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Sanktionsrecht : Halbe Strafe

Der Bundestag beschließt die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe. Die Entkriminalisierung des Schwarzfahrens ist damit in Sicht.

26.06.2023
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Die Koalition ist stolz auf sich selbst. Man gehe einen "historischen Schritt", sagte Philipp Hartewig (FDP) vergangenen Donnerstag während der abschließenden Beratung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zu Änderungen im Sanktionsrecht. Konkret ging es dem Liberalen um die von der Koalition nun umgesetzte Reform der Ersatzfreiheitsstrafe. Daran seien Bundestag, Bundesrat und frühere Bundesregierungen bereits sechs Mal gescheitert. "Wir reformieren die Ersatzfreiheitsstrafe und schreiben damit Rechtsgeschichte", freute sich der Abgeordnete. Eine Ersatzfreiheitsstrafe wird angeordnet, wenn eine verurteilte Person eine ihr auferlegte Geldstrafe nicht begleicht. 

Foto: picture alliance/dpa/Daniel Reinhardt

Ein Mitarbeiter der Hochbahn-Wache kontrolliert im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages in einem Zug der Hochbahn die Fahrkarten sowie die Einhaltung der Maskenpflicht.

Bisher galt: Für jeden Tagessatz Geldstrafe ist ein Tag Haft fällig. Dieser Umrechnungsmaßstab wird nun halbiert, ein Tag Haft wird künftig zwei Tagessätzen entsprechen. Aus Sicht von Hartewig ist diese Anpassung nur konsequent, denn es sei klar: "Eine Ersatzfreiheitsstrafe greift deutlich mehr in das Leben eines Menschen ein als eine Geldstrafe." Gänzliche ohne gehe es aber nicht, als Druckmittel, um die Geldstrafe abzusichern, sei die Ersatzfreiheitsstrafe weiter nötig.

Änderungen im Ausschuss

Im parlamentarischen Verfahren hatte die Koalition noch einige Änderungen an dem Entwurf vorgenommen. So sollen Gerichte zum einen bei der Verhängung von Geldstrafen künftig explizit darauf achten, "dass dem Täter mindestens das zum Leben unerlässliche Minimum seines Einkommens verbleibt". Zum anderen soll die schon im Regierungsentwurf vorgesehene Einbindung der Gerichtshilfe bei unter anderem der Anordnung von Ersatzfreiheitsstrafen zu einer Soll- statt einer Kann-Regelung werden. Diese beiden Punkte seien zusammen mit der Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafen sehr wichtig, um finanziell schwachen Menschen etwas mehr Gerechtigkeit zukommen zu lassen, hob Sozialdemokratin Sonja Eichwede in der Debatte hervor, "ein Rechtsstaat muss sozial denken, sonst entstehen Ungleichgewichte und Ungerechtigkeiten". Ähnlich argumentierte Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen): "Wir wollen doch nicht Menschen die Freiheit entziehen, nur weil sie ihre Geldstrafe nicht bezahlen können, weil sie arm sind."


„Mit erhobenem Zeigefinger wird die Beinfreiheit der Strafgerichte eingeschränkt.“
Axel Müller (CDU)

Die Opposition sah den Gesetzentwurf, der das Haus mit Stimmen der Koalition bei Enthaltung von Union und Linke gegen die Stimmen der AfD passierte, kritischer. Die Union kann sich zwar mit der Halbierung des Umrechnungsmaßstabes anfreunden. Die neu gefasste Regelung zur Festlegung von Geldstrafen stößt aber auf Ablehnung. "Mit erhobenem Zeigefinger wird die Beinfreiheit der Strafgerichte eingeschränkt", kritisierte Axel Müller (CDU). Thomas Seitz (AfD) sprach von einer Verwässerung der Ersatzfreiheitsstrafe. Zudem prognostizierte er, dass die Regelung zur Einbindung der Gerichtshilfe ins Leere laufen werde. "Wo es die Ressourcen hergeben, gibt es jetzt schon Hausbesuche, und wo nicht, da fehlt es eben an den Ressourcen; da wird sich nichts ändern." Aus beiden Fraktionen kam zudem Kritik, dass der Umrechnungsmaßstab mit Blick auf die Gesamtstrafenbildung in anderen Fällen nicht angepasst worden sei.

Verschärfung des Maßregelvollzuges begrüßt

Die in dem Gesetzentwurf ebenfalls vorgesehene Neuregelung der Unterbringung von Verurteilten in Entziehungsanstalten im Rahmen des Maßregelvollzugs wurde überwiegend begrüßt. Künftig sollen die Voraussetzung für die Unterbringung in den aktuell überlaufenden Anstalten enger gefasst werden. Zudem wird die Berechnung der Aussetzung von Freiheitsstrafen zur Bewährung in diesem Zusammenhang neu geregelt, um Fehlanreize abzubauen. Union und AfD kritisierten indes, dass die Koalition sich so lange Zeit mit der Neuregelung gelassen habe, schließlich habe eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe bereits im November 2021 entsprechende Reformvorschläge vorgelegt.

Umstritten ist die Ergänzung der Strafzumessungsgründe. In dem entsprechenden Paragrafen im Strafgesetzbuch soll nun explizit genannt werden, dass "geschlechterspezifische" und "gegen die sexuelle Orientierung gerichtete" Tatmotive besonders zu berücksichtigen sind. AfD-Abgeordneter Seitz sagte, damit schaffe die Koalition "Gesinnungsstrafrecht pur". Christdemokrat Müller kritisierte die Regelung als überflüssig, da diese Beweggründe schon jetzt berücksichtigt werden könnten. Die Ampelkoalition stelle die Justiz bei dem Thema "unter Generalverdacht". Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen) sah das anders: "Wir setzen mit dieser Strafverschärfung bei frauenfeindlichen Motiven auch das Signal: Keinerlei Akzeptanz für jegliche Form von physischer, psychischer oder sexualisierter Gewalt gegen Frauen!"

Linke fordert, Bagatelldelikte zu entkriminalsieren

Aus Sicht der Linksfraktion macht die Koalition beim Thema Ersatzfreiheitsstrafe mit ihrem Gesetzentwurf nur "halbe Sachen", wie Clara Bünger kritisierte. Das als Erfolg zu verkaufen, sei lächerlich. Sie forderte eine Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe. Mit einem entsprechenden Antrag fand die Fraktion aber keine Mehrheit. Die Linken-Rechtspolitikerin kritisierte zudem, dass weniger Hafttage am Grundproblem gar nichts änderten: "Wegen einer Bagatelle wie dem Fahren ohne Fahrschein werden Menschen auch künftig in Haft kommen, und das nur, weil die allermeisten von ihnen arm, arbeitslos, wohnungslos oder krank sind."

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Das Problem hat die Koalition nach eigenem Bekunden im Blick. Sie will prüfen, ob das Schwarzfahren entkriminalisiert werden sollte. Mit dem Thema setzte sich Anfang vergangener Woche bereits der Rechtsausschuss auseinander. In einer öffentlichen Anhörung zu einem Gesetzentwurf der Links-Fraktion sprach sich die überwiegende Mehrheit der geladenen Sachverständigen dafür aus, Schwarzfahren grundsätzlich nicht mehr als Straftat zu verfolgen. Strittig war allerdings, ob alternativ Schwarzfahren als Ordnungswidrigkeit eingestuft oder rein als zivilrechtliche Frage behandelt werden sollte.