Diskriminierung und Ausgrenzung im Sport : Die defekte Integrationsmaschine
Der Journalist Martin Krauss erzählt in "Dabei sein wäre alles" die Geschichte des Sports als eine Geschichte der Ausgrenzung und des Kampfes um Teilhabe.
Dieser Boxkampf wurde zu einem der großen Aufreger der Olympischen Spiele 2024 in Paris: Nach nur 46 Sekunden kniete die italienische Boxerin Angela Carini weinend im Ring und gab sich frustriert geschlagen, weil sie ihrer Kontrahentin, der Algerierin Imane Khelif, hoffnungslos unterlegen war. Es folgte eine Welle der weltweiten Empörung und auch hasserfüllten Beschimpfungen. Khelif, die schließlich die Goldmedaille in der Gewichtsklasse bis 66 Kilogramm der Frauen gewinnen sollte, sei gar keine Frau, lautete der Vorwurf: "Das Grinsen eines Mannes, der weiß, dass er von einem frauenfeindlichen Sport-Establishment geschützt wird", twitterte die Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling ziemlich giftig zu dem Foto von Khelif mit der weinenden Carini.
Krauss: Der moderne Sport war von Beginn an zutiefst elitär
Hätte der Sportjournalist Martin Krauss sein Buch "Dabei sein wäre alles" erst nach den Spielen von Paris publiziert, er hätte den Fall sicherlich berücksichtigt. Von einem "frauenfeindlichen Sport-Establishment" hat nämlich auch er so einiges zu erzählen - allerdings aus anderen Gründen.
Martin Krauss:
Dabei sein wäre alles.
C. Bertelsmann,
München 2024;
448 S., 28,00 €
"Der moderne Sport, der sich bis heute als große demokratische Integrationsmaschine feiert, war von Beginn an zutiefst elitär", schreibt Krauss. In der rund siebenjährigen Arbeit an seinem Buch hat der Journalist unzählige Beispiele zusammengetragen, die diesen traurigen Befund untermauern.
Sport war die Sache weißer und christlicher Männer
Die Geschichte des modernen Sports, die im 19. Jahrhundert einsetzt und 1896 mit den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit einen ersten Höhepunkt erlebt, ist zunächst eine Geschichte weißer, männlicher Sportler, die der oberen Gesellschaftsschichten angehören und aus dem christlichen Abendland stammen. Für Frauen, Menschen anderer Hautfarbe, anderer Religion oder mit Behinderungen war wenig bis gar kein Platz. "Ihnen wollten die Herren des Sports nicht auf Augenhöhe begegnen." Krauss interessiert sich jedoch vor allem für jene ausgegrenzten Menschen, die sich ihren Platz in der Sportwelt eroberten, und liefert mit ihren Geschichten eine spannende und ermutigende Lektüre. Ausgrenzung und Diskriminierung sind aber weiterhin ein Problem. Heute sind es vor allem homosexuelle, trans- und intersexuelle Menschen, die darum streiten müssen, den Sport diverser und letztlich auch besser zu machen, wie Krauss darstellt.
Mitunter geht Krauss in der Fülle der Einzelbeispiele der rote Faden etwas verloren, und ein wenig mehr Analyse hätte dem Buch gutgetan. Vor allem die Problematik um intersexuelle und transsexuelle Sportler hätte eine vertiefte Behandlung verdient. Die Lektüre lohnt aber in jedem Fall.
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