Sachverständige uneins über Änderungen : Terrorismusstrafrecht soll an EU-Vorgaben angepasst werden
Nach einer Rüge der EU-Kommission will die Bundesregierung das Terrorismusstrafrecht anpassen. In einer Anhörung stößt dies bei Experten teils auf Skepsis.
Die Bundesregierung will im Terrorismusstrafrecht nachbessern. Freiwillig geschieht das nicht, die EU-Kommission hat gerügt, dass Deutschland eine EU-Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung nicht ausreichend umgesetzt hat. Dies soll nun mit einem Gesetzentwurf getan werden. In einer Sachverständigenanhörung im Rechtausschuss Anfang der Woche betonten die geladenen Expertinnen und Experten, dass eine Umsetzung europarechtlich notwendig sei. Zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der Rechtswissenschaft sowie der Strafverfolgungspraxis zeigte sich aber ein Dissens. Insbesondere erstere warnten, dass die Umsetzung in einigen Bereichen zu weit gehe und nicht mehr verfassungskonform sein könnte. Vertreter aus der Justizpraxis begrüßten die Vorlage und forderten erweiterte Ermittlungsbefugnisse.
Konkret sind Änderungen vor allem in den Paragrafen 89a (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) und 89c (Terrorismusfinanzierung) geplant. Laut Entwurf soll in Paragraf 89a künftig eine "terroristische Straftat" definiert werden statt der bisherigen "schweren staatsgefährdenden Gewalttat". Zudem soll der Straftatenkatalog ausgeweitet werden. Unter anderem soll danach der Tatbestand der Einreise als Straftat im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten aufgenommen werden. Ferner soll eine Versuchsstrafbarkeit aufgenommen und die versuchte Anstiftung zu einer terroristischen Straftat geahndet werden. In Paragraf 89c ist vorgesehen, den Paragrafen um bestimmte Handlungen zu erweitern, deren Finanzierung den Tatbestand einer Terrorismusfinanzierung erfüllt. Ebenso soll eine Versuchsstrafbarkeit eingeführt werden.
Kritik an Vorverlagerung der Strafbarkeit
Katharina Beckemper von der Universität Leipzig sagte in ihrem Einführungsstatement, der Entwurf sei "richtig gut" und komme zur rechten Zeit. Der Gesetzgeber habe auf die Mahnung der EU reagiert, "aber nicht immer und an allen Stellen elegant". Der Entwurf entspreche den Vorgaben des europäischen Rechts. Allerdings werde die Versuchsstrafbarkeit sehr weit nach vorn gedehnt. Ähnlich äußerte sich Anneke Petzsche von der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie begrüßte zwar die im Entwurf enthaltenen terminologischen Klarstellungen und tatbestandlichen Umstrukturierungen. Darüber hinaus seien die im Zentrum der Reform stehenden Normen des Terrorismusstrafrechts aufgrund ihrer erheblichen Vorverlagerung kritisch zu sehen. Erweiterungen, die über die europäischen Vorgaben hinausgehen, sollten auf ihren europarechtlichen Kern zurückgeführt werden.
Aus Sicht der Strafverfolgungspraxis bieten die Regelungen im Entwurf hingegen neue Möglichkeiten. So befand Dirk Peglow, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, dass die geplanten Regelungen dazu geeignet seien, bisherige Lücken im Bereich der Strafverfolgung zu schließen und eine noch effektivere Verfolgung des Terrorismus zu ermöglichen. Im Einzelnen begrüßte Peglow unter anderem, dass der Katalog der terroristischen Straftaten präzisiert und auch erweitert worden sei. Zudem erscheine es sachgerecht, die Versuchsstrafbarkeit auszudehnen. Sie ermögliche es, eine Vielzahl von Vorfeldaktivitäten als Straftaten zu verfolgen.
Praktiker wollen erweiterte Befugnisse und mehr Personal
Alexander Poitz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, erklärte, mit dem Entwurf werde gesetzgeberischer Handlungsbedarf erkannt. Angesichts der europaweit andauernden herausfordernden Sicherheitslage sei es aber auch notwendig, dass die Polizei und Sicherheitsbehörden personell gestärkt und mit wirksamen Befugnissen im Kampf gegen den Terrorismus ausgestattet werden.
Wolfram Nettersheim, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof, sprach sich für eine Ausweitung der Strafbarkeiten im Terrorismusstrafrecht aus. Das gelte insbesondere für die einheitliche Definition der terroristischen Straftat und die damit einhergehende Vereinheitlichung und Erweiterung der im Entwurf in Bezug genommenen Straftaten. Diese Strafbarkeitserweiterungen könnten aber nur dann zu der von der Richtlinie und dem vorliegenden Entwurf beabsichtigten umfassenderen und effektiveren Verfolgung terroristischer Handlungen führen, wenn auch die Eingriffsermächtigungen der Strafprozessordnung auf die entsprechenden neuen Varianten und Tatbestände erstreckt werden. Der Forderung nach einer Erweiterung der Ermittlungsbefugnisse schloss sich in der Anhörung auch Andreas Schmidtke, Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf, an.