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Kein Recht auf schnelles Netz : Diskussionen über höhere Mindeststandards für Internetversorgung

Die Union will höhere Mindeststandards für Internetversorgung, die Ampel betont Fortschritte beim Glasfaserausbau. Wie es um das Recht auf schnelles Internet steht.

14.06.2024
True 2024-06-14T13:15:12.7200Z
3 Min

Es war die erste Entscheidung der Bundesnetzagentur dieser Art - weitere dürften folgen: Mitte März verpflichtete die Behörde einen Internetanbieter, einen abgelegenen Haushalt in Niedersachsen zu einem bestimmten Preis mit Internet- und Telefondiensten zu versorgen. Ein Verbraucher hatte sich bei der BNetzA beschwert, die stellte eine Unterversorgung fest. Da kein Unternehmen eine Versorgung anbot, wurde ein Verpflichtungsverfahren durchgeführt. Medienberichten zufolge handelt sich bei dem betroffenen Unternehmen um den Low-Orbit Satellitenanbieter Starlink von Elon Musk.

Bundesnetzagentur stellte 29 Unterversorgungen fest

Mit dem sogenannten Recht auf schnelles Internet beziehungsweise der Telekommunikations-Mindestversorgungsverordnung (TKMV), die seit Juni 2022 gilt, beschäftigte sich am Donnerstagabend auch das Bundestagsplenum. Anlass war die Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Unionsfraktion zur Umsetzung. Diese hatte ergeben, dass sich die Fälle einer tatsächlichen Unterversorgung in Grenzen halten. Eine solche liegt vor, wenn Downloadgeschwindigkeiten von weniger als zehn Megabit pro Sekunde und Uploadgeschwindigkeiten von weniger als 1,7 Megabit pro Sekunde oder eine Latenz von mehr als 150 Millisekunden gegeben sind. Und das zu einem „erschwinglichen Verbraucherpreis“, der laut BNetzA bei circa 30 Euro pro Monat liege.

Zwischen Juni 2022 und Ende Februar 2024 sind laut Regierungsantwort 5.581 Meldungen eingegangen. Die BNetzA habe nach Prüfung bei einem Großteil der gemeldeten Fälle keine Unterversorgung feststellen können. In 29 Fällen sei eine Unterversorgung festgestellt worden, die meisten davon in Bayern (16), gefolgt von Niedersachsen mit elf Feststellungen und Nordrhein-Westfalen und Hamburg mit jeweils einem Fall, heißt es in der Antwort.

Union: Mindestversorgung nicht mehr ausreichend

Die Union hält die Mindestversorgung inzwischen für zu gering: Die Lebenswirklichkeit zeige, dass dies gerade für Familien auf dem Land nicht ausreiche, hieß es in der Debatte. Im Digitalausschuss hatte die BNetzA Anfang Juni berichtet, sie plädiere dafür, die Downloadgeschwindigkeit von 10 auf 15 Megabit pro Sekunde und die Upload-Geschwindigkeit von 1,7 auf 5 Mbit/s anzuheben. Die Latenz könne beibehalten werden, hieß es weiter. „Das ist unterambitioniert und eindeutig zu wenig“, sagte Hansjörg Durz (CSU). Der Rechtsanspruch sei nur eine Reparatur und nicht die Lösung. Nötig sei aus Sicht der Union ein Telekommunikationsbeschleunigungsgesetz.


Anke Domscheit-Berg im Portrait
Foto: Jesco Denzel
„Der Rechtsanspruch wurde ein Recht auf lahmes Internet, den außerdem kein Mensch kennt.“
Anke Domscheit-Berg (Gruppe Die Linke)

Vertreter der Ampelfraktionen entgegneten, es gehe um eine Mindestversorgung und nicht um ein Recht auf schnelles Netz; die Verordnung werde konsequent weiterentwickelt. Zudem sei es die Union gewesen, die den Netzausbau 16 Jahre lang vernachlässigt habe, sagte Digitalpolitikerin Carolin Wagner (SPD). Tabea Rößner (Grüne) betonte, man arbeite sich sukzessive – und mit Erfolg - aus der vererbten Situation heraus: „Mit rund 3 Millionen Euro fördern wir jedes Jahr den Glasfaserausbau, 1,7 Millionen Anschlüsse sind bereits gebaut, weitere 2,3 Millionen sind im Bau oder der Planung“, so Rößner. Mit Blick auf 5G sagte Maximilian Funke-Kaiser (FDP), dass 91 Prozent der Fläche mit 5G versorgt seien, hier sei Deutschland richtig gut.

AfD: Definition der Latenz handwerklich schlecht 

Kritik kam auch von den anderen Oppositionsfraktionen: Eugen Schmidt (AfD) kritisierte, dass Deutschland bei der Internetgeschwindigkeit weltweit auf Platz 60 rangiere. Die Verordnung sei handwerklich schlecht umgesetzt, die Definition der Latenz als arithmetisches Mittel sei problematisch, da sie keine Verzögerungsspitzen berücksichtige, sagte Schmidt. Anke Domscheit-Berg (Gruppe Die Linke) sagte, die Versorgung sei offensichtlich ungeeignet, Unterversorgung zügig zu beheben und allen Menschen bezahlbare Teilhabe an der digitalen Gesellschaft zu ermöglichen: „Der Rechtsanspruch wurde ein Recht auf lahmes Internet, den außerdem kein Mensch kennt“. Prozesse müssten beschleunigt, Fristen verkürzt werden und das Antragsverfahren nutzerfreundlicher werden.

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