Vor 20 Jahren : Untersuchungsausschuss zum Visa-Erlass nimmt seine Arbeit auf
Hat die rot-grüne Visapolitik Missbrauch begünstigt? Ein Untersuchungsausschuss sollte das 2005 aufklären – doch am Ende blieben viele Vorwürfe unbelegt.
Hat die rot-grüne Koalition mit einer Lockerung der Visavergabepolitik im Jahr 2000 einem massenhaften Visa-Missbrauch an deutschen Botschaften in Osteuropa Vorschub geleistet? Genau das warf die Union der Bundesregierung vor und setzte im Dezember 2004 im Bundestag einen Untersuchungsausschuss durch. Am 17. Februar 2005 kam der Ausschuss zu seiner ersten öffentlichen Sitzung zusammen.
Arbeit des Ausschusses endete mit der Auflösung des Bundestages im Juli 2005
Er sollte klären, ob die Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und seinem Außenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) bei der Visavergabe gegen internationales Recht verstoßen hat und dadurch nicht nur Schleuserkriminalität, sondern auch Schwarzarbeit und Zwangsprostitution erleichtert wurden. Im Visier stand dabei der nach dem grünen Staatsminister Ludger Volmer benannte Erlass, der die Auslandsvertretungen angewiesen hatte, im Zweifel für die Reisefreiheit zu entscheiden.

Bundesaußenminister Joschka Fischer musste 2005 vor dem Visa- Untersuchungsausschuss aussagen.
Bei der ersten öffentlichen Sitzung sagten ein Verwaltungsrichter, ein pensionierter Beamter des Innenministeriums und ein Dozent des Auswärtigen Amts aus. Sie äußerten Zweifel an der ausreichenden Prüfung von Visagenehmigungen, vor allem an Botschaften in Osteuropa. Gleichzeitig rückte ein weiterer Runderlass des Auswärtigen Amts in den Fokus. Darin wurden Botschaften schon 1999 aufgefordert, bei Vorlage einer Reiseschutzversicherung in Form eines sogenannten "Carnet de touriste" in der Regel auf die weitere Prüfung des Zwecks und der Finanzierung der Reise zu verzichten.
Lange tagte der Untersuchungsausschuss nicht. Seine Arbeit endete mit einer letzten Zeugenvernehmung und der Auflösung des damaligen Bundestages im Juli 2005. Bis dahin wurden 58 Zeugen, darunter Außenminister Fischer und Innenminister Otto Schily (SPD), angehört und knapp 1600 Aktenordner ausgewertet.
Keine Sicherheitsgefährdung, aber Versäumnisse bei Visavergabe
Während eine vorläufige Prüfung der EU-Kommission im Mai zu dem Schluss gekommen war, dass der sogenannte Volmer-Erlass gegen EU-Recht verstoßen habe, fiel die Bilanz des Ausschusses Ende August so aus: "Eine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben", hieß es im abschließenden Bericht. Zudem sei die Behauptung, zwischen 1999 und 2002 sei es in der Bundesrepublik zu einem massenhaften Kriminalitätsanstieg gekommen, eine "unberechtigte Skandalisierung". Auch der Vorwurf, dass Schwarzarbeit, Prostitution und Menschenhandel erleichtert worden seien, hätte sich "als falsch herausgestellt".
Allerdings stellte der Ausschuss fest, "dass es bei der Visumvergabepraxis an der deutschen Botschaft in Kiew insbesondere in den Jahren 1999 bis 2002 zu Versäumnissen gekommen ist". Ein großer Andrang traf auf personelle Unterbesetzung, persönliche Überforderung Einzelner und "unzureichende Steuerungsinstrumente". So blieben für die vorgesehenen Visaprüfungen laut Zeugenaussagen nur zwei bis drei Minuten - in dieser kurzen Zeit gehe das "objektiv nicht".
Beigelegt war der Streit damit nicht. So sprach die Union in ihrem 75 Seiten starken Sondervotum weiter von einem "Skandal". Die rot-grüne Visapolitik habe die Sicherheit Deutschlands gefährdet, sei von "Wegschauen statt prüfen" geprägt gewesen und habe gegen bestehendes Recht verstoßen.