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Deutsche Charmeoffensive : Hohe Hürden für Fachkräfteeinwanderung

Die Bundesrepublik wirbt um ausländische Fachkräfte, doch zu viel Bürokratie erschwert ihren Zuzug. Experten zufolge ändern daran auch geplante Neuregelungen wenig.

14.08.2023
True 2024-03-11T10:12:28.3600Z
4 Min

Die Geschäftsidee ist gut, der Businessplan steht und die Finanzplanung ist auf einem guten Weg. Jetzt noch den benötigten IT-Experten aus Indien einfliegen und ein neues Start-up-Unternehmen kann den Markt aufmischen. Klingt gut, ist aber kompliziert.

Viele offene Fragen für kleine Unternehmen

Es stellen sich viele Fragen, die ein kleines Start-up-Unternehmen auch schnell überfordern können. "Das geht los bei: Was ist eigentlich die Blaue Karte EU? Was bedeutet eine normale Aufenthaltserlaubnis? Wie funktioniert das mit dem Familiennachzug?", sagen Erica Ancobia und Mandy Stegemann von der KUNO GmbH, die unter anderem Personal-Dienstleistungen für Unternehmen anbieten. Seit 2016 unterstützen sie Fachkräfte beim Erlangen von Aufenthaltstiteln. Meist geht es dabei um Hochqualifizierte aus Drittstaaten, die mit besagter Blauer Karte zum Arbeiten nach Deutschland kommen können.

Foto: picture-alliance/dpa/Christophe Gateau

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD, links) mit IT-Experten und jungen Menschen aus Indien, die am Goethe-Institut Deutsch lernen: Heil warb im Juli in Indien für die Bundesrepublik.

Zuerst einmal müsse geklärt werden, ob ihr im Heimatland erworbener Abschluss in Deutschland anerkannt ist. "Manchmal wird die Hochschule in dem Drittstaat anerkannt, manchmal aber auch nicht", sagt Mandy Stegemann, HR & Payroll Lead bei KUNO. Für die Anerkennung müssen alle Dokumente original beglaubigt bei der deutschen Botschaft des Heimatlandes eingereicht werden. "Der indische IT-Experte muss also vor Ort einen anerkannten Übersetzer finden, der die Dokumente beglaubigen kann. Dann muss er das beglaubigte Dokument per Post an die Botschaft schicken und die Kosten für die Bearbeitung vorstrecken, bevor irgendetwas passiert", erläutert die Personalchefin.

Im Ausland mit Unterstützung beginnen

"Unsere Unterstützung beginnt schon im Ausland", sagt KUNO-Geschäftsführerin Erica Ancobia. "Hat die Fachkraft mit einem deutschen Unternehmen einen Vertrag geschlossen, kümmern wir uns um Termine bei der deutschen Botschaft, um das Einreisevisum zu erlangen."

Bis dahin kann schon einige Zeit ins Land gehen. Die Wartezeiten in den Auslandsvertretungen lägen teils "deutlich über einem Jahr", hatte Engelhard Mazanke vom Deutschen Städtetag unlängst während einer Sachverständigenanhörung zum neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz gesagt. Jenem Gesetz, das laut Bundesinnenministern Nancy Faeser (SPD) in Deutschland das "modernste Einwanderungsrecht der Welt" schafft, für die Union aber eher eine "Mogelpackung" ist, weil es nicht die Hochqualifizierten anspricht, wie CSU-Innenexpertin Andrea Lindholz sagt.

Familiennachzug für Fachkräfte soll vereinfacht werden

Künftig soll es der Neuregelung zufolge ausreichen, im Ausland eine zweijährige Berufsausbildung absolviert zu haben und darüber hinaus mindestens zwei Jahre Berufserfahrung nachweisen zu können, um in Deutschland arbeiten zu dürfen, wenn ein Arbeitsvertrag existiert. Die Mindestgehaltsschwelle für die Erteilung der Blauen Karte EU für Regelberufe wurde gesenkt. Sie liegt bei derzeit 43.800 Euro brutto im Jahr. Einfacher wird auch der Familiennachzug für eine Fachkraft. Die Eltern können nachziehen - ebenso wie die Schwiegereltern, wenn sich der Ehepartner dauerhaft in Deutschland aufhält.

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Soweit die Theorie. In der Praxis klagen jedoch alle Beteiligten über zu viel Bürokratie und schleppend langsame Verwaltungsverfahren. Die auf Ausländerbeschäftigungsrecht spezialisierte Rechtsanwältin Bettina Offer kam bei besagter Anhörung zu der Einschätzung, dass die Verwaltung die Mengen an benötigter Zuwanderung nicht abbilden könne. Was das Gesetz an Verwaltungsvereinfachungen enthält, sei "hinten und vorne nicht ausreichend".

Unverständliche administrative Abläufe

Auch Erica Ancobia und Mandy Stegemann erscheinen einige administrative Abläufe bei den Einwanderungsbehörden in Deutschland unverständlich. Sie unterstützen die Fachkräfte auch bei der Beantragung des im Regelfall vier Jahre geltenden Folgevisums. "Dafür muss man die gleichen Dokumente, die schon an der Botschaft vorgelegt wurden, nochmal einreichen. Da haben die Bewerber schon ein paar Fragezeichen im Kopf", sagt Stegemann. Mehr Digitalisierung, weniger Bürokratie, einheitliche Standards und eine größere zentrale Anlaufstelle würden benötigt, findet Geschäftsführerin Ancobia.


„Die Kenntnis der deutschen Sprache ist von fundamentaler Bedeutung für ein erfolgreiches Ankommen und Bleiben der Fachkräfte in unserem Land.“
Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts

Bereits seit mehr als einem Jahrzehnt ist das Goethe-Institut im Bereich Fachkräftequalifizierung tätig und baut mit seinen Deutschkursen und zertifizierten Prüfungen wichtige Brücken für Zuwanderer aus ihren Heimatländern nach Deutschland. Wesentlich für ein erfolgreiches Ankommen seien auch die Angebote zur Vorintegration, "also zur Vorbereitung auf das Alltags- und Arbeitsleben in Deutschland", sagt der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert. Dazu zählten etwa Informationsveranstaltungen über den Alltag und das Erwerbsleben in Deutschland, persönliche Beratung und interkulturelle Trainings. "In den Regionen Südostasien, Südosteuropa, Nordafrika/Nahost und Südamerika hat das Goethe-Institut in den vergangenen zwei Jahren über 33.000 Menschen unterschiedlicher Berufe mit diesen Vorintegrationsangeboten erreicht", sagt der Generalsekretär. Dieser Wert soll sich in den kommenden drei Jahren auf mehr als 90.000 erhöhen. "Die Zahl der Standorte, an denen wir die Angebote zur Verfügung stellen, erhöht sich von 18 auf 44", kündigt er an.

Wichtig ist und bleibt aus seiner Sicht: "Die Kenntnis der deutschen Sprache ist von fundamentaler Bedeutung für ein erfolgreiches Ankommen und Bleiben der Fachkräfte in unserem Land. Nur wer Deutsch kann, wird sich auch langfristig hier engagieren und am gesellschaftlichen Leben teilhaben." Das Problem dabei: In vielen Zielländern der Fachkräftemigration herrscht ein Mangel an qualifizierten Deutschlehrern. "Hier müssen wir Abhilfe schaffen und das Nadelöhr beseitigen", verlangt Ebert.