Wehrbeauftragte legt Jahresbericht vor : Moderne Drohnen, aber keine Wehrpflicht
Trotz angespannter Personalsituation bei der Bundeswehr lehnt die Wehrbeauftragte Eva Högl eine Wiedereinführung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht ab.
Wenn die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, über die Bundeswehr spricht, steht immer am Anfang ein ganz großes Lob für die Truppe. "Unsere Soldatinnen und Soldaten sind spitze", betonte Högl auch am Dienstag bei der Überreichung ihres Jahresberichts 2024 an Bundestagpräsidentin Bärbel Bas. "Die 181.174 Frauen und Männer leisten jeden Tag einen herausragenden Dienst", machte die Wehrbeauftragte deutlich. Und dies trotz teilweise inakzeptabler Rahmenbedingungen, auf die Högl in ihrem Bericht deutlich hinweist.

Der Bundestag solle zügig über einen neuen Wehrdienst entscheiden, sagte die Wehrbeauftragte Högl bei der Pressekonferenz zu ihrem Jahresbericht 2024.
Wie etwa auf die nach wie vor erheblichen Probleme bei der Infrastruktur. Trotz Investitionen in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro - immerhin eine Steigerung gegenüber 1,25 Milliarden Euro im Jahr 2023 - bleibt der Gesamtinvestitionsbedarf im Infrastrukturbereich ihrer Aussage nach "alarmierend hoch". Nach Ende des Jahres 2024 belaufe sich der geschätzte Sanierungsbedarf auf rund 67 Milliarden Euro. "Kasernen und Liegenschaften befinden sich oft noch immer in einem desaströsen Zustand, da die jahrelangen Einsparungen und ein Sanierungsstau nicht kurzfristig beseitigt werden können", urteilt Högl.
Bericht beschreibt eine Bundeswehr im Umbau
Besser als in den vergangenen Jahren sieht es bei der persönlichen Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten aus, insbesondere bei Schutzwesten und Helmen. Der Mangel an funktionstüchtigem Großgerät, Munition und Ersatzteilen bleibe aber ein anhaltendes Problem, heißt es.
Die Bundeswehr im Jahr 2024
⚔️ Ende 2024 dienten 181.174 aktive Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Bis 2031 soll eine Personalstärke von 203.000 Soldatinnen und Soldaten erreicht werden.
💸 Der geschätzte Sanierungsbedarf liegt bei rund 67 Milliarden Euro. "Kasernen und Liegenschaften befinden sich oft noch immer in einem desaströsen Zustand", heißt es in dem Bericht.
🤝 Als ein besonderes Signal der Solidarität mit den Nato-Partnern benennt der Bericht die Aufstellung der Litauen-Brigade. Die im Aufwuchs befindliche Aufstellung der Panzerbrigade 45 sei in dieser Ausprägung erstmalig in der Geschichte der Bundeswehr.
Viel Platz in dem Bericht nimmt die angespannte Personalsituation ein. "Genügend und vollständig einsatzbereites Personal ist der Schlüssel zur Verteidigungsfähigkeit", wird in der Vorlage betont. Högl weist darauf hin, dass die Bundeswehr dem ursprünglich bis zum Jahr 2025 gesteckten, jedoch später zeitlich angepassten Ziel, eine Personalstärke von 203.000 Soldatinnen und Soldaten bis zum Jahr 2031 zu erreichen, im Berichtsjahr erneut nicht nähergekommen sei.
Bereits jetzt stehe zudem in Frage, "ob diese Anzahl für die zukünftigen Herausforderungen überhaupt ausreichend ist". Ende des Jahres 2024 habe die Stärke des militärischen Personals 181.174 aktive Soldatinnen und Soldaten betragen. Gleichzeitig, so Högl, werde die Bundeswehr immer älter. "Während das Durchschnittsalter Ende 2019 noch 32,4 Jahre betrug, ist es bis Ende 2024 auf 34 Jahre gestiegen,"
Jeder Vierte verlässt die Bundeswehr innerhalb der Probezeit
Dabei sind die Zahlen bei Bewerbungen und Einstellungen im Vergleich zum Vorjahr sogar gestiegen, und zwar um acht Prozent. Das hilft aber nichts, wenn der Anteil derjenigen, die den Dienst noch während der Probezeit abbrechen, weiterhin so hoch bleibt. Von den 2023 angetretenen 18.810 Soldatinnen und Soldaten haben laut Bericht 5.100 (27 Prozent) die Bundeswehr wieder verlassen: 4.900 auf eigenen Wunsch durch Widerruf der Verpflichtungserklärung innerhalb der sechsmonatigen Probezeit und 200 durch Entlassungen. "Insgesamt verlässt jede beziehungsweise jeder Vierte die Bundeswehr wieder innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten", teilt die Wehrbeauftragte mit.

