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Folgen des Klimawandels : Globaler Wasserkreislauf gerät aus dem Gleichgewicht

Der Wasserkreislauf sichert die irdischen Süßwasserreserven. Doch Klimawandel und Mensch stören - mit immer deutlicheren Auswirkungen.

05.08.2024
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Die meisten haben das Bild schon einmal in ihrer Schulzeit gesehen: Wie die Sonne die Erdoberfläche erwärmt, Wasser verdunstet und als unsichtbarer Wasserdampf in der Luft nach oben steigt. In den kälteren Luftschichten kondensiert der Wasserdampf, und winzige Tropfen bilden sich. Wolken entstehen. Auf dem Bild ziehen sie in Pfeilrichtung der Berge. Dort kühlt sich die Luft in den höheren, kälteren Lagen ab, die Tröpfchen in der Wolke werden größer und schwerer, und es beginnt zu regnen oder, je nach Lufttemperatur, zu schneien oder zu hageln. So fällt das Wasser auf die Erde zurück. Es tränkt Pflanzen, füllt Flüsse und Seen, versickert im Boden, bildet Grundwasser oder geht im Wasser der Meere auf.

Foto: picture alliance / abaca | Europa Press/ABACA

Fischen im letzten Wasser: Das Guadalhorce-Reservoir Malaga in Andalusien hat immer weniger Wasser.

500.000 Kubikkilometer Wasser zirkulieren jedes Jahr

Der Wasserkreislauf versorgt so Lebewesen an Land mit Süßwasser. Wie elementar das ist, zeigen diese Zahlen: 97,5 Prozent der globalen Wasservorräte sind salzhaltig; nur 2,5 Prozent sind trinkbares Süßwasser. Davon ist ein Großteil in Eis, Schnee und Permafrostböden gebunden. Tatsächlich sind lediglich 0,3 Prozent des Trinkwassers in Flüsse und Seen direkt zugänglich.

Jedes Jahr bewegt der Wasserkreislauf auf der Erde mehr als 500.000 Kubikkilometer Wasser. Damit ließe sich die Erdoberfläche knapp ein Meter hoch mit Wasser bedecken. Das haben Meteorologen des vom Deutschen Wetterdienst (DWD) betriebenen Weltzentrums für Niederschlagsklimatologie (WZN) zuletzt 2015 in einer Untersuchung zum globalen Wasserkreislauf für die Jahre 1951 bis 2000 berechnet. Demnach verdunsten jährlich aus den Meeren rund 432.000 Kubikkilometer Wasser; über den Landflächen sind es rund 72.000 Kubikkilometer. Als Regen fallen dort rund 118.000 Kubikkilometer Wasser pro Jahr, über den Meeren sogar 386.000 Kubikkilometer. 46.000 Kubikkilometer Wasser fließen schließlich über die Flüsse und das Grundwasser wieder zurück ins Meer.

Leben auf der Erde könnte schon vor vier Milliarden Jahren begonnen haben

Es ist ein ständiger Kreislauf, der noch viel älter ist, als bisher in der Fachwelt angenommen. Das zeigt eine neue, in der Fachzeitschrift Nature Geoscience veröffentlichte Studie. Bislang hatten Forscher aufgrund von früheren Funden angenommen, dass der Wasserkreislauf 3,5 Milliarden Jahre alt ist. Doch ein Forscherteam aus Abu Dhabi, Australien und China hat nun bei der Analyse von mehr als vier Milliarden Jahre alten Gesteinsproben aus dem australischen Jack-Hills-Gebirge Hinweise darauf gefunden, dass der Wasserkreislauf schon 500 Millionen Jahre früher existierte. Damit könnte auch das Leben auf der Erde früher, nämlich schon vor vier Milliarden Jahren begonnen haben.


„Kein Tropfen geht verloren, aber die Verteilung von Wasser ändert sich.“
Markus Ziese, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst

Doch so lange und beständig der Wasserkreislauf schon für die Regeneration der Süßwasserreserven sorgt. er ist nicht unveränderlich. Im Oktober schlug die Weltwetterorganisation (WMO) Alarm: Dürren, sinkende Grundwasserstände, Überflutungen - der globale Wasserkreislauf laufe nicht mehr rund, Klimawandel und menschliche Aktivitäten brächten ihn zunehmend aus dem Gleichgewicht, so die zentrale Botschaft ihres Berichts zum Zustand der globalen Wasserressourcen. "Wir haben weniger Wasser in den Reservoiren und wir haben Grundwasser verloren", sagte WMO-Chef Petteri Taalas bei der Vorstellung des Reports.

Doch wie ist das möglich, wenn doch eigentlich im globalen Wasserkreislauf kein Tropfen verloren geht? Für den Meteorologen Markus Ziese vom WZN beim Deutschen Wetterdienst ist das kein Widerspruch: "Es stimmt: Kein Tropfen geht verloren, aber die Verteilung von Wasser ändert sich", erklärt er. Der Klimawandel störe den Wasserkreislauf zweifach. Hinzu komme der Einfluss des Menschen - doch dazu später. Wärmere Temperaturen heizten Atmosphäre und Ozeane auf und erhöhten so zum einen die Verdunstung, so Markus Ziese: "Wir haben deshalb mehr Wasserdampf in der Luft, der im Kreislauf transportiert wird. Dadurch regnet es mehr."

