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Foto: picture alliance/dpa | Patrick Pleul
Im Sommer 2022 beschäftigte das massive Fischsterben in der Oder Deutschland und Polen. Doch auch um andere Flüsse hierzulande steht es nicht gut.

Wasserqualität stagniert seit 2010 : Deutschlands Flüsse sind in Gefahr

Im Sommer 2022 wird die Oder zum Massengrab für Fische. Menschliche Eingriffe und der Klimawandel setzten den Flüssen zu. Dabei wird ihr Schutz immer wichtiger.

06.08.2024
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3 Min

Die erste Welle toter Fische kommt Anfang August. Massenhaft Kadaver treiben damals, im Sommer 2022, bäuchlings an der Oberfläche, hunderttausende liegen auf dem Grund der Oder. Erstickt am Gift einer Brackwasseralge. Salzige Abwässer, Hitze und Niedrigwasser hatten dem Fluss gewaltig zugesetzt. Für die giftbildende Algenart ideale Bedingungen. Innerhalb kurzer Zeit breitet sie sich aus - und verwandelt die Oder in ein Massengrab für die Hälfte ihrer Fische.

Nur 13 Prozent der deutschen Flüsse sind in einem gutem Zustand

Die Bilder, die in jenen Tagen von der deutsch-polnischen Grenze aus die Nachrichten überschwemmen, brennen sich ein. Es sind Zeugnisse einer menschengemachten Umweltkatastrophe, die vor Augen führen: Der Oder geht es schlecht. Und sie ist kein Einzelfall. Nach einer Analyse des Umweltbundesamts waren im Jahr 2021 nur 13 Prozent der Flüsse in Deutschland in einem "guten ökologischen Zustand". Dabei soll das bis 2027 eigentlich für alle Gewässer gelten, so will es die EU-Wasserrahmenrichtlinie.

Für Gewässerökologen wie Martin Pusch vom Leibniz-Institut in Berlin klingt das nach ferner Zukunftsmusik. "Die Ziele werden massiv verfehlt", kritisiert er. Dabei hätte die seit 2000 geltende Richtlinie in seinen Augen durchaus Potenzial für eine Erfolgsgeschichte gehabt. Vor allem, weil sie Flüsse als Einheiten begreift, die über Ländergrenzen hinweg bewirtschaftet werden müssen. Nur mit der Umsetzung, da hapere es gewaltig.

Vorgaben aus Brüssel werden nicht ausreichend umgesetzt

Damit ein Fluss die Note "gut" erhält, fasst Pusch die Vorgaben so zusammen: "Im Prinzip funktioniert das Ökosystem noch ungestört". Die Realität ist jedoch eine andere. Zwar sind Rhein, Elbe und Co. mittlerweile augenscheinlich sauberer als etwa in den 1970er Jahren, als vielerorts Schaumteppiche die miese Wasserqualität offenbarten. Auch sehen Flüsse heutzutage meist "ordentlich" aus, sagt Pusch. "In der Mitte Wasser, links und rechts gemähtes Gras oder Beton." Doch gut geht es ihnen damit nicht. Anders als damals, als die Verschmutzung nicht zu übersehen war, und in der Folge Milliarden in Kläranlagen investiert wurden, sei die Handlungsnotwendigkeit heutzutage "nicht so intuitiv eingängig".

Pusch sieht darin einen der Gründe, weshalb die Vorgaben aus Brüssel nicht mit Nachdruck umgesetzt würden und die Wasserqualität europäischer Flüsse - nach einem positiven Trend ab den 1990er Jahren - seit 2010 stagniert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie unter Leitung von Wissenschaftlern des Senckenberg-Instituts. Ein weiterer Grund liegt Pusch zufolge darin, dass es sich bei der Richtlinie "nur um ein wasserwirtschaftliches Gesetz" handelt. "Das heißt, die Zuständigkeit endet am Gewässerrand." Viele Belastungsfaktoren kommen jedoch aus der Umgebung, zum Beispiel vom Landwirt, der in der Nähe düngt und spritzt.


„Wegen des Klimawandels sind unsere Gewässer nicht mehr in demselben Umfang nutzbar und belastungsfähig, wie wir es gewohnt sind.“
Gewässerökologe Martin Pusch, Leibniz-Institut in Berlin

Dabei sind gesunde Flüsse für den Menschen fundamental. Sie versorgen uns mit Trinkwasser und dienen der Erholung, sind Verkehrswege und erzeugen Strom, verdünnen gereinigtes Abwasser, kühlen aufgeheizte Städte und locken Touristen an. Entsprechend groß ist die Konkurrenz um das Wasser und die Flächen drumherum. Die Folge: "Die Gewässer wurden immer mehr eingeengt", sagt Pusch. Sie wurden begradigt, kanalisiert und aufgestaut, um die vielen Bedarfe zu erfüllen.

Experte: Nationale Wasserstrategie ist Schritt in die richtige Richtung

Für die verschiedenen Interessen gibt es verschiedene Gesetze, von der Schifffahrt bis zum Naturschutz. Allerdings ohne aufeinander abgestimmt zu sein, kritisiert Pusch. Er ist überzeugt: "Nur mit wasserwirtschaftlichen Mitteln ist ein guter Zustand der Flüsse nicht zu erreichen." Als Schritt in die richtige Richtung bewertet er deshalb die 2023 ressortübergreifend beschlossene Nationale Wasserstrategie, die den vorsorgenden Schutz des Wassers in allen Handlungsfeldern verankern soll.

Grundsätzlich ist die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie Ländersache. Für Bundeswasserstraßen, also große Flüsse wie die Oder, hingegen ist der Bund zuständig - und da laufen aus Sicht des Ökologen "nur punktuelle Revitalisierungen, sodass deren guter ökologischer Zustand leider nicht absehbar ist". Auch der Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern müsse besser werden, fordert Pusch und plädiert dafür, sie aktiv in Renaturierungspläne einzubeziehen. "Das erhöht erheblich die Akzeptanz."

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Denn klar ist aus Sicht des Experten: Der Schutz der Flüsse wird immer wichtiger. "Wegen des Klimawandels sind unsere Gewässer nicht mehr in demselben Umfang nutzbar und belastungsfähig, wie wir es gewohnt sind." Das Oder-Fischsterben 2022 sei dafür beispielhaft. Seit Jahrzehnten werde der Fluss verschmutzt, sagt Pusch. Als aber die Dürre derart lang anhielt, waren das zu viele Belastungsfaktoren auf einmal. Die verheerende Bilanz: hunderte Tonnen toter Fische. Und Bilder, die zum Handeln mahnen.