Rund eine Milliarde Euro Entlastung im Jahr : Bundestag beschließt Bürokratieentlastungsgesetz IV
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV ist beschlossen. Der Opposition reichen die darin vorgesehenen Maßnahmen nicht aus. Der Koalition aber auch nicht.
Die abschließende Debatte über den Entwurf des vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) hat am Donnerstag für einen veritablen Schlagabtausch zwischen den Koalitionsfraktionen und der Opposition gesorgt. Während Redner und Rednerinnen von SPD, Grünen und FDP vorrechneten, was das Gesetz den Unternehmen und Bürgern bringen könne, warfen die Vertreter von CDU/CSU, AfD und den Gruppen Die Linke und BSW den Regierungsfraktionen vor, nur minimale Entlastungen auf den Weg zu bringen und sogar dem Steuerbetrug Vorschub zu leisten. Für den Entwurf stimmten SPD, Union, Grüne und FDP, dagegen stimmte die Gruppen Die Linke und BSW. Die AfD enthielt sich.
Erleichterung bei Arbeitsverträgen und Co. beschlossen
Am Mittwoch hatte der Rechtsausschuss den Entwurf um einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ergänzt. Damit wurden nach Bekunden der Koalition Anregungen von Verbänden und des Bundesrates aufgegriffen. Dazu gehören Vereinfachungen im Nachweisrecht, also bei Arbeitsverträgen und Co. Zudem nahmen die Koalitionsfraktionen noch etliche Änderungen an Regelungen vor, die bereits im Regierungsentwurf vorgesehen waren.
Bürokratieabbau im Hotel: Künftig soll für deutsche Staatsbürger die Hotelmeldepflicht entfallen. Die Bundesregierung schätzt die Entlastung der Beherbergungswirtschaft auf 62 Millionen Euro pro Jahr.
In einer Anhörung zum Entwurf hatten Sachverständige eine Reihe von Nachbesserungen gefordert. Zudem hatten sich die Bürgerbewegung Finanzwende und die Deutsche Steuergewerkschaft gegen die Verkürzung der Aufbewahrungsfrist für Steuer- und Buchungsbelege von derzeit zehn auf acht Jahre gewehrt. Mit Blick auf laufende Cum-Ex-Ermittlungsverfahren wurde nun die heftig kritisierte Regelung zu den Aufbewahrungsfristen angepasst. Die verkürzte Frist soll für Personen und Gesellschaften, die der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegen, erst mit einer Verzögerung von einem Jahr gelten.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Wirtschaft jährlich um rund 913 Millionen Euro entlasten. Dazu ist unter anderem vorgesehen, Formerfordernisse im Zivilrecht abzusenken, Aufbewahrungspflichten zu verkürzen sowie für deutsche Staatsangehörige die Hotelmeldepflicht abzuschaffen. Ferner soll laut Entwurf eine zentrale Datenbank der Steuerberaterinnen und Steuerberater für Vollmachten im Bereich der sozialen Sicherung eingeführt werden. Ebenfalls angenommen wurde ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen. Darin kündigen sie weitere Anstrengungen zum Bürokratieabbau an und fordern die Bundesregierung auf, diverse weitere Vorhaben in Angriff zu nehmen beziehungsweise zu prüfen.
Bundeswirtschaftsminister Habeck sieht Bürokratie als “Investitionshemmnis”
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verwies in seiner Rede auf die Lasten der Bürokratie, die ein echtes Investitionshemmnis seien. Bei aller Sperrigkeit sei nicht zu übersehen, welche Bedeutung dieses Thema für den wirtschaftlichen Aufschwung habe. Mit dem BEG IV setze die Bundesregierung den Weg der Entbürokratisierung fort. Dies reiche aber nicht.
Natürlich habe die Ampelregierung auch Bürokratie aufgebaut, sagte Habeck, aber die sei auch nicht vom Himmel gefallen. Alle hätten ihren Anteil daran. Als erste Ursache nannte Habeck die Europäische Union.
