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Sachverständige zum Rentenpaket II : Viel Pro und Contra für die Haltelinie bei der Rente

In einer Anhörung zum Rentenpaket II ist für jede Sichtweise etwas dabei. Hitzige Diskussionen bleiben aus und werden nun hinter den Kulissen weitergeführt.

17.10.2024
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4 Min

Das von der Bundesregierung geplante Rentenpaket II hat bei einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montag eine differenzierte Bewertung durch die geladenen Sachverständigen erfahren. Im Gegensatz zu der medial teils hitzig geführten Debatte zeichnete sich die Anhörung durch sachliche Argumentationen für und gegen die Ampel-Pläne aus.

Foto: picture alliance / dpa / Sven Simon

Die Regierung betont: Vom Rentenpaket profitieren auch Jüngere.

Koalition will Halteniveau in Höhe von 48 Prozent bis mindestens 2039 festschreiben

Mit dem Gesetzentwurf für das Rentenpaket II will die Koalition aus SPD, Grünen und FDP ein Halteniveau (Verhältnis der Standard-Rente zum Durchschnittsverdienst) für die gesetzliche Rente in Höhe von 48 Prozent bis mindestens 2039 festschreiben. Dafür werden die Beiträge auf 22,3 Prozent im Jahr 2045 steigen, teilweise finanziert durch Kapitalanlagen am Aktienmarkt, dem sogenannten Generationenkapital. Der Entwurf hatte in den vergangenen Monaten für ausgiebige Diskussionen gesorgt, weil er aus Sicht seiner Kritiker einseitig die aktuelle Rentnergeneration bevorzugt.

Ursprünglich war geplant, das Rentenpaket noch vor den abschließenden Haushaltsberatungen des Bundestages im November zu verabschieden. Derzeit sieht es so aus, als müsste die SPD, deren Herzensprojekt es vor allem ist, froh sein, wenn alles bis Weihnachten in trockenen Tüchern ist. Denn die FDP hat noch Gesprächsbedarf und fordert vor allem wegen der mit dem Entwurf verbundenen Beitragssteigerungen Veränderungen. Man werde zunächst einmal die Anhörung im Bundestag in Ruhe auswerten, hieß es aus der Partei.

Nachhaltige Anlagenstrategien sind gefragt

In dieser Anhörung kam es aber nicht zum großen Showdown der Argumente, sondern zu einer nüchternen Betrachtung des Gesetzespaketes, zum Teil sehr detailreich etwa zu Fragen der nachhaltigen Ausgestaltung von Kapitalanlagen. In diesem Zusammenhang war vor allem die Bewertung von Anja Mikus sehr gefragt, die als Vertreterin von Kenfo (Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung) darlegte, wie auch eine Orientierung an nachhaltigen Zielen wie den Pariser Klimazielen funktionieren und ein erfolgversprechendes Ergebnis für die Anlageprodukte erzielen kann.

Dieser Fonds verwaltet derzeit Geld für die Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung von Atommüll. Künftig soll er auch für das Generationenkapital zuständig sein. Ein paar Tage vor der Anhörung äußerte Greenpeace Kritik daran, dass der Fonds in einem Teil seines Portfolios auch in saudi-arabische Gas- und Ölunternehmen investiert.


„Die Haltelinie gibt in Zeiten knapper Kassen den Besserverdienenden mehr als denen, die den Sozialstaat nötig haben.“
Wirtschaftswissenschaftler Axel Börsch-Supan

Deutliche Kritik am Rentenpaket äußerte unter anderem der Wirtschaftswissenschaftler Axel Börsch-Supan. Es konzentriere sich einseitig auf die Leistungsstabilität auf Kosten der Generationengerechtigkeit. Die Festschreibung des Rentenniveaus werde aber langfristig kaum zu finanzieren sein, warnte er. In seiner Stellungnahme schreibt Börsch-Supan zum Gesetzentwurf: “Er verstärkt die Strukturkrise Deutschlands. Das wesentliche Element des Pakets - die Haltelinie - gibt in Zeiten knapper Kassen den Besserverdienenden mehr als denen, die den Sozialstaat nötig haben.”

Vernachlässigt die Ampel andere Stellschrauben?

Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrats Wirtschaft, kritisierte, dass die Ampel-Regierung das Sicherungsniveau zum einzigen Instrument der Gestaltung der Altersvorsorge mache und darüber hinaus andere Stellschrauben vernachlässige. Die im Gesetzentwurf genannten Zahlen "sollten uns warnen", sagte er in Bezug auf die Finanzierung.

Patrick Weinert vom Bundesrechnungshof (BRH) verteidigte dessen Pressearbeit und den Umgang mit Zahlen darin gegen Kritik. "Wir bezweifeln die Finanzierbarkeit dieser enormen Kosten", betonte er. Den Verweis auf das Generationenkapital kritisiert der BRH in seiner Stellungnahme wie folgt: "Dabei ist nicht sicher, dass die Stiftung wie vorgesehen jährlich 10 Milliarden Euro auszahlen kann. Denn dafür muss die am Kapitalmarkt erzielte Rendite des Generationenkapitals um circa drei Prozentpunkte höher sein als der Zinssatz, den der Bund für seine Kredite aufwenden muss."

DGB kritisiert den Umgang mit Zukunftsszenarien

Zuvor hatte Ingo Schäfer vom Deutschen Gewerkschaftsbund dem BRH vorgeworfen, auf unseriöse und populistische Weise mit Berechnungen zu arbeiten, die 20 oder 50 Jahre in die Zukunft blicken und die Öffentlichkeit mit "Schockmeldungen" zu verunsichern. "Eine gute Alterssicherung kostet immer Geld und kein Trick der Welt kann uns davon befreien", sagte der Gewerkschaftsvertreter.

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Peer Rosenthal von der Arbeitnehmerkammer Bremen begrüßte die Rentenpläne der Bundesregierung ebenfalls: Die langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus sei eine zentrale Stellschraube und erneuere das Leistungsversprechen der gesetzlichen Rentenversicherung, gerade auch für die jüngere Generation. In ihrer Stellungnahme verweist die Kammer auf eine von ihr und dem DGB beauftragten repräsentativen bundesweiten Befragung. Demnach würden rund zwei Drittel aller Befragten lieber höhere Beitrage zahlen, als zur Finanzierung der gesetzlichen Renten noch später in den Ruhestand zu gehen. Jüngere Beschäftigte unter 40 Jahren seien dazu sogar noch etwas häufiger bereit.

Sozialverband: Der “Verfallsprozess” wird gestoppt 

Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, betonte, dass für viele Menschen die betriebliche und die private Altersvorsorge immer noch keine Option darstellten, deshalb müsse die Verlässlichkeit der gesetzlichen Rente garantiert werden und langfristig sogar wieder ein Rentenniveau von 53 Prozent erreicht werden. Die zentrale Funktion des Umlagesystems, den im Alter oder bei Erwerbsminderung wegfallenden Lohn zu ersetzen, wäre durch ein weiter sinkendes Rentenniveau geschwächt worden. "Dieser weitere Verfallsprozess wird mit dem zweiten Rentenpaket gestoppt", schreibt der Verband in seiner Stellungnahme.