Piwik Webtracking Image

Verteidigungsetat : Ein Minister und seine Truppe in Geldnöten

Der Bundeswehr werden nach dem Aufbrauchen des Sondervermögens zweistellige Milliardenbeträge fehlen, um "kriegstüchtig" zu werden.

13.09.2024
True 2024-09-13T11:10:48.7200Z
4 Min
Foto: picture alliance / Chris Emil Ja

Verteidigungsminister Boris Pistorius am 4. September während der Indienststellung des neuen Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM bei der Flugabwehrraketengruppe 61 der Bundeswehr in Todendorf in Schleswig-Holstein.

Boris Pistorius (SPD) hat Geldsorgen. Mit einem geplanten Wehretat von 53,25 Milliarden Euro und weiteren 22 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr sollen Deutschlands Verteidigungsausgaben im kommenden Jahr mit rund 75 Milliarden Euro zwar auf einen neuen Höchststand steigen, aber dies wird trotzdem "nicht reichen", wie der Verteidigungsminister in der Debatte über seinen Haushalt in der vergangenen Woche einräumte.

Bundeswehr soll bis 2029 wieder "kriegstüchtig" werden

Es wird vor allem dann nicht reichen, wenn die Bundeswehr bis 2029 wieder "kriegstüchtig" werden soll, wie es Pistorius seit Monaten fordert. Auch in der Debatte warnte er erneut eindringlich: "Russland hat auf Kriegswirtschaft umgestellt und kann seine Streitkräfte vermutlich innerhalb weniger Jahre so aufstellen, dass es Nato-Territorium angreifen könnte." Bis dahin müsse die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands gestärkt und die Ukraine "in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland" weiter unterstützt werden.


„Es gibt keine einzige Maßnahme der Ampelregierung, die dafür sorgt, dass das Beschaffungswesen beschleunigt wird.“
Johann David Wadephul (CDU)

Doch bis die deutschen Streitkräfte wieder "kriegstüchtig" sind, könnten noch Jahrzehnte vergehen. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, die pünktlich zur ersten Lesung des Verteidigungshaushaltes veröffentlicht wurde. Deren Wissenschaftler errechneten, wie lange es dauern würde, bis die Truppe beim derzeitigen Tempo der Beschaffung von Waffensystemen wieder auf dem Stand des Jahres 2004 wäre. "Wenn wir bei den Artilleriesystemen so weitermachen, dauert das über 100 Jahre", zitierte der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Johann David Wadephul aus der Studie. 

Das liege zum einen daran, dass das benötigte Geld fehle, aber auch am langsamen Beschaffungswesen. "Es gibt keine einzige Maßnahme der Ampelregierung, die dafür sorgt, dass das Beschaffungswesen beschleunigt wird", befand der CDU-Abgeordnete. Angesichts einer Inflationsrate von etwa zwei Prozent und der Maßgabe, dass im Wehretat eine globale Minderausgabe von 1,3 Milliarden Euro erwirtschaftet werden soll, stelle die geplante Erhöhung des Wehretats um 1,3 Milliarden Euro faktisch eine Kürzung dar: “Sie nehmen der Bundeswehr Mittel weg, anstatt ihr die notwendigen Mittel für die Zeitenwende zu geben.”

Steigende Personal- und Betriebskosten

Auch der SPD-Verteidigungsexperte Wolfgang Hellmich räumte ein, dass "die doch recht geringe Erhöhung des Verteidigungsetats eine ernüchternde Zahl darstellt". Er habe sich eine "signifikante Erhöhung" gewünscht. Zugleich warnte Hellmich, dass der reguläre Wehretat zu großen Teilen von den laufenden Betriebskosten für Personal, Treibstoff, Munition und Übungen, aufgebraucht werde und dass die Beschaffung von neuem Gerät diese Kosten weiter erhöhen wird. 

Allein die Personalkosten für die aktuell rund 181.000 Soldaten und 80.000 Zivilangestellten der Bundeswehr belaufen sich auf 23,43 Milliarden Euro. Und sollte es der Bundeswehr gelingen, ihre Truppenstärke wie geplant bis 2031 auf rund 203.000 Soldaten anwachsen zu lassen, werden die Personalkosten ebenso weiter steigen. Weitere 6,79 Milliarden sieht der Etatentwurf für den Materialerhalt sowie 8,16 Milliarden Euro für die Unterbringung vor, sprich Pachten, Mieten und die Sanierung von Kasernen und anderen Liegenschaften. Für die Beschaffung von militärischem Gerät sind im Verteidigungshaushalt lediglich 2,48 Milliarden Euro eingeplant. Die derzeitige Beschaffung von Großgerät sei eben nur durch das Sondervermögen Bundeswehr von 100 Milliarden Euro zu gewährleisten, führte Wolfgang Hellmich an. 

Doch spätestens ab 2028 wird das Sondervermögen aufgebraucht sein, verplant ist es jetzt schon. Laut mittelfristiger Finanzplanung soll der Verteidigungshaushalt deshalb ab 2028 auf 80 Milliarden erhöht werden. Doch bislang existiert noch kein Plan, woher das Geld kommen soll.


„Mit den Schulden ist das so wie mit einem Stück Kuchen – das bringt mal kurzfristig Energie, aber keine Ausdauer.“
Karsten Klein (FDP)

"Weil es dieses zusätzliche Geld, das alle gerne hätten, schlicht und ergreifend nicht gibt", führte der AfD-Haushaltspolitiker Michael Espendiller an. Auch die Union, die immer höhere Verteidigungsausgaben fordere, mache keine Aussagen dazu, woher das Geld kommen soll. Zugleich lehnte Espendiller Steuererhöhungen oder andere Vermögensabgaben ebenso ab wie die Auflage eines erneuten Sondervermögens. "Das heißt, dass wir mit den vorhandenen Mitteln auskommen müssen und bestenfalls moderate Etatsteigerungen in Angriff nehmen", sagte der AfD-Abgeordnete.

Aufweichen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse bleibt umstritten

Die Grünen wiederum wollen die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse aufweichen, weil „sie blind für Investitionen“ sei, wie deren Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger argumentierte. Doch die in den kommenden Jahren benötigten Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe in die Bundeswehr sowie der Schutz von Infrastruktur und Bevölkerung seien „nicht durch noch so radikale Kürzungen“ in anderen Bereichen des Bundeshaushaltes zu erwirtschaften. „Aber das müssen uns unsere Demokratie, unsere Freiheit und unsere Sicherheit wert sein“, betonte Brugger unter Verweis auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.  

Mehr zum Sondervermögen

Mehr zum Thema "Es braucht ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr"
Haushalt 2025: "Es braucht ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr"

Beim Koalitionspartner FDP stoßen die Grünen damit allerdings auf ein klares Nein. Die „Verteidigung der freiheitlichen Gesellschaft“ ruhe auf drei Säulen, führte der FDP-Haushaltsexperte Karsten Klein aus: Dazu zählten neben der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, die die benötigten finanziellen Ressourcen erwirtschafte, und der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr „die finanzielle Solidität, die durch die Schuldenbremse garantiert wird“. Mit Schulden hingegen sei es wie mit einem Stück Kuchen: „Das bringt mal kurzfristig Energie, aber keine Ausdauer.“