Editorial : Zurück zum Anfang
Die Frage, ob es noch ein transatlantisches Verteidigungsbündnis braucht, scheint heute wieder klar entschieden - auch wiederbelebt durch Russlands Aggression.
Die Nato hat seit der Jahrtausendwende eine Achterbahnfahrt hinter sich. Vor etwas mehr als 20 Jahren griff Wladimir Putin noch die russische Idee eines Beitritts auf, es folgte die Gründung des Nato-Russland-Rates. Nie zuvor hat das Verteidigungsbündnis, 1949 gegen mögliche sowjetische Bedrohungen gegründet, so eng mit Russland zusammengearbeitet. Getrübt wurde dabei der Blick auf die Entwicklung des russischen Präsidenten hin zu jenem Mann, der Krieg als Mittel betrachtet, um seine Ziele zu erreichen.
Die Folge: Der Nato fehlte in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend ihre Begründung. Wofür Milliarden für eine Versicherung ausgeben, wenn das Schadensereignis ausgeschlossen erscheint? Der Rückhalt in den Bündnisstaaten ging kontinuierlich verloren, auch in Deutschland. Gegenüber den Meinungsforschern von YouGov befürworteten im Jahr 2019 gerade noch 54 Prozent eine Mitgliedschaft in der Nato. Ähnliche Werte gab es in Großbritannien, in Frankreich sank die Zustimmung sogar auf 39 Prozent.
Nato noch 2019 für hirntot erklärt
Auch die Abstimmung unter den Nato-Partnern zeigte Risse. Nachdem mit den USA und der Türkei zwei Partner in Syrien ohne jede Absprache gehandelt hatten, bescheinigte Frankreichs Präsident dem Bündnis den Hirntod. Schon einige Jahre vorher hatte Donald Trump die Nato offen infrage gestellt.
Die Frage, ob es noch ein transatlantisches Verteidigungsbündnis braucht, scheint heute wieder klar entschieden. Die Begründung für das Bündnis ist bei seinen Anfängen angekommen, gebraucht wird eine transatlantische Lebensversicherung gegen mögliche russische Aggressionen. Lesenswert ist dabei der Gründungsvertrag, der ganz am Anfang stand und in Artikel 1 den Verteidigungscharakter der Organisation klar herausstellt. Die Idee eines kollektiven Sicherheitssystems auf einer solchen Basis wurde durch Russlands Aggression nicht nur wiederbelebt, sie ist moderner und mit dem kommenden Beitritt von Schweden und Finnland stärker denn je.
Der Verteidigungs- und Beistandswille ist der Garant für die Freiheit und Sicherheit der Bündnispartner. Auch deshalb formulierten der Bundeskanzler, der US-Präsident und der Nato-Generalsekretär denselben Satz: Wir werden jeden Zentimeter des Nato-Gebietes verteidigen. Die Zeiten sind vorbei, dass unsere Sicherheit weit weg am Hindukusch verteidigt wurde.