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Geschichte der Bundeswehr : Die dreifache Neugründung der Streitkräfte

Der Militärhistoriker Sönke Neitzel blickt in seinem neuen Buch zurück auf 70 Jahre Bundeswehr. Und er fordert ein Umdenken in der Verteidigungspolitik.

27.03.2025
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2 Min

Auf nicht weniger als eine "Neugründung" der Bundeswehr laufen die verteidigungspolitischen Anforderungen hinaus, die der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine vor drei Jahren und die sich abzeichnende Abkehr der USA von Europa mit sich bringen. Auf diesen kurzen Nenner bringt es der renommierte und meinungsstarke Militärhistoriker Sönke Neitzel in seinem schmalen Band "Die Bundeswehr".

Die Bundeswehr wurde im demokratischen Gefüge der jungen Bundesrepublik verankert

Es ist nicht die erste Neugründung der Bundeswehr in ihrer 70-jährigen Geschichte. Zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sollten im November 1955 Streitkräfte aufgestellt werden, die im Gegensatz zu Reichswehr und Wehrmacht fest im demokratischen Gefüge der jungen Bundesrepublik verankert sind. Dies sollte sich auch in der inneren Verfasstheit der Truppe, bestehend aus "Staatsbürgern in Uniform", spiegeln.


Sönke Neitzel:
Die Bundeswehr.
Von der Wiederbewaffnung bis zur Zeitenwende.
C.H.Beck,
München 2025;
128 S., 12,00 €


Mit dem Ende des Kalten Krieges musste die Bundeswehr sich wiederum neu erfinden. Aus der Armee, die innerhalb der Nato mit rund 500.000 Soldaten einen erheblichen Anteil zur konventionellen Abschreckung leistete, wurde eine "Einsatzarmee", die in friedenserhaltende und friedenserzwingende Auslandsmissionen auch außerhalb des Nato-Einsatzgebietes entsendet wurde. Gleichzeitig wurde die Truppe massiv abgerüstet und auf rund 185.000 Soldaten verkleinert.

Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung

Bis zum erfolgreichen Abschluss dieser beiden Neugründungen habe die Bundeswehr jeweils rund 20 Jahre benötigt, schreibt Neitzel. Und auch für die dritte Neugründung werde es - beginnend mit der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 und der in Deutschland einsetzenden Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung - wohl ebenfalls 20 Jahre dauern, prophezeit der Militärhistoriker.

Um diesen Prozess ebenfalls erfolgreich abzuschließen, benötige es neben einer materiellen und personellen Aufrüstung vor allem grundlegende strukturelle Reformen in der Bundeswehr und eine politische Führung, die das Wesen der Streitkräfte erfasse und Entscheidungen wieder verstärkt nach militärischen Gesichtspunkten treffe. Und genau daran hat Neitzel erhebliche Zweifel. Wiederholt übt er dezidierte Kritik an den politischen Verantwortlichen.

Wer sich einen schnellen und profunden Überblick über die Geschichte der Bundeswehr verschaffen will, dem sei der Band wärmstens empfohlen. Auch wenn einige Aspekte - wie beispielsweise die Öffnung der Truppe für Frauen - leider außen vor bleiben.

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