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Vor 30 Jahren : Vorstoß in eine Männerbastion

Am 30. März 1995 wurde Claire Marienfeld-Czesla als erste Frau Wehrbeauftragte. Ein Meilenstein für Frauen in der Bundeswehr – und ein Anlass für Diskussionen.

21.03.2025
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Es dauerte bis 2001, bevor Frauen in der Bundeswehr neben den zivilen auch alle militärischen Laufbahnen offenstanden. Erst 2013 wurde mit Ursula von der Leyen (CDU) die erste Frau Verteidigungsministerin. Frauen spielten in der Bundeswehr lange Zeit nur eine Nebenrolle. Umso bemerkenswerter ist die Wahl von Claire Marienfeld-Czesla: Am 30. März 1995 wählte der Bundestag die CDU-Politikerin mit 459 Ja- gegen 139 Nein-Stimmen zur Wehrbeauftragten. 

Die damals 54-Jährige war - natürlich - die erste Frau in diesem Amt. Ihre Wahl war ohnehin nur möglich, weil das Wehrbeauftragtengesetz 1990 geändert worden war. Bis dahin war ein Wehrdienst Voraussetzung für die Amtsübernahme. Ihre sieben Vorgänger hatten alle in der Wehrmacht gedient.

Foto: picture alliance / Eventpress | Eventpress Herrmann

Die erste Wehrbeauftragte Claire Marienfeld-Czesla mit dem ehemaligen Generalmajor des Heeres der Bundeswehr Heinz-Georg Keerl.

Das Amt des Wehrbeauftragten war bei seiner Einführung in den 1950er Jahren ein Novum in Deutschland. Er soll als Hilfsorgan des Parlaments die Bundeswehr kontrollieren. Während seiner fünfjährigen Amtszeit darf der Wehrbeauftragte kein politisches Mandat innehaben, außerdem kein anderes besoldetes Amt und keinen Beruf ausüben. Er ist auch kein weisungsgebundener Beamter, sondern steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis.

Wehrbeauftrage wurde zur “Mutter der Kompanie”

Gleichzeitig ist der Wehrbeauftragte eine Art Kummerkasten für die Truppe. Jeder Soldat und jede Soldatin hat nämlich das Recht, sich ohne Einhaltung des Dienstweges - also ohne Genehmigung ihrer Vorgesetzten - mit Problemen an ihn zu wenden. Ein Anwalt der Soldaten.

Dass aus Marienfeld-Czesla schnell die "Mutter der Kompanie" wurde, störte sie nicht. Auch wenn "dieser Begriff eigentlich schon belegt" gewesen sei, wie sie einmal in einem Interview erinnerte. Schließlich wird der "Spieß", also der Kompaniefeldwebel, so genannt, weil er "letztlich für alles verantwortlich ist, was die Soldaten betrifft".

Marienfeld-Czesla sprach sich gegen das Abschaffen der Wehrpflicht aus

Wie die Jungfrau zum Kind kam Marienfeld-Czesla indes nicht zum Amt der Wehrbeauftragten. Der Zusammenbruch des Warschauer Paktes hatte ihr Interesse an Sicherheitspolitik geweckt. Als sie 1990 in den Bundestag gewählt wurde, hatte sie sich um einen Sitz im Verteidigungsausschuss beworben. Und schon dort habe sie sich "nicht mit der Rüstung beschäftigt, sondern mit den Dingen, die die Soldaten betrafen", also etwa Unterkünfte und Wohnungsfürsorge.

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Für eine Kontroverse sorgte sie, als sie wenige Monate nach ihrer Wahl zur Wehrbeauftragten angesichts einer wachsenden Zahl Kriegsdienstverweigerer von einer "Generation von Egoisten" sprach. Ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Abschaffung der Wehrpflicht erklärte sie mit Gedanken, die gerade in diesen Tagen brandaktuell klingen: "Wenn wir einerseits erkennen mussten, dass innerhalb von wenigen Wochen die Sowjetunion zusammengebrochen ist, wer sagt uns denn, dass es andererseits nicht umgekehrt wieder Entwicklungen geben kann, bei denen wir zumindest über eine bestimmte Truppenstärke verfügen müssen, um wirklich gerüstet zu sein?" Diese Frage müsse "bis in den letzten Winkel der Öffentlichkeit getragen" und "mit allen Konsequenzen diskutiert werden", sagte sie.

Für eine zweite Amtszeit kandidierte Claire Marienfeld-Czesla aus Enttäuschung über mangelnde Einflussmöglichkeiten nicht mehr. Heute ist mit Eva Högl (SPD) eine zweite Frau Wehrbeauftragte.

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