„Es ist unbedingt notwendig, dass unsere Bundeswehr vollständig einsatzbereit ist, und dafür braucht es auch viel Geld.“
Kann eine Wiedereinführung der 2011 ausgesetzen Wehrpflicht eine Lösung für die Personalsorgen sein? Anders als beispielsweise der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), der unlängst geäußert hatte, noch 2025 müssten die ersten Wehrpflichtigen durch die Kasernentore schreiten, hält Högl dies für "keine gute Idee", wie sie nach der Berichtsübergabe bei einer Pressekonferenz betonte. "Das würde die Bundeswehr überfordern." Die Bundeswehr habe dafür nicht genügend Stuben, nicht genügend Ausrüstung und erst recht nicht genügend Ausbilder, so Högl.
Das von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgestellte, aber aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen des Bundestages nicht verabschiedete Wehrdienstmodell sei hingegen "ein guter und richtiger Vorschlag". Auf Grundlage eines für volljährige Männer bindend und für volljährige Frauen freiwillig zu beantwortenden Fragebogens wäre danach eine Einladung zur Musterung und anschließend die Auswahl der Geeignetsten und Motiviertesten erfolgt. "Wir könnten dann mit einer Größenordnung von 5.000 beginnen", sagte die Wehrbeauftragte.
Gelder aus dem Sondervermögen bereits zu 82 Prozent ausgegeben
Ein eminent wichtiger Punkt ist natürlich das Geld. "Es ist unbedingt notwendig, dass unsere Bundeswehr vollständig einsatzbereit ist, und dafür braucht es auch viel Geld", sagt die Wehrbeauftragte. Aus dem 100-Milliarden Euro Sondervermögen der Bundeswehr wurden dem Bericht zufolge rund 19,8 Milliarden Euro im Jahr 2024 bereitgestellt, von denen die Bundeswehr rund 17,2 Milliarden tatsächlich ausgegeben hat. "Das Ministerium sollte in Zukunft sicherstellen, dass zur Verfügung stehende Gelder auch ausgegeben werden", fordert daher die Wehrbeauftragte.
Insgesamt seien zum Jahresende 2024 die Kreditermächtigung des 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens bereits zu rund 82 Prozent belastet. Für zahlreiche rüstungsinvestive Ausgaben für die Bereiche Forschung, Entwicklung und Erprobung sowie militärische Beschaffungen habe die Bundeswehr im Jahr 2024 auf das Sondervermögen zurückgegriffen, schreibt Högl in ihrem Bericht.
Zusätzliche Mittel in Zukunftstechnologien investieren
Künftig steht der Bundeswehr womöglich ein stetiger Geldzuwachs ins Haus. Dann zumindest, wenn die von Union und SPD geplante Grundgesetzänderung durchkommt. Danach soll im Grundgesetz festgeschrieben werden, dass der Betrag der Verteidigungsausgaben, der ein Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts übersteigt, von den bei der Schuldenregel zu berücksichtigenden Einnahmen aus Krediten abzuziehen ist.
Högl würde dies begrüßen und hat auch schon klare Vorstellungen davon, wie das Geld eingesetzt werden sollte. "Dieses Geld muss in Zukunftstechnologie investiert werden", fordert sie und benennt konkret Drohnen, Satelliten, Künstliche Intelligenz, mehr Flugabwehr und Digitalisierung. Wichtig sei es aber auch, die Verfahren und Prozesse bei der Beschaffung "zu beschleunigen und zu vereinfachen".
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