Automärkte weltweit : China ist auf der Überholspur
Während Europas und Nordamerikas Pkw-Märkte stagnieren, erlebt China einen automobilen Aufschwung. Die steigende Nachfrage nach E-Autos begünstigt den Trend.
Trotz Klimakrise, Verkehrswende-Debatte und steigender Sprit- und Energiepreise ist die Zahl der Autos weltweit gestiegen. Im vergangenen Jahr wurden global 75,7 Millionen Autos neu zugelassen - ein Anstieg von rund sechs Prozent gegenüber 2022. Auch für dieses Jahr erwartet der Verband der Automobilindustrie (VDA) einen moderaten Anstieg um zwei Prozent auf 77 Millionen verkaufte Autos.
In Deutschland ist das eigene Auto immer noch das beliebteste Verkehrsmittel. Auf 1.000 Einwohner kamen im vergangenen Jahr 580 Autos - ein Rekordhoch. Vor zehn Jahren waren es noch 531 Wagen auf 1.000 Einwohner. Die Zahl der in Deutschland zugelassenen Autos ist deutlich stärker gestiegen als die Bevölkerungszahl. Trotz des Wachstums bezeichnet der VDA die Nachfrage in Deutschland als "relativ schwach". Schuld sei die "träge gesamtwirtschaftliche Lage", erklärt VDA-Sprecherin Eva Siegfried. Auch die im Dezember 2023 ausgelaufene Förderung von E-Autos dämpfe die Nachfrage.
Boomende Märkte in Afrika, Südamerika, Indien und China
Insgesamt sei das Potenzial des europäischen und nordamerikanischen Pkw-Marktes nach Jahrzehnten des Wachstums gering, meint Siegfried. Im Gegensatz dazu boomen die Märkte in Afrika, Südamerika, Indien und China. Während sich im vergangenen Jahrhundert mehr als drei Viertel des Autobestandes in den "alten" Industrieländern befanden, waren es 2023 noch etwa 52 Prozent.
Allein in China wurden im vergangenen Jahr bei etwa 1,4 Milliarden Einwohnern mehr als 25 Millionen Neuwagen zugelassen - mehr als jemals zuvor. Vor zehn Jahren lag die Zahl der im Land zugelassenen Autos insgesamt noch bei rund 105 Millionen. Mittlerweile hat sich die Zahl mehr als verdoppelt; 2023 waren fast 294 Millionen Pkw gemeldet. Laut VDA-Sprecherin Siegfried liegen die Gründe für die steigende Zahl an Autos "vor allem in einer wachsenden Mittelschicht, einem steigenden Mobilitätsbedürfnis und einer aktuell vergleichsweise geringen Kfz-Dichte". So kommen in China auf 1.000 Personen aktuell rund 233 Fahrzeuge.
BYD hat Tesla überholt und ist Weltmarktführer beim Bau von Elektroautos
Global erfolgreich sind die Chinesen auch als Autobauer. Der weltweite Wandel hin zu elektrischen Antrieben spielt dem Land in die Karten. Mittlerweile gehört China weltweit zu den größten Autoexporteuren, neben Ländern wie Deutschland, Japan oder den USA. Der Vorteil chinesischer Autokonzerne: Sie können ihre Autos aufgrund staatlicher Subventionen im globalen Vergleich günstig verkaufen. Gleichzeitig können die chinesischen Marken in der Qualität mit europäischen oder US-Standards mithalten. Die EU-Kommission hat Anfang Juli auf die Subventionen der chinesischen Regierung auf E-Autos mit vorübergehenden Strafzöllen reagiert. In einer Veröffentlichung des EU-Amtsblatts liegen die Aufschläge je nach Hersteller zwischen 17,4 und 37,6 Prozent, zusätzlich zu den bereits geltenden zehn Prozent Einfuhrzoll.
Von den Zöllen betroffen ist unter anderem der chinesische Konzern BYD (Build Your Dreams), der mittlerweile Tesla überholt hat und Weltmarktführer beim Bau von Elektroautos ist. Dass die Automarke aus China vielen Menschen in Deutschland noch unbekannt ist, will der Konzern offenbar zügig ändern. Bei der Fußball-Europameisterschaft trat BYD als Sponsor gut sichtbar in Erscheinung, unter anderem mit Bandenwerbung. Die Chinesen nehmen sich beim Marketing sogar selbst aufs Korn und werben unter anderem mit dem Slogan "Die größte Automarke, von der Sie noch nie gehört haben" ("The biggest car brand, you never heard off").
Immer mehr Autos sorgen für schlechte Luft
Die zunehmende Zahl der Autos hat weitreichende ökologische Folgen. So ist der Verkehr weltweit für rund 20 Prozent aller Emissionen verantwortlich, den größten Anteil daran haben Pkw und Lkw sowie Motorräder. In Abgasen stecken Schadstoffe, die nachweislich negative Folgen auf die Gesundheit haben und Erkrankungen der Atemwege begünstigen, aber auch ein erhöhtes Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko.
Autos mit alternativen Antrieben, vor allem Elektroautos, sind daher auf dem Vormarsch. Laut VDA wird mittlerweile jedes sechste global verkaufte Auto elektrisch angetrieben. Doch auch hier gibt es große Unterschiede: Während in Norwegen der Anteil der verkauften Elektro-Neuwagen im vergangenen Jahr bei über 82 Prozent lag, waren es in China etwa 24 Prozent, in Deutschland etwa 18,6 Prozent.
Neben E-Autos boomen speziell in Asien auch elektrifizierte Zwei- und Dreiräder, die in Großstädten Indiens, Indonesiens oder Vietnams häufig das bevorzugte Verkehrsmittel sind. Vereinfacht wird die Elektrifizierung des Straßenverkehrs dort auch dadurch, dass die elektrischen Zweiräder häufig bereits mit herausnehmbaren Batterien ausgestattet sind. So können leere Batterien an in der Stadt verteilten Stationen gegen volle ausgetauscht werden, die lästige Warterei beim Tanken entfällt.
Ladeinfrastruktur hinkt in Deutschland hinterher
In Deutschland ist die öffentliche Ladeleistung noch ein Problem, das den Wandel zur Elektromobilität bremst. VDA-Sprecherin Siegfried erklärt: "Rund vier von zehn Gemeinden hierzulande verfügen über keinen einzigen öffentlichen Ladepunkt, und über drei Viertel aller Gemeinden haben derzeit noch keinen Schnellladepunkt installiert". Zudem dürften hohe Strompreise den Wandel zur Elektromobilität nicht bremsen - hier sei die Bundesregierung gefordert.
Kritik an der E-Mobilität gibt es dennoch: Umwelt- und Klimaschützer kritisieren, dass die Batterien von Elektroautos Lithium benötigen, dessen Förderung in Ländern des globalen Südens enorm viel Wasser verbraucht. Daher werden auch alternative Antriebe mit Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe erprobt. Bisher sind einige Antriebe nicht genügend erforscht, um sie kommerziell und breitflächig einzusetzen.
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Verschiedene Aggregate werden entwickelt, erprobt und verbessert. Leise, sauber und ohne Ausstoß klimaschädlicher Gase scheint das Elektroauto im Vorteil zu sein.
Die kommenden Jahre werden vermutlich entscheidend sein, um nachhaltige Lösungen für die Mobilität der Zukunft zu entwickeln. Sicher ist, die große Zahl der Autoliebhaber wird die Branche wohl weiter vorantreiben. Welche Konzepte sich am Ende durchsetzen, bleibt abzuwarten.
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