
Was nach der Wahl passiert : So sieht der Weg zur Konstituierung des Bundestages aus
Die ersten Tage und Wochen einer neuen Wahlperiode sind besondere – nicht nur für die neuen Abgeordneten. Was genau passiert nach der Bundestagswahl im Parlament?
Inhalt
In einer Demokratie gibt es besondere Momente, die Wahl ist so einer und nach einer Wahl auch die Konstituierung eines Parlamentes. Im britischen Unterhaus ist die Konstituierung die feierliche Aufgabe der Krone, im österreichischen Nationalrat die Aufgabe des Bundespräsidenten. Der Bundestag braucht weder Krone noch Bundespräsidenten, um sich zu konstituieren; der Bundestag konstituiert sich selbst. Das bringt besondere Herausforderungen mit sich. Wie geht das und was passiert in den kommenden Wochen?
Ab wann sind gewählte Kandidaten Abgeordnete?
Trotz aller Glückwünsche, der erfolgten Wahl und jeder Menge Termine für die erfolgreichen Kandidatinnen und Kandidaten: Den Status als Abgeordnete oder Abgeordneter gibt es erst mit der Konstituierung des 21. Deutschen Bundestages. Sie muss laut Grundgesetz spätestens 30 Tage nach der Bundestagswahl erfolgen und wie bereits sehr häufig wird diese Frist ausgeschöpft. Der 21. Deutsche Bundestag kommt am 25. März 2025 um 11 Uhr zu seiner ersten Sitzung zusammen.
Schon vorher gibt es aber ein bedeutsames Datum für alle neu gewählten künftigen Abgeordneten: den Tag der abschließenden Feststellung des Wahlergebnisses durch den Bundeswahlausschuss, voraussichtlich am 14. März. Ab diesem Datum erhalten die neuen Abgeordneten zum ersten Mal ihre Diät. Für den ersten Monat wird sie also auf den Tag genau berechnet. Im Gegenzug ruhen ab diesem Tag für Beamte, Richter oder Soldaten, die in den Bundestag gewählt werden, die Rechte und Pflichten aus ihrem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis.
Wer muss seine Büros räumen?
Auf den Fluren im Bundestag wird nach der Wahl vom ersten Tag an deutlich, dass die Wählerinnen und Wähler auch über viele berufliche Schicksale entschieden haben. Abgewählte Abgeordnete packen ihre Sachen ebenso viele ihrer Beschäftigten. Umzugskartons stapeln sich und Büros werden geräumt. Bis zur Konstituierung müssen die Büros den Abgeordneten des neuen Bundestages mit deren vielleicht neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden.
Zudem muss der Plenarsaal umgebaut werden: die blauen Stühle müssen entsprechend des Wahlergebnisses neu angeordnet werden. Immerhin das wird nach dieser Wahl einfacher, denn statt 735 Stühle wie noch 2021 werden dieses Mal nur 630 Stühle benötigt.
Wie stellen sich die Fraktionen nach der Wahl auf?
Auch die Fraktionen im Bundestag müssen sich nach der Wahl erst einmal konstituieren, sie bestehen auch bei einem Wiedereinzug von Parteien in das Parlament nicht einfach fort. Scheinbar konstituieren sich die Fraktionen dabei vor dem Bundestag, denn sie kommen hierfür bereits in der Woche nach der Wahl zusammen. Das ist auch notwendig, um die Konstituierung des Bundestages vorzubereiten, denn dieser konstituiert sich eben selbst, ohne dass dabei ein anderes Organ eingebunden wäre. Das bringt einen hohen Koordinationsaufwand mit sich und der wäre ohne die Fraktionen nicht leistbar.
Die Krux dabei: Fraktionen sind der Zusammenschluss von Abgeordneten und ein gewählter Bewerber wird erst mit der Eröffnung der ersten Sitzung des Bundestages zum Abgeordneten. Zudem gibt es aufgrund der Diskontinuität erst mit einem Beschluss des neuen Bundestages in dieser ersten Sitzung eine Geschäftsordnung, welche überhaupt die Grundlagen für die Bildung einer Fraktion festlegt, also beispielsweise die Mindestgröße. Der Beschluss über die Geschäftsordnung ist in jeder Wahlperiode die Drucksache mit der Nummer 1.
Man kann eine Fraktion vor der Konstituierung des Bundestages als Vor-Fraktion bezeichnen, mit der Konstituierung des Bundestages verlieren diese dann die Vorsilbe.
Welche Funktion hat der Vor-Ältestenrat?
