Debatte um das Neun-Euro-Ticket : Die Fahrscheine bitte
Das Neun-Euro-Ticket für drei Monate, das im Sommer kommen soll, entzweit die Ampelkoalition und die Opposition. Die Union nennt das Ticket einen "Marketinggag".
Für neun Euro im Monat mit dem Personennahverkehr durch Deutschland: Von Juni bis August soll dieses Angebot bundesweit gelten.
Für neun Euro im Monat mit Straßenbahn und Bus, S- und Regionalbahn durch die Stadt und übers Land fahren? Zumindest in diesem Sommer soll dieses Schnäppchen-Angebot gelten. Mit dem sogenannten Neun-Euro-Ticket soll der gesamte öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) bundesweit von jedermann zwischen Juni und August genutzt werden können. Um das Unterfangen für Länder und Kommunen als Träger des ÖPNV finanziell zu ermöglichen, soll der Bund in diesem Jahr zusätzliche Regionalisierungsmittel in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Dies sieht der von den Fraktionen der Ampelkoalition vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes vor.
Das Ticket soll einen Anreiz zum Umstieg auf den ÖPNV bieten
Mit dem Neun-Euro-Ticket sollen die Bürger einerseits wegen der stark steigenden Kosten für Strom, Lebensmittel, Heizung und Mobilität finanziell entlastet werden. Zudem soll ein Anreiz zum Umstieg auf den ÖPNV und zur Einsparung von Kraftstoffen gesetzt werden. Die konkrete Ausgestaltung des Tickets soll bei den Ländern liegen.
Darüber hinaus sollen die Länder weitere 1,2 Milliarden Euro als Ausgleich für pandemiebedingte Einnahmeausfälle im Personennahverkehr erhalten. Bereits im Jahr 2020 hatte der Bund die Regionalisierungsmittel um 2,5 Milliarden und 2021 um eine Milliarde Euro zur Finanzierung des Personennahverkehrs erhöht. Nach Prognosen der Branche ist für die Jahre 2020 bis 2022 mit Fahrgeldausfällen von bis zu 10,2 Milliarden Euro zu rechnen.
Der FDP-Abgeordnete Valentin Abel bezeichnete das Neun-Euro-Ticket als eine "Riesenchance". Die Verkehrsverbünde könnten viele Neukunden von den Vorzügen des ÖPNV überzeugen. Laut Umfrage wolle mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland das Ticket nutzen, sagte Abel. In den drei Monaten könnte ein "denkbarer Weg hin zu klimafreundlicher Mobilität" ausprobiert und praktisch getestet werden. Das bevölkerungsreichste Land der EU schaffe damit ein völlig neues Angebot.
Union wirft Koalition "Marketinggag" vor
Bei der Unions- und der AfD-Fraktion wollte sich diese Euphorie über das Ticket nicht einstellen. Die Ampelkoalition verfahre nach dem Motto "Verramschen statt verbessern", monierte der CDU-Abgeordnete Michael Donth. "Dichtere Takte, attraktivere und digitalere Angebote, moderne klimaneutrale Fahrzeuge, aber auch explodierende Energiepreise, Fachkräftemangel" seien die großen Herausforderungen, vor denen der ÖPNV in Deutschland stehe. Die 2,5 Milliarden Euro für ein "Schnäppchenticket" und einen "Marketinggag" würden besser in diese Herausforderungen investiert, mahnte Donth. Neukunden ließen sich so nicht gewinnen, es bestünde eher die Gefahr, treue Kunde zu verärgern.
In diesem Sinne argumentierte auch der AfD-Abgeordnete Mike Moncsek. "Für 30 Cent pro Tag von München nach Rügen oder von Stuttgart nach Sylt - das klingt wie aus dem sozialistischen Wunderland" spottete er. Es sei nicht verwunderlich, dass viele Bürger das Ticket nutzen wollten, in erster Linie allerdings für touristische Reisen und Ausflüge. "Auf Rügen und Sylt schlägt man jetzt Alarm wegen des Neun-Euro-Kundentsunamis, und ganz normale Berufspendler müssen sich um ihren Platz Gedanken machen", warnte Moncsek. Der behauptete Anreiz zum Umstieg auf Bus und Bahn sei "reine sozialistische Propaganda". Der Großteil der arbeitenden Bevölkerung in den ländlichen Regionen, in denen es an einer ausreichenden ÖPNV-Infrastruktur mangele, würden von dem Ticket nicht profitieren.
Der SPD-Parlamentarier Martin Kröber wies diese Kritik zurück. Das Neun-Euro-Ticket sei ein Teil des Entlastungspakets für Bürger mit "sehr kleinen Haushaltskassen". Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine treibe in vielen Bereichen die Preise in die Höhe. "Viele Familien blicken auf ihr Konto und können ihre Rechnungen nicht zahlen. Steigende Heizkosten, Lebensmittelpreise und Kraftstoffpreise bereiten vielen Familien Sorgen", führte Kröber aus. Die Ampelkoalition nehme diese Sorgen ernst. Auch die zusätzlichen Regionalisierungsmittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro als Kompensation für die pandemiebedingten Einnahmeausfälle leisteten einen Beitrag, um einen Preisanstieg im Personennahverkehr zu verhindern.
Grüne für ÖPNV-Ausbau im ländlichen Raum
Auch die Grünen-Abgeordnete Nyke Slawik verteidigte die Pläne. "Es gibt eine große Wahrscheinlichkeit, dass unser Planet sich bereits vor 2026 erstmalig um 1,5 Grad erhitzen wird." Deshalb sei es wichtig, Anreize für eine klimagerechte Mobilität zu schaffen, argumentierte sie. "Das brauchen wir, wenn wir unabhängig werden wollen von Öl-Diktatoren wie Putin und anderen Ölstaaten wie Saudi-Arabien." Zugleich räumte Slawik ein, dass das Angebot im ÖPNV ausgebaut werden müsse, vor allem in den ländlichen Räumen. Darauf habe sich die Koalition in ihrem Koalitionsvertrag auch verständigt.
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Prinzipielle Zustimmung für das Neun-Euro-Ticket kommt aus den Reihen der Linksfraktion, allerdings hält sie die Laufzeit für zu kurz. "Die Begrenzung auf drei Monate, dazu noch in der Ferienzeit, ist mutlos und halbherzig", monierte Bernd Riexinger. Das Ticket müsse mindestens bis Ende des Jahres verlängert werden, um eine breitere Grundlage für eine Evaluation zu erhalten. Viel wichtiger aber sei es, den ÖPNV auszubauen und die Ticketpreise dauerhaft zu senken. Einen entsprechenden Antrag der Linksfraktion überwies der Bundestag ebenso wie den Gesetzentwurf der Regierungskoalition zur weiteren Beratung in den Verkehrsausschuss.
Die Entscheidung über das Neun-Euro-Ticket wird noch in dieser Woche fallen. Am Montag wird sich der Verkehrsausschuss in einer öffentlichen Anhörung mit der Gesetzesvorlage befassen und am Dienstag erneut beraten. Das Plenum wird das Gesetz dann voraussichtlich am Donnerstag mit den Stimmen der Ampelkoalition verabschieden.