Häufigere Überschwemmungen und Dürren

Zum anderen änderten sich die Zirkulationsmuster von Tiefdruckgebieten, erklärt der Meteorologe. Damit verschöben sich die Niederschlagsmuster, die räumliche und zeitliche Verteilung von Regen. In einigen Regionen der Welt erhöhe das die Gefahr von heftigeren Niederschlägen und Überschwemmungen, während in anderen Gegenden weniger Regen zu erwarten sei, sagt Ziese. Die Folge: Trockene Regionen drohten noch trockener zu werden. Das setze die Wasserressourcen unter Druck. Die Pegel von Grundwasser, Seen und Flüssen könnten künftig wegen mangelnder Niederschläge weiter absinken.

Welche regionalen Trends sich schon jetzt abzeichnen, hat das Team des WZN um Markus Ziese anhand von weltweiten Niederschlagsdaten untersucht und ausgewertet. Die Niederschlagskarte belegt, in welchen Gegenden der Welt es in den Jahren 1951 bis 2020 mehr und in welchen weniger geregnet hat. Weniger Regen fiel etwa im europäischen Mittelmeerraum, insbesondere auf der iberischen Halbinsel, noch weniger an der Westküste der USA, in Westafrika oder auch in Chile.

Wie der Mensch den Kreislauf beeinflusst

Aber auch der Mensch prägt den Wasserkreislauf: 2019 kritisierte eine Gruppe von Wissenschaftlern die Darstellung des Wasserkreislaufs als trügerisch, da sie weder die Auswirkungen des Klimawandels noch die des menschlichen Einflusses widerspiegele. Das vermittle ein falsches Gefühl von Wassersicherheit, hieß es in dem Beitrag im Fachmagazin Nature Geoscience.

Tatsächlich stört der Mensch Teilprozesse des Kreislaufes, etwa die Grundwasserneubildung. Talsperren oder Flussbegradigungen ändern den zeitlichen und örtlichen Wasserdurchfluss, was wiederum Auswirkungen auf die Verdunstung und die Versickerung hat. Flüsse verlieren durch eine Begradigung ihr Rückhaltevermögen; die Gefahr von Überschwemmungen steigt. Bebauung versiegelt zudem Böden und macht sie für Wasser undurchlässig. In Deutschland ist das bei etwa 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen der Fall. Regen kann hier nicht versickern. Zudem ist in Städten die Wasserinfrastruktur darauf ausgerichtet, Regenwasser möglichst schnell über die Kanalisation abzuleiten. "Das Wasser gelangt so letztlich über Flüsse wieder ins Meer und bleibt im Kreislauf", sagt Meteorologe Ziese. In den Böden und unterirdischen Reservoiren, den Grundwasserleitern, aus denen Deutschland zu 70 Prozent sein Trinkwasser gewinnt, fehlt dieses Wasser jedoch. Deutschland habe 15,2 Kubikkilometer von 2002 bis 2021 verloren, ermittelten Forscher des Deutschen Geoforschungszentrums (GFZ) mithilfe von Satellitendaten. Sei es durch gesunkene Wasserspiegel oder schwindendes Grundwasser, im Schnitt schrumpften die Vorräte um 0,76 Kubikkilometer pro Jahr.

Weltweit sinken die Grundwasserstände

Ein Befund, der sich mit dem in anderen Regionen weltweit deckt, wie eine in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie belegt: Laut einer Datenanalyse von über 170.000 Grundwassermessstellen und 1.700 Grundwassersystemen in mehr als 40 Ländern haben 71 Prozent der globalen Grundwasserleiter Wasser verloren. In über 30 Prozent der Fälle sanken die Pegel seit dem Jahr 2000 rapide. Eine der wahrscheinlichen Hauptursachen sehen die Hydrologen in der "übermäßigen Entnahme von Grundwasser für die Bewässerungslandwirtschaft". Doch: Grundwasserleiter können sich erholen, wenn entsprechende regulatorische Maßnahmen ergriffen würden, betonen die Forscher, etwa zur Begrenzung von Wasserverschwendung oder für eine weniger wasserintensive Agrarwirtschaft. Auch eine Umgestaltung der Landschaft, sodass Wasser besser versickern kann, helfe, den Schwund zu stoppen und den Wasserkreislauf zu stabilisieren.

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In Deutschland haben die starken Regenfälle seit Herbst 2023 dazu beigetragen, die Wasserspeicher wieder aufzufüllen: Satelliten- sowie Grundwasserpegeldaten deuteten darauf hin, dass die Verluste der letzten sechs Jahre in vielen Regionen ausgeglichen werden konnten, sagt Hydrologe Andreas Güntner vom GFZ. "Wir sind ungefähr wieder auf dem Normalniveau wie vor den Dürrejahren ab 2018". Doch Entwarnung geben will Güntner deswegen nicht: Der Klimawandel schreite voran. Deutschland müsse mehr für sein Grundwasser tun.