Parlamentarisches Profil : Der Abwägende: Kai Whittaker
Kai Whittaker ist ein überzeugter Transatlantiker. Doch er ärgert sich, dass Europa bei der Sicherheitspolitik nicht auf eigenen Beinen steht.
Seine erste Nacht in Amerika ist ihm noch in Erinnerung. Seine Schwester hatte in Charleston ihren Uniabschluss gemacht, er war aus Deutschland angereist, und man hatte in dem Haus einer Freundin gefeiert, "mit einer eingemauerten Kanonenkugel aus dem Unabhängigkeitskrieg", sagt Kai Whittaker. Nachts hörte er andere Schüsse, und zwar aus der Nachbarschaft. "Da erfuhr ich die Bandbreite der USA zwischen dem Jahr 1776 und Bandenkriegen heute."
Kai Whittaker (39) sitzt seit 2013 für die CDU im Bundestag. Er ist Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales - und stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA.
Whittaker, 39, CDU-Abgeordneter aus dem Wahlkreis Rastatt, setzt sich auf einen alten Lehnstuhl, der das moderne Abgeordnetenbüro im Paul-Löbe-Haus angenehm kontrastiert. Die USA sind für ihn noch immer das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, "die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt, und Sie werden gefeiert". Was geht ihm durch den Kopf, wenn er an die Präsidentenwahl denkt?
Whittaker ist einer, der länger überlegt, bevor er spricht. Er legt dann den Kopf kurz seitlich, und wägt ab: "All dies zeigt mir, dass wir Europäer erneut vier Jahre lang nicht daran gearbeitet haben, unsere Sicherheitspolitik auf eigene Beine zu stellen." Mit einem Präsidenten Donald Trump würde das Schutzversprechen jedenfalls in Frage stehen. "Warum wir das von ein paar Wechselwählern in einigen Bundesstaaten abhängig machen, verstehe ich nicht."
Whittaker fordert Einsatz für ein Freihandelsabkommen mit den USA
Whittaker ist stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA, er bezeichnet sich als tiefen Anhänger der transatlantischen Beziehungen, fordert die Pflege gemeinsamer Interessen. Die hätten durch Trump zwar einen Knacks bekommen, "aber da können wir uns auch an die eigene Nase fassen, bei uns wählen junge Leute ja Höcke und Co". Überhaupt setzt der Badener für das Ausloten von Gemeinsamem auf die Fähigkeit zur Selbstkritik. "Deutschland ist in Europa in ähnlicher Lage wie die USA", sagt er. "Wir sind das stärkste Land, alle schauen auf Berlin - aber wir tun uns schwer, diese Rolle anzunehmen". Und er schaut zurück und nach vorn zugleich: “Wir sind die beiden freiheitlichsten Blöcke. Es ist traurig, dass es noch kein Freihandelsabkommen mit den USA gibt, dafür sollte die Bundesregierung dringend werben.”
Man merkt, dass Whittaker ein Mann des Ausgleichs ist. Einer, der in der CDU mehr im liberalen Flügel zu verorten ist. Sätze wie von seinem CDU-Kollegen Jens Spahn hört man von ihm weniger, dessen Forderungen aus dem vergangenen Juli nach einer Suche nach gemeinsamen Interessen mit Trump kommentiert er trocken: "Gemeinsame Interesse loten Regierungen aus. Dazu müssen wir erstmal die Wahlen gewinnen, und Trump auch." Da überrascht es nicht, dass er in die Junge Union als Teenager eintrat, "weil die CDU die pragmatischste Partei ist, die sich über Werte und nicht durch fixe Ideen definiert".
Aufgewachsen in einer Familie mit britischen Wurzeln
Mit dem Engagement ging es bei ihm früh los. Im Elternhaus war Politik zwar kein Dauerthema, das Schauen der "tagesschau" aber schon ein Ritus. Der Vater ein gelernter Tischler aus Großbritannien, die Mutter Sportlehrerin und Sekretärin - Whittaker wuchs in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf, wo genau geschaut wurde, wie das Geld ausgegeben wird. Er war Klassensprecher und schrieb für die Jugendbeilage des "Badischen Tagblatts", kommentierte dort bitter den Zustand der Schultoiletten; es war vielleicht der Einstieg ins eigene politische Wirken.
Dann 2004 der jüngste Stadtrat im Gemeinderat von Baden-Baden. Parallel stand das Bachelorstudium an, er investierte sein Einkommen in Flüge zwischen Bristol, wo er Volks- und Betriebswirtschaftslehre studierte, und Deutschland. Bis zu seinem Ausscheiden 2009 verpasste er im Gemeinderat nur eine Sitzung. Dann noch ein Master in London, eine Assistenz der Geschäftsleitung für die Herrenknecht AG und dann: die erfolgreiche Kandidatur für den Bundestag 2013 im Wahlkreis, den er bisher verteidigte. Als er aufsteht, sagt er dazu einen Satz, den man an dieser Stelle selten liest: “Bei sowas fragt Sie keiner. Das muss man wollen.”
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