Das erste und eher informelle Gremium des Bundestages trägt dieselbe Vorsilbe im Namen: Der Vor-Ältestenrat. Er managt den Start in die neue Wahlperiode und übernimmt die Organisation der konstituierenden Sitzung. Dort kommt die amtierende Bundestagspräsidentin mit den Vertretern der neu konstituierten Fraktionen zusammen, um als erstes den Termin für die konstituierende Sitzung abzustimmen. Zudem befasst sich diese Runde unter anderem mit der auf das Wahlergebnis angepassten Anordnung der Bestuhlung. Zwar steht die Zahl der Stühle je Fraktion fest, nicht aber, wie viele Plätze nun jede Fraktion in der ersten Reihe erhält und wer nun neben welcher Fraktion sitzt. Ziel der Runde ist es, diese Fragen einvernehmlich zu regeln. Das gelang bei der Sitzordnung in der abgelaufenen Wahlperiode nicht.

Im Ältestenrat besprechen die dorthin entsandten Abgeordneten gemeinsam mit dem Präsidium die internen Abläufe im Bundestag.
Mit der Konstituierung hat der Vor-Ältestenrat seine Aufgabe erfüllt. An seine Stelle kümmert sich künftig der Ältestenrat um die Abläufe im Bundestag, der aus dem Präsidium und 23 weiteren Abgeordneten besteht, darunter die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen.
Was ist die Rolle der amtierenden Bundestagspräsidentin?
Auch wenn der Termin für die erste Sitzung des neuen Bundestages im Vor-Ältestenrat abgestimmt wird, kommt der Bundestagspräsidentin des Deutschen Bundestages die wesentlichste Rolle bei der Konstituierung des neuen Bundestages zu: Sie lädt die Abgeordneten der neuen Wahlperiode hierzu ein.
Wann wird eine neue Bundestagspräsidentin gewählt?
In der ersten Sitzung des Deutschen Bundestages muss das Parlament zunächst darüber entscheiden, wer in der neuen Wahlperiode das Amt der bisherigen Bundestagspräsidentin innehaben soll. Das Grundgesetz verpflichtet in Artikel 40 den Bundestag sogar, eine Präsidentin oder einen Präsidenten zu wählen. Es ist parlamentarische Praxis, dass von der stärksten Fraktion des Hauses eine Kandidatin oder ein Kandidat zur Wahl vorgeschlagen wird. In der 21. Wahlperiode liegt das Vorschlagsrecht damit bei der CDU/CSU-Fraktion. Die Wahl selbst ist geheim, nötig ist in einem 1. Wahlgang die absolute Mehrheit, also die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.
Auch die Zahl der Vizepräsidenten wird in der ersten Sitzung für die neue Wahlperiode beschlossen und die Wahlen hierfür werden durchgeführt. Bereits mehrfach in der Geschichte erhielt dabei nicht jeder Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten auch die nötige Mehrheit, zuletzt Kandidaten der AfD-Fraktion. Das Bundesverfassungsgericht hat für die Wahl der Vizepräsidenten des Bundestages im Jahr 2022 klargestellt dass es mit einer Wahl unvereinbar wäre, wenn eine Fraktion das Recht auf ein bestimmtes Wahlergebnis hätte. Denselben Gedanken hat das Bundesverfassungsgericht zwei Jahre später bestätigt und für die Wahl von Ausschussvorsitzenden im Jahr 2024 klargestellt, dass es für Abgeordnete keine Pflicht gibt, eine Kandidatin oder einen Kandidaten auch zu wählen.
Welche Rolle kommt dem Alterspräsidenten zu?
Die Wahl des Präsidenten oder der Präsidentin des Bundestages leitet der Alterspräsident, der die konstituierende Sitzung des Bundestages auch eröffnet. Bei der Konstituierung am 25. März wird dies Gregor Gysi sein. Als Alterspräsidenten amtierten in der Geschichte des Bundestages zumeist Abgeordnete mit einer besonders langen parlamentarischen Erfahrung, unter anderem Paul Löbe, Konrad Adenauer, Willy Brandt, Heinz Riesenhuber oder Wolfgang Schäuble. Genau das sieht seit 2017 auch die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages so vor: Als Alterspräsident führt das am längsten dem Bundestag angehörende Mitglied den Vorsitz.
Wer überprüft die Bundestagswahl?
Das Grundgesetz legt fest, dass der Bundestag zunächst selbst die Wahlprüfung übernimmt. Zur Vorbereitung dieser Entscheidung setzt der Bundestag den Wahlprüfungsausschuss ein. Wahlberechtigte können einzeln oder als Gruppe Einspruch gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl einlegen. Das Verfahren ist kostenfrei. Nötig ist allerdings ein schriftlicher Einspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach dem Wahltag. Die Frist endet also am 23. April 2025 um 24:00 Uhr. Wichtig dabei: Einspruch schriftlich per Post oder Fax einlegen, so will es auch im Jahr 2025 noch das Wahlprüfungsgesetz. Eine einfache E-Mail ist nicht ausreichend.
Jeder Einspruch wird geprüft und vom Bundestag behandelt, die Entscheidung wird der Einspruchsführerin oder dem Einspruchsführer mit ausführlicher Begründung mitgeteilt. Wer die Begründung nicht überzeugend findet, kann gegen die Entscheidung mit einer Wahlprüfungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht gehen.
