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Vor 65 Jahren : Wem gehört Volkswagen?

Die VW-Aktie sollte einst dem Volk gehören. So wurde 1960 das VW-Gesetz verabschiedet, das eine breite Beteiligung der Bürger ermöglichte. Doch die Idee scheiterte.

14.03.2025
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2 Min

Vergangene Woche sorgte Europas größter Autobauer für Schlagzeilen: Der Volkswagen-Konzern machte 2024 mit 12,4 Milliarden Euro knapp 31 Prozent weniger Gewinn als im Vorjahr. Für seine Aktionäre kürzte VW die Dividende. Ursprünglich war die VW-Aktie als Volksaktie gedacht: Am 16. März 1960 beschloss der Bundestag das sogenannte VW-Gesetz, das die Privatisierung des Volkswagenwerks in Wolfsburg regelte.

Bund, Länder und Gewerkschaften wollen Eigentümer sein

Das Gesetz war ein Kompromiss nach langem Streit. Im "Dritten Reich" wurde mit enteignetem Vermögen von Gewerkschaften die Volkswagen GmbH gegründet. Nach dem Krieg beschlagnahmte die britische Militärregierung das Werk und stellte es unter die Kontrolle Niedersachsens "im Namen und unter Weisung der Bundesregierung". Später stritten Bund, Land und Gewerkschaften, wer rechtmäßiger Eigentümer des Volkswagenwerks ist.

Foto: picture-alliance/dpa

1960 wurde das VW-Gesetz verabschiedet, das eine Beteiligung der Bürger an der Aktie ermöglich sollte. 2008 wurde das Gesetz reformiert.

Schon im Bundestagswahlkampf 1957 hatte Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard (CDU) angekündigt, dass sich seine Partei dazu entschlossen habe, "das Volkswagenwerk über das Mittel der Volksaktie in den Besitz weitester Volkskreise zu überführen". Drei Jahre später wurde also die bisherige Volkswagen GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Je 20 Prozent des Grundkapitals sollten an das Land Niedersachsen und den Bund gehen. 60 Prozent wurden als Kleinaktien Mitarbeitern und Bürgern mit geringem Einkommen angeboten. Je nach Einkommen mit einem Rabatt von zehn bis 25 Prozent. Die Aktienerlöse sollten in die Gründung einer Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Technik fließen.

April 1961: Volkswagen-Aktie geht an die Börse

"Daß der Komplex Volkswagenwerk heute auf der Tagesordnung des Bundestages steht", stellte der spätere Bundesfinanzminister Rolf Dahlgrün (FDP) am 16. März 1960 fest, "hat hier und da Überraschung ausgelöst, weil man angenommen hat, daß die Politik sich gerade diesen fetten Brocken nicht entgehen lassen und daß man noch eine geraume Zeit darüber kräftig und lautstark streiten werde." Aber die Abgeordneten seien ihrer "Verpflichtung" nachgekommen, "das Wirtschaftsunternehmen Volkswagenwerk möglichst schnell aus der politischen Tagesdiskussion herauszubringen und wieder dahin zu stellen, wohin es einzig und allein gehört, auf das weite Feld der freien Wirtschaft, wo es arbeiten und schaffen soll".

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Am 7. April 1961 ging die VW-Aktie an die Börse. Der Nennwert der Aktie lag bei 100 D-Mark, der Ausgabepreis wurde aber schon auf 350 D-Mark festgesetzt. Und bereits kurz nach Handelsbeginn schnellte der Kurs auf 750 D-Mark hoch. Das Angebot war um 85,4 Prozent überzeichnet. Die Idee der Volksaktie setzte sich indes nicht durch: Die meisten Kleinaktionäre verkauften ihre Beteiligungen nach Ablauf der Sperrfrist mit Gewinn.

Unumstritten war das VW-Gesetz jedoch aus anderen Gründen nicht. So klagte etwa die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof gegen das VW-Gesetz. Tatsächlich kippte der EuGH unter anderem die Klausel, die Bund und Land je zwei Sitze im Aufsichtsrat garantierte, der Produktionsverlagerungen und Werksschließungen nur mit Zweidrittelmehrheit beschließen darf. 2008 wurde in einer Reform des Gesetzes lediglich Vorschriften aufgehoben, die der EuGH für europarechtswidrig erklärt hatte. Das VW-Gesetz habe sich in den vergangenen 50 Jahren bewährt, betonte damals Justizministerin Brigitte Zypries (SPD).