Parlamentarisches Profil : Der Zahlenkicker: Michael Schrodi
Der Sozialdemokrat ist leidenschaftlicher Fußballfan und kickt heute im FC Bundestag. Im Finanzausschuss musste er sich in viele Themen neu einarbeiten.
Leidenschaft und Job klaffen in Michael Schrodis Büro einen Meter auseinander. Oben hängt an der Wand, in Glas eingerahmt, ein Trikot des Fußballvereins TSV 1860 München. Und darunter ein Regal mit 70 gebundenen Werken des Bundessteuerblatts. "Mein Onkel hat zehn Jahre bei den Löwen gespielt", sagt Schrodi und zeigt auf den Stoff in Blau-Weiß. Klar, dass er im Bundestag den offiziellen Fan-Club der "Sechziger" gegründet hat.
Michael Schrodi sitzt seit 2017 sitzt im Deutschen Bundestag und ist dort finanzpolitischer Sprecher und Obmann seiner Fraktion im Finanzausschuss.
Mit Schrodi über Fußball zu sprechen, fällt nicht schwer. Der 45-jährige Sozialdemokrat aus Gröbenzell bei München spielte selbst viele Jahre - davon neun in der Landes- und Bayernliga, "einmal im Pokal gegen Borussia Dortmund", sagt er lächelnd. Aber er habe immer das Risiko gescheut, wegen des Fußballs wegzuziehen, woanders das Wagnis Profisport anzugehen. Bleibt ihm heute der FC Bundestag, der ihn möglicherweise leicht unterfordert, was er nie sagen würde.
Gefragt als finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
Ohnehin gibt es heute, im zweiten Stock des Jakob-Kaiser-Hauses, kaum Zeit für die Pille. Denn Schrodi ist finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag, und da liegt ein Ärgernis an, was er natürlich auch nie sagen würde: Gerade kommt er aus dem Plenum, wo über die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses diskutiert wurde. Die Union will ihn durchsetzen, es geht um die Frage, welche Rolle Olaf Scholz als damaliger Hamburger Bürgermeister in der Warburg-Affäre spielte; die Stadt hatte vom Bankhaus keine Steuerrückzahlungen verlangt - wie in ähnlichen Fällen die anderen Bundesländer. Warburg hatte illegale Cum-Ex-Geschäfte getätigt, bei denen Steuern erstattet wurden, welche die Bank gar nicht gezahlt hatte.
"Ein Untersuchungsausschuss ist ein wichtiges Minderheitenrecht", sagt Schrodi, "es gibt aber seit zweieinhalb Jahren schon dazu einen in Hamburg." Alle relevanten Zeugen seien gehört und alle relevanten Akten eingesehen worden. "Es ist schon belegt, dass da nichts war." Wobei im vornherein nicht klar sein kann, was relevant sein wird oder nicht. Schrodi aber sieht im Ansinnen der Opposition kaum Erkenntnisgewinn aufziehen. "Wir haben ein großes Interesse an Aufklärung, aber ein Untersuchungsausschuss, nur um zu prüfen, was man schon weiß, ist eigentlich keiner." Sein linkes Bein wippt unterm Tisch.
In seinen Augen versuche die Union zu erreichen, dass etwas hängenbleibe, für den Wahlkampf. "Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages kann nur die Bundesregierung kontrollieren. Hier geht es über das hinaus, das verfassungsrechtlich möglich ist." Wenn Schrodi sich konzentriert, schließt er beim Reden die Augen. Sein weißes Hemd im dunkelblauen Anzug funkelt.
Spontane Kandidatur für den Bundestag
Eigentlich hatte sich Schrodi in seinem Leben im Landkreis Fürstenfeldbruck eingenistet. Ein Job als Gymnasiallehrer für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde, "eine glückliche Ehe und zwei Kinder - eine Kandidatur für den Bundestag hätte nicht sein müssen". Er tat es dann doch. Als Kreisverbandsvorsitzender hatte er nach einem Kandidaten gesucht, einige hätten abgesagt, "dann sagte ich mir: Warum nicht ich?"2017 zog er über die Landesliste in den Bundestag ein. Politisch engagiert hatte er sich lange vorher. Wurde mit 20 SPD-Mitglied, war Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung, wurde Gemeinderat und Stadtrat. Das Elternhaus prägte ihn: Der Vater arbeitete als Schlosser, war IG Metall-Mitglied, seine Mutter arbeitete als Angestellte. Schrodi ist Mitglied der Parlamentarischen Linken, "ich bin in einer der wohlhabendsten Gegenden Deutschlands aufgewachsen, aber in einem Hochhaus. Bis zu meinem 21. Lebensjahr teilte ich mir mit meinem Bruder ein Zimmer". Er sagt es mit Stolz. Bodenständigkeit erscheint bei Schrodi als gelebter Wert.
2017 zog er in den Finanzausschuss, musste sich in viele Themen neu einarbeiten. Und bewährte sich. Daher in der neuen Legislatur das Sprecheramt. Bereut er den Schritt nach Berlin? "Glamourös ist das Leben als Abgeordneter nicht, eher voller Entbehrungen. Das tut auch weh." Die Familie in den Sitzungswochen weit weg. "Aber man kann gestalten, zusammenbinden. Das ist auch schön."