"Deutschlandtempo" für den Netzausbau : Überragendes öffentliches Interesse am schnelleren Netzausbau
Der Ausbau digitaler Infrastrukturen soll schneller und einfacher werden. Funklöcher zu schließen, soll bis 2030 im "überragenden öffentlichen Interesse" stehen.
Das Tempo der Bundesregierung beim Netzausbau lässt aus Sicht vieler Unternehmen, der Länder und auch der Opposition zu wünschen übrig. "Deutschlandtempo" beim Bau von Breitbandleitungen und dem Schließen von Funklöchern sehe anders aus; es handele sich eher um das Tempo einer Schnecke, monierte Unions-Digitalpolitiker Hansjörg Durz am Freitag im Bundestagsplenum. Einer der Gründe: Langwierige, bürokratische Prüfungs- und Planungsverfahren.
Minister Wissing: Ausbau ist noch nie so schnell vorangegangen wie unter dieser Regierung
Die Bundesregierung ist hingegen der Ansicht, dass der Netzausbau dank der Gigabitstrategie bereits dynamisch voranschreite. Noch nie sei der Ausbau so schnell vorangegangen wie unter dieser Regierung, sagte Digitalminister Volker Wissing (FDP). Um die Rahmenbedingungen für den Ausbau der digitalen Infrastruktur noch zu verbessern, hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf "zur Beschleunigung des Ausbaus von Telekommunikationsnetzen" vorgelegt, der am Freitag erstmals im Bundestag beraten wurde. Innerhalb der Koalition war der Entwurf lange umstritten: Während das FDP-geführte Digitalministerium darauf drängte, dass der Bau von Mobilfunkmasten und die Verlegung von Glasfaserkabeln "im überragenden öffentlichen Interesse" und nicht nur "im öffentlichen Interesse" liegt, kam Widerstand aus dem grün-geführten Umweltministerium.
Warum? Die Ergänzung des Wörtchens "überragend" sorgt dafür, dass Bauvorhaben an manchen Stellen höher priorisiert werden können als Umweltvorschriften. Der Kompromiss sieht vor, dass in naturschutzrechtlichen Verfahren das überragende Interesse für den Bau von Mobilfunkmasten nur dann zugebilligt wird, wenn Funklöcher behoben werden. Die "überragende Bedeutung" ist zudem bis in das Jahr 2030 befristet. Vorgesehen ist zudem, dass das Digitalministerium die Auswirkung des überragenden öffentlichen Interesses mit den betroffenen Unternehmen und zuständigen Behörden nach drei Jahren evaluiert.
Gigabit-Grundbuch soll zentrale Datendrehscheibe werden
Bestandteil des Entwurfs ist weiter, dass benötigte Daten besser genutzt werden können. Geplant ist daher die Verankerung des Gigabit-Grundbuches als "zentrale Datendrehscheibe" im Telekommunikationsgesetz (TKG). Das Portal bietet Informationen zum Ausbaustand, etwa über Versorgungskarten. Informationsumfang, -erhebung und -bereitstellung. Das Ziel: Den Recherche- und Abstimmungsaufwand perspektivisch weiter zu senken. Fristen für die Zustimmung von Ausbauprojekten sollen zudem verkürzt werden.
Bis 2030 will die Regierung Glasfaseranschlüsse und den neuesten Mobilfunkstandard flächendeckend verfügbar machen. Bis 2025 soll mindestens die Hälfte der Haushalte und Unternehmen mit Glasfaser ins Gebäude versorgt sein. Diese Weiterentwicklung werde dazu führen, dass sich Interessierte besser über die Versorgung informieren und Bürger leichter einen passenden Netzbetreiber finden könnten, prognostizierte Wissing in der Debatte.
Für die Union kritisierte Nadine Schön, dass sich "Wissing im Wunderland" befinde und seine Darstellungen mit der Realität nichts zu tun hätten. Der Ausbau erfolge auf Basis der Maßnahmen und Mittel, die die Union in ihrer Regierungszeit auf den Weg gebracht habe. "Sie stellen kein neues Geld zur Verfügung" und es seien zwei Jahre ins Land gegangen, kritisierte Schön weiter.
Abgeordnete mahnen finanzielle Untersetzung des Netzausbaus im Haushalt 2025 an
Kritik kam auch von der AfD-Fraktion: Im Entwurf blieben viele Begriffe schwammig: "Unterbrechungsfrei kann in der Mobilfunkversorgung alles oder nichts bedeuten." Lange Gerichtsverfahren seien damit vorprogrammiert, sagte Eugen Schmidt.
Für die Gruppe Die Linke kritisierte Anke Domscheit-Berg den Entwurf in seiner jetzigen Form als "verbraucherfeindlich" und forderte Nachbesserungen: So müsse unter anderem der Anspruch auf eine Mindestbandbreite deutlich über 15 Mbit/Sekunde angehoben werden.
Zustimmung kam von den Ampel-Fraktionen: Detlef Müller (SPD) sagte, 97,4 Prozent der Fläche seien mit 4G und 92,5 Prozent mit 5G durch mindestens einen Netzbetreiber versorgt. Dieses Tempo sei hervorragend und müsse nun gesteigert werden. Wenn man es mit "digital first" ernst meine, brauche es jedoch für die Umsetzung eine entsprechende finanzielle Untersetzung und keine Kürzungen.
Maik Außendorf (Grüne) sagte, es gehe um gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland, insbesondere auch für den ländlichen Raum. Mit dem Entwurf würden die "Weichen auf Beschleunigung" gestellt.