am Engagement", sagte etwa Florian Müller (CDU), "weil sie Jahr für Jahr mehr Zeit am Schreibtisch verbringen müssen". Wer sich ehrenamtlich engagiere, mache das "nicht aus Freude am Formular, sondern aus Lust und Begeisterung für Gemeinschaft und Engagement". Zu der angekündigten Bundes-Engagement-Strategie merkte Johannes Steiniger (CDU) an: "Strategien und Positionspapiere haben wir genug. Wir müssen mal ins Machen kommen."
AfD unterstützt Union grundsätzlich, fordert aber weitere Maßnahmen
Die AfD-Fraktion kündigte als einzige an, dem Unionsantrag zuzustimmen. Die dort vorgeschlagenen Maßnahmen sollten allerdings noch "deutlich ausgeweitet werden", erklärte Gereon Bollmann. Der Normenkontrollrat habe eine Vielzahl von Maßnahmen vorgeschlagen, von denen die Union nur einige aufgegriffen habe. Bollmann nannte unter anderem eine Reihe von Steuerbefreiungen für Vereine, "jedenfalls bis zu einer Bemessungsgrenze", und die Übernahme von GEMA-Gebühren bei Veranstaltungen ohne Eintrittsgeld. Für Widerspruch von der linken Seite des Plenarsaals sorgte Stephan Brandner (AfD), als er ausführte, dass bei den Vereinen überall Geld fehle, Aktionen "gegen Rechts" aber üppig bezuschusst würden. Er rate Vereinen in seinem Wahlkreis immer: "Macht doch was gegen Rechts, macht Grillen gegen Rechts, Tanzen gegen Rechts, Singen gegen Rechts, Dosenwerfen gegen Rechts", dafür sei Geld da.
Stephan Mayer (CSU) antwortete Brandner mit einem Hinweis auf die in der letzten Legislaturperiode gegründete Deutsche Stiftung Ehrenamt und Engagement, aus der Vereine sehr wohl Zuschüsse für ihre Arbeit bekommen könnten. Und Gökay Akbulut (Linke) verteidigte, wie auch einige Rednerinnen und Redner von SPD und Grünen, die Förderung von ehrenamtlichem Engagement gegen Rechtsextremismus. Sie forderte, "die Demokratie-Förder-Gesetze dauerhaft zu finanzieren".