
Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur : Wie Union und SPD die Schuldenbremse ändern wollen
Union und SPD wollen Milliarden mobilisieren und dazu die Schuldenbremse lockern. Das Grundgesetz soll deswegen noch vom 20. Bundestag angepasst werden.
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Mit einer Lockerung der Schuldenbremse und einem Infrastruktur-Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro wollen Unionsparteien und SPD die Verteidigungsausgaben und die Investitionen massiv erhöhen. Das gaben die Parteispitzen am Dienstagabend als erstes Zwischenergebnis der in der vergangenen Woche begonnenen Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD bekannt.
Die Parteien drücken aufs Tempo: Die dafür notwendigen Grundgesetzänderungen sollen noch vom 20. Bundestag beschlossen werden. Dazu müssen sie allerdings FDP oder Grüne im Bundestag überzeugen, um die notwendige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Zudem liegen noch keine konkreten Gesetzentwürfe auf dem Tisch, auch der Zeitplan ist noch in der Schwebe.
Merz will „Whatever it takes“ bei Verteidigung
Mit markigen Worten unterstrichen CDU-Parteichef Friedrich Merz und sein CSU-Kollege Markus Söder die geplanten Änderungen bei den Verteidigungsausgaben. Union und SPD wollen die Schuldenregel im Grundgesetz so anpassen, dass Verteidigungsausgaben über ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) künftig von der Schuldenbremse ausgenommen sind. „Whatever it takes“ müsse für die Verteidigung Deutschlands gelten, sagte Merz. „Wir rüsten komplett auf“, sagte Söder.
Union und SPD reagieren damit auch auf die jüngsten geopolitischen Entwicklungen, nachdem US-Präsident Donald Trump zunehmend auf Distanz zu den westlichen Verbündeten und insbesondere zur Ukraine gegangen ist. Die geplante Änderung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben ermöglicht damit künftig eine Aufrüstung der Bundeswehr aus dem Kernhaushalt. Eine mögliche Aufstockung oder Neuauflage des Sondervermögens Bundeswehr dürfte damit vom Tisch sein. Die darin enthaltenen, von der Schuldenbremse ausgenommenen 100 Milliarden Euro sind nahezu vollständig verplant.
In ihrem jüngsten Finanzplan hatte die Bundesregierung vorgerechnet, dass der Verteidigungsetat von 53,5 Milliarden Euro im Jahr 2027 auf 80 Milliarden Euro im Jahr 2028 steigen müsste, um allein das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erreichen. Inzwischen wird in der Politik jedoch über einen deutlich höheren Bedarf diskutiert.
Sondervermögen für Investitionen gegen „Verschleiß des Landes“
Die Spitzen einer möglichen neuen Koalition aus Union und SPD kündigten zudem an, ein neues kreditfinanziertes Sondervermögen für die Infrastruktur im Grundgesetz verankern zu wollen. Es soll den Angaben zufolge ein Volumen von 500 Milliarden Euro und eine Laufzeit von zehn Jahren haben. 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen sollen an Länder und Kommunen gehen. SPD-Parteichef Lars Klingbeil betonte, mit dem Sondervermögen wolle man den „Verschleiß des Landes“ stoppen. CDU-Parteichef Merz erhofft sich von dem Sondervermögen unter anderem, dass Deutschland wieder auf einen „stabilen Wachstumskurs“ zurückkehrt. Nur so seien die zusätzlichen Ausgaben für die Verteidigung zu verkraften. CSU-Chef Söder kündigte an, dass die neue Regierung auch an einer Planungsbeschleunigung arbeiten müsse, um die Mittel für Investitionen auch umsetzen zu können.
Das Sondervermögen soll nach Aussagen der Parteien für Investitionen in die Infrastruktur genutzt werden. Dazu gehören demnach der Zivil- und Bevölkerungsschutz, die Verkehrs- und Energieinfrastruktur, der Bildungs- und Betreuungsbereich, aber auch Krankenhausinvestitionen. Rechnet man die 100 Milliarden Euro für die Länder heraus, verbleiben dem Bund nach den Plänen in den nächsten zehn Jahren jährlich rund 40 Milliarden Euro für Investitionen. Im Haushalt 2024 hatte der Bund rund 71 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen.
Schuldenbremse soll für die Länder gelockert werden
Eine weitere Änderung der Schuldenbremse soll insbesondere den Bundesländern mehr Spielraum in der Haushaltspolitik geben. Künftig sollen auch sie bei der Aufstellung ihrer Haushalte eine Neuverschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen dürfen. Diese Anpassung hatten Ländervertreter, auch aus Reihen der ansonsten reformskeptischen Union, in der Vergangenheit immer wieder gefordert. Bisher ist dies laut Grundgesetz nur dem Bund möglich, die Länder müssen in ihren Haushalten Einnahmen und Ausgaben ohne Einnahmen aus Krediten ausgleichen.
Union und SPD wollen zudem eine Expertenkommission einsetzen, die über eine Modernisierung der Schuldenbremse befinden soll. Diese Modernisierung soll nach dem Willen der Parteien „dauerhaft zusätzliche Investitionen in die Stärkung unseres Landes“ ermöglichen. Die Gesetzgebung dazu soll bis Ende 2025 abgeschlossen sein.
Ebenfalls gestern hatte die Bundesbank entsprechende Vorschläge unterbreitet. Die Währungshüter schlagen vor, den regulären Verschuldungsspielraum zu erhöhen. Statt 0,35 Prozent des BIP soll der Bund demnach bis zu 1,4 Prozent des BIP, davon 0,9 Prozent des BIP allein für Investitionen, als neue Schulden aufnehmen dürfen, wenn die gesamtstaatliche Schuldenquote unter 60 Prozent liegt. Liegt sie darüber, sollen es nur 0,9 Prozent ausschließlich für Investitionen sein.
Mehrheiten für Grundgesetzänderungen gesucht
Union und SPD planen, die drei notwendigen Grundgesetzänderungen noch in der laufenden Legislaturperiode zu verabschieden. Die Zeit drängt, denn bis zum 25. März muss sich der 21. Deutsche Bundestag konstituiert haben. Ab dann wäre für eine Grundgesetzänderung nicht nur die Zustimmung der Grünen, sondern auch der Linken oder der AfD notwendig. Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließen alle anderen Parteien aus, die Linke ist für die Union ein rotes Tuch - und gerade beim Thema Aufrüstung ohnehin skeptisch.
Im 20. Bundestag müssten Union und SPD noch Grüne oder FDP überzeugen, da die beiden Fraktionen nicht über die für eine Verfassungsänderung notwendige Zweidrittelmehrheit verfügen. Liberale und Grüne äußerten sich in ersten Reaktionen zurückhaltend. Auch im Bundesrat ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Hier sind CDU, CSU und SPD zwingend auf die Unterstützung der grün mitregierten Länder angewiesen, auch die Freien Wähler in Bayern müssten noch ins Boot geholt werden.
Für den 21. Bundestag haben Union und SPD allerdings bereits weitere Gesetzespakete angekündigt. So sollen dann die einfachgesetzlichen Begleitgesetze zum Sondervermögen und zu den Anpassungen der Schuldenbremse eingebracht und beschlossen werden. Für sie wäre nur eine einfache Mehrheit erforderlich. Auch Beschleunigungsgesetze, etwa für die militärische Beschaffung, wurden angekündigt.
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