Esra Limbacher (SPD) sagte, der Handlungsdruck sei nicht erst jetzt, sondern bereits in den letzten Jahrzehnten entstanden. Beim BEG IV gehe es um drei Dinge: Um Wettbewerb, Eigenverantwortung und darum, das Leben der Menschen einfacher zu machen. Unnötige Bürokratie koste Zeit und Geld, stelle jeden Tag normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor hohe Hürden im Alltag und bremse die Wirtschaft. Das BEG IV sei ein Signal und Bestandteil einer neuen Herangehensweise, eine neue Einstellung in der deutschen Politik: Weniger Regulierung, schnellere Verfahren und mehr Wettbewerbsfähigkeit.
FDP sieht vorherige Regierung in der Verantwortung
Johannes Vogel (FDP) sprach von Versäumnissen vorheriger Regierungen. Es müsse jetzt gehandelt werden, weil es so nicht weitergehe. "Deshalb müssen wir jetzt das Ruder rumreißen", sagte Vogel. Aufgabe der Politik sei es dabei, beste Rahmenbedingungen zu schaffen.
Das Gesetz sei auf diesem Weg ein erster Schritt. Das BEG IV werde mit über 60 Einzelmaßnahmen dazu führen, dass eine Milliarde Euro Bürokratiekosten für die Unternehmen und die Menschen eingespart werden. Bürokratieabbau sei Wirtschaftspolitik, die kein Geld koste, ein Konjunkturprogramm zum Nulltarif.
Union stimmt zu, fordert aber deutlich mehr Bürokratieabbau
Dagegen warf Günther Krings (CDU) der Ampelregierung vor, bisher nur durch Bürokratiewachstum aufgefallen zu sein. Was jetzt als Entlastungspaket angekündigt werde, sei "nicht mal mehr ein Päckchen", sondern nur noch "ein dünner Luftpostbrief". Alle erfolgreichen bisherigen Entlastungsgesetze- und -programme seien auf Initiative von CDU und CSU zustande gekommen. Unter der Ampel-Regierung sei der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft auf einem historischen Höchststand angelangt, sagte Krings. Statt der versprochenen Entlastung erlebe man Sitzungswoche für Sitzungswoche eine Zunahme an Vorschriften und Dokumentationspflichten, die die Unternehmen lähmten und Innovation bremsten.
Mehr zum Bürokratieabbau
Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV soll allein die Wirtschaft um 944 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden. Der Opposition reicht das noch nicht.
Ein Antrag der Union zum Bürokratieabbau findet im Bundestag keine Mehrheit. Die Koalition setzt auf ihr Bürokratieentlastungsgesetz IV.
Stephan Brandner (AfD) bezeichnete den Gesetzentwurf als "planloses Stückwerk". Solche Vorhaben brächten Deutschland nicht voran, sie seien "Deutschlands Untergang". Brandner sprach von einer "Entbürokratisierungsbürokratie".
Cum-Ex und Cum-Cum: Linke und BSW kritisieren verkürzte Aufbewahrungsfrist
Jörg Cezanne (Gruppe Die Linke) kritisierte den Entwurf als Tropfen auf den heißen Stein, die Bürokratiekosten würden kaum gesenkt. Was das Gesetz aber zu einem "unerträglichen Skandal" mache, sei, dass sich die Regierungsparteien damit zum Helfer beim Steuerbetrug machten. Die Verkürzung der Aufbewahrungspflicht von Steuerunterlagen nutze Steuerbetrügern. Dabei gehe es um milliardenschweren Steuerbetrug der vergangenen Jahre wie die Cum-Ex- und Cum-Cum-Deals. Das sei "falsch und verheerend". Der am Mittwoch von den Ampel-Fraktionen vorgelegte Kompromiss sei keiner.
Klaus Ernst (Gruppe BSW) sagte, der Vernichtung der Unterlagen zuzustimmen, die zur Aufklärung der illegalen Deals nötig seien, sei ein Skandal.