Nahostkonflikt : Der Schmelztiegel der palästinensischen Identität
Oren Kessler erzählt die Geschichte und Folgen des arabischen Aufstandes von 1936 in Palästina und legt so die Wurzeln des Nahostkonfliktes frei.
Es brodelt in den 1930er-Jahren in Palästina - jenem Gebiet, das Großbritannien nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs als Mandatsgebiet des Völkerbundes beherrscht und verwaltet. Der Ruf der arabischen Bevölkerung nach einem Ende der britischen Herrschaft und nach Unabhängigkeit wird lauter. Ihr Widerstand gegen die Einwanderung von Juden aus Europa, die vor allem im Zuge der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland dramatisch ansteigt, wird stärker.
Jüdische, arabische und britische Protagonisten geben Einblicke in Konfliktlinien
1936 eskalieren die Konflikte: Es kommt zu Gewalttaten gegen die jüdische Bevölkerung, der Mufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, gründet das Arabische Hochkomitee und ruft zum Generalstreik auf. Die Briten wiederum entsenden zusätzliches Militär nach Palästina und bilden jüdische Hilfspolizisten aus und bewaffnen sie, um den Aufstand zu zerschlagen. Am Ende steht ein blutiger Guerillakrieg, der auch zwischen Teilen der arabischen Landbevölkerung und den arabischen Eliten des Landes ausgetragen wird.

Oren Kessler:
Palästina 1936.
Der große Aufstand und die Wurzeln des Nahostkonfliktes.
Hanser,
München 2025;
384 S., 28,00 €
Die Geschichte des arabischen Aufstandes und seiner Folgen erzählt der Journalist und politische Analyst Oren Kessler in seinem informativen und spannend geschriebenen Buch "Palästina 1936". Aus der Sicht eines guten Dutzends jüdischer, arabischer und britischer Protagonisten vermittelt Kessler anschaulich die Konfliktlinien und ein ausgewogenes Verständnis für die Sichtweisen der beteiligten Parteien. Und er legt die Wurzeln des bis heute tobenden Nahostkonfliktes frei.
Aufstand von 1936 hatte weitreichende Folgen für Palästina und seine Bevölkerung
Die Bilanz des Aufstandes und seiner Niederschlagung war erschütternd: Etwa 500 Juden waren getötet worden, die Briten hatten 250 Todesopfer zu beklagen. Den größten Blutzoll hatten aber die Araber selbst mit 5.000 bis 8.000 Toten zu entrichten. Etwa 2.000 Häuser waren zerstört, die arabische Wirtschaft lag in Trümmern und rund 40.000 Menschen waren aus dem Land geflohen.
Einerseits sei der Aufstand von 1936 "der Schmelztiegel" gewesen, "in dem die palästinensische Identität geschmiedet wurde", konstatiert Kessler. Auf der anderen Seite habe er das soziale Gefüge der arabischen Bevölkerung zerschlagen, Extremisten anstelle von Pragmatikern auf den Plan gerufen und das arabische Palästina so nachhaltig geschwächt, dass es ein Jahrzehnt später angesichts der Gründung Israels noch immer "gelähmt" gewesen sei.
Auf zionistischer Seite wiederum hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich ein eigener Staat wohl nur mit der Waffe in der Hand realisieren lässt. So wird der arabische Aufstand auch zur Keimzelle für den jüdischen Terror vor der Staatsgründung.
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