Was darf nach der Wahl noch vom 20. Bundestag beschlossen werden?
In der Debatte um eine Reform der Schuldenbremse, ein Sondervermögen für die Bundeswehr, die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit oder für Investitionen in die Infrastruktur kommt der Bundestag der 20. Wahlperiode am 13. März und 18. März nochmal zu Sondersitzungen zusammen. Zusammentreten kann er dafür trotz der Bundestagswahl vom 23. Februar, denn er ist noch voll handlungsfähig.
Seit einer Grundgesetzänderung im Jahr 1976 sind parlamentslose Zeiten, in denen der “alte” Bundestag nicht mehr und der “neue” Bundestag noch nicht handlungsfähig ist, in Deutschland ausgeschlossen. Bis der Bundestag der neuen 21. Wahlperiode erstmals zusammentritt, er sich also konstituiert, müssen bei Bedarf die Abgeordneten der 20. Wahlperiode entscheiden, wenn es bis dahin darauf ankommt.
Bei Bedarf können die bisherigen Ausschüsse zusammenkommen oder sogar das Plenum. Das geschah auch beispielsweise im Jahr 1998, als es im Zeitraum zwischen der Bundestagswahl und der Konstituierung des neugewählten Bundestages notwendig wurde, über die Beteiligung der Bundeswehr an einer NATO-Luftoperation im Kosovo-Konflikt zu entscheiden.
Nach Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses durch den Bundeswahlausschuss, voraussichtlich am 14. März, könnte der neu gewählte Deutsche Bundestag sich übrigens jederzeit konstituieren. Die neuen Abgeordneten haben es selbst in der Hand, wann sie erstmals zusammentreten möchten. Als Termin für die Konstituierung wurde inzwischen der 25. März 2025, 11 Uhr, festgelegt. Nach diesem Zusammentritt haben die beiden Fraktionen AfD und Die Linke eine Sperrminorität im Bundestag, eine Grundgesetzänderung könnte ohne zumindest einige Stimmen ihrer Abgeordneten dann nicht mehr beschlossen werden.
Was passiert nach der Konstituierung als erstes?
In den ersten Wochen und Monaten nach der Konstituierung mit der Wahl des Bundestagspräsidiums und dem Beschluss über die Geschäftsordnung, müssen eine ganze Reihe von organisatorischen Maßnahmen und Wahlen durchgeführt werden, damit der Bundestag wieder voll arbeitsfähig wird. Vor allem muss der Bundestag darüber entscheiden, welche Ausschüsse und Gremien in der neuen Wahlperiode eingesetzt werden sollen. Vier Ausschüsse sind von der Verfassung vorgegeben, das Grundgesetz nennt den Europaausschuss, den Auswärtigen Ausschuss, den Verteidigungsausschuss und den Petitionsausschuss. Das Grundgesetz sieht zudem noch den Gemeinsamen Ausschuss vor, ein Notparlament aus 48 Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates, das im Verteidigungsfall entscheidet, wenn der Bundestag wegen unüberwindlicher Hindernisse nicht rechtzeitig zusammentreten kann oder nicht beschlussfähig ist. In weiteren Gesetzen vorgegeben ist auch der Haushaltsausschuss und der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung.
Den Großteil der Ausschüsse bildet der Bundestag aber als Spiegelbild der Regierung. Darüber hinaus kann das Parlament einzelne Politikbereiche durch zusätzliche Ausschüsse betonen.

Für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig: Das Parlamentarische Kontrollgremium besteht so lange fort, bis der nachfolgende Bundestag ein neues Gremium gewählt hat.
Ebenfalls im Grundgesetz verankert ist, dass der Bundestag ein Parlamentarisches Kontrollgremium zur Kontrolle Nachrichtendienste des Bundes einrichtet. Dieses Gremium besteht dabei über das Ende einer Wahlperiode des Deutschen Bundestages hinaus so lange fort, bis der nachfolgende Bundestag ein neues Kontrollgremium gewählt hat.
Und was ist mit der Bundesregierung?
Mit der Konstituierung des neuen Bundestages endet laut Grundgesetz die alte Wahlperiode und damit endet auch die Amtszeit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seiner Bundesregierung. Der Bundeskanzler und alle Bundesminister erhalten daher am 25. März 2025 ihre Entlassungsurkunde vom Bundespräsidenten.
Für die Kanzlerwahl im neuen Bundestag gibt es dann keine verbindliche Frist. Sie steht auf der Tagesordnung, sobald sich die künftigen Regierungsparteien in den Koalitionsverhandlungen geeinigt haben. Das Grundgesetz hat aber Vorsorge für den Fall getroffen, dass der neue Bundestag nicht sofort einen neuen Bundeskanzler wählt. Auf Bitten des Bundespräsidenten bleibt die Bundesregierung als so genannte geschäftsführende Regierung im Amt. Regierungslos wird Deutschland also nicht.
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