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Parlamentarisches Profil : Die Beharrliche: Renate Künast

Sie war schon vieles, inzwischen ist Renate Künast auch Expertin für Hassrede und Cybermobbing. Bei der Justiz musste sie dafür erst Überzeugungsarbeit leisten.

17.05.2024
True 2024-08-02T13:58:28.7200Z
3 Min

Renate Künast war in ihrem politischen Leben Expertin für vieles, sie war Sozialarbeiterin im Gefängnis und Anwältin für Ausländerrecht und Bürgerrecht, sie hielt die Flügel ihrer Partei zusammen und managte Koalitionen, wurde schließlich Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Dass sie aber nun, nach nicht wenigen Jahren in der Legislative, Expertin für Hate-Crime und Cybermobbing wird, hatte sie auch nicht auf dem Zettel.

Foto: Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski

Renate Künast gehört seit 2002 dem Bundestag an. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie im Wahlausschuss.

"Es war der Winter 2015/2016", erinnert sich die 68-jährige Grünen-Bundestagsabgeordnete aus Berlin, "ich hatte im Fernsehen über die Kölner Silvesterkrawalle diskutiert, und plötzlich waren da diese Beleidigungen auf Facebook - eine endlose Reihe." 270 Posts, nur zwei bis drei mit seriöser Kritik, die anderen nicht. "Ich fragte mich: Was ist das eigentlich?"

Künast zog wegen Beileidigungen vor Gericht

Gemeinsam mit der "Spiegel"-Journalistin Britta Stuff machte sie einige Perlen der Beleidigung ausfindig und besuchte ihre Absender daheim. Und strengte auch Gerichtsverfahren an. Damit war sie ihrer Zeit voraus, wird doch aktuell wieder diskutiert, den Schutz für Politiker vor Beleidigungen, Mobbing und tätlichen Angriffen zu erhöhen - nach den jüngsten Angriffen im Wahlkampf zum Europäischen Parlament. "Das ist in Wahrheit das, was seit Jahren aus rechtsextremen Kreisen systematisch betrieben wurde", sagt Künast am Telefon, es ist Donnerstag um kurz nach acht in der Früh; sie sitzt im Auto auf dem Weg zum Bundestag. "Druck und Aggression sind angeschwollen, nun schlägt die verbale Gewalt in physische um."

Bei ihren Recherchen fand Künast heraus, dass es nicht nur Frustrierte und Abgehängte sind, die Hass verbreiteten, "sondern einerseits viele, die schlicht meinten, ihnen würde schon nichts passieren, andere waren klar rechtsextrem orientiert." Damals, 2016, musste Künast in der Justiz Überzeugungsarbeit leisten. "'Das müssen Politiker schon aushalten können', sagte man mir." Doch dann dränge sich die Frage auf, schließt sie an, wer sich dann noch politisches Engagement antun wolle. "Die Justiz musste erst die Methodik verstehen, die Unterschiede zur Beleidigung im analogen Raum, die Verbreitungsmöglichkeiten und Reproduzierbarkeit im Netz."


„Es ist im öffentlichen Interesse, dass Persönlichkeitsrechte von Politikern und Menschen die sich fürs Gemeinwohl engagieren, geschützt werden.“
Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen)

Mit ihren Gerichtsverfahren hatte Künast Erfolg. Nach einer Verfassungsbeschwerde von ihr hob das Bundesverfassungsgericht vorherige Urteile auf und bahnte den Weg hin zu neuen Berücksichtigungen. "Es ist im öffentlichen Interesse, dass Persönlichkeitsrechte von Politikern und Menschen die sich fürs Gemeinwohl engagieren, geschützt werden. Nur so werden sich auch in Zukunft Menschen für das Gemeinwesen engagieren." Und in der Abwägung müsse dann die Meinungsfreiheit weniger gewichtet werden.

Politisch aktiv seit über 40 Jahren

Mittlerweile ist einiges passiert. Die Polizei zum Beispiel hat Schwerpunktabteilungen für Internet-Hass gegründet, wie bei Drogen oder Wirtschaftskriminalität. Und die Polizeiakademie Niedersachsen lud Künast als Expertin ein. Da schaute sie schon auf ein längeres Politikerinnenleben zurück. In einer Recklinghausener Arbeiterfamilie aufgewachsen, hatte Künast Sozialarbeit studiert, war nach Berlin gezogen und sattelte die Ausbildung zur Volljuristin auf.

1979 trat sie der Alternativen Liste bei, die sich dann den Grünen anschloss. Künast gehörte wie die AL zum linken Flügel der jungen Partei. Wurde 1985 ins Berliner Abgeordnetenhaus gewählt und 1990 Fraktionsvorsitzende. 2002 dann der Einzug in den Bundestag, da war sie schon Co-Bundesvorsitzende der Grünen geworden. Längst wurde sie für höhere Ämter gehandelt, galt sie doch als aktenkundig und menschennah zugleich. Sie ist eine, der man zuhört. Und 2001 schließlich die Berufung als Ministerin in die Bundesregierung. Damit war dann 2005 Schluss, es folgten weitere Ämter - und das Bundestagsmandat blieb bis heute.

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