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Mobilität im ländlichen Raum : Viel Platz zum Aufladen

Auf dem Land ist Mobilität ohne Auto kaum möglich. Der Ausbau der E-Mobilität kommt dort nicht voran, dabei gäbe es genügend Platz für die nötige Lade-Infrastruktur.

18.07.2024
True 2024-07-18T10:38:22.7200Z
5 Min

Größer könnte der Kontrast nicht sein: Als Schülerin fuhr sie jeden Tag 50 Minuten mit dem Linienbus über Land von ihrem Heimatdorf zur nächstgrößeren Stadt, dann nochmal 20 Minuten Fußweg zur Schule und am Nachmittag das gleiche wieder zurück. Heute wohnt sie in Berlin im Netz zwischen zwei Tramlinien, mit der U2 und der Ringbahn um die Ecke, mit dem Fahrrad sind es 15 Minuten zur Arbeit und wenn nachts mal gar nichts mehr geht, nimmt sie sich ein Carsharing-Auto oder ruft ein Taxi.

Ohne Führerschein und Auto abgehängt

Die Autorin kennt beide Welten nur zu gut: Das vom öffentlichen Nahverkehr abgehängte platte Land, in dem das Auto ultimative Freiheit verspricht. Dort hatte in ihrer Jugend jede und jeder mit spätestens 18 einen Führerschein oder ältere Freunde, Geschwister und geduldige Eltern, die Taxi spielen. Ohne ein (eigenes) Fahrzeug kommt man dort kaum zu einem Liter Milch, an keine Bank, in keine Apotheke, kann keine Bücherei, kein Kino, kein Konzert besuchen.

Foto: picture-alliance/Jochen Tack

Das Auto ist in ländlichen Regionen in Deutschland fast unverzichtbar.

Im Gegensatz dazu sind die großen Städte meist sehr gut angebunden: Alle Dinge des täglichen Bedarfs, Arbeitsplätze und Freizeitangebote sind auch ohne eigenes Auto erreichbar. In dem ein oder anderen Stadtteil, besonders in Großstädten, kann ein eigenes Auto aufgrund von Stau oder dem Mangel an Parkplätzen sogar mehr nerven als nützen.

Landbewohner fühlen sich benachteiligt

Bei der Diskussion um das Verbrenner-Aus, über das Deutschlandticket oder autofreie Sonntage, die immer mal wieder mehr oder weniger nachhaltig geführt werden, wird deshalb insbesondere von Menschen in den ländlichen Gebieten laut Kritik geübt. Zurecht merken sie an, dass sie sich in diesen Debatten benachteiligt fühlen. Während man als Stadtbewohnerin mit dem Deutschlandticket für 49 Euro im Monat bequem den Arbeitsweg bestreiten kann, braucht die Familie auf dem Land vielleicht sogar zwei Autos, um ins Büro oder den Betrieb zu kommen und die Aufgaben der Care-Arbeit zu erledigen.

Während der eine Teil der Bevölkerung gut mit ÖPNV und diversen Sharing-Modellen vom E-Scooter über Vespa bis hin zum SUV für Großeinkäufe oder Wochenend-Trips fast schon überversorgt ist, mangelt es dem anderen Teil meist massiv an tragfähigen Alternativen zum Auto. Umfassende Investitionen in den ÖPNV im ländlichen Raum, die ihn zu einer ernsthaften Alternative machen könnten, sind derzeit nicht in Sicht.

Elektroautos sind für viele Verbraucher zu teuer

Und der Individualverkehr mit dem Auto? Die Zukunft des Straßenverkehrs soll klimafreundlich sein. Und das heißt: elektrisch. Noch sind Elektroautos in der Anschaffung häufig teurer als Pkw mit Verbrennermotor: Oftmals liegen die Kosten zwischen 30.000 und 50.000 Euro. Modelle des oberen Preissegments kosten häufig 80.000 bis 100.000 Euro und ein Haushalt braucht unter Umständen gar mehr als ein Auto, um Arbeit, Alltag, Schulwege und Freizeit stemmen zu können.

Hinzu kommt: Die staatliche Förderung für E-Autos wurde Ende 2023 eingestellt, der sogenannte Umweltbonus gestrichen - Grund war das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Klima- und Transformationsfonds, aufgrund dessen der Bundeshaushalt neu verhandelt werden musste. 2024 gibt es damit keine staatliche Förderung der E-Mobilität mehr. Das schlägt sich offensichtlich auch in der Bereitschaft der Menschen nieder, auf ein E-Auto umzusteigen.

KfW-Studie: Weniger Menschen planen die Anschaffung eines Elektroautos

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In ihrer jährlichen Studie, dem Energiewendebarometer, befragt die KfW-Bank Privathaushalte nach ihren Einstellungen und ihren Bemühungen zur Transformation und Energiewende. In der aktuellen Studie für das Jahr 2023 heißt es, dass es unter den befragten Haushalten eine eher "verhaltene" Entwicklung gebe - der Anteil der Elektroautos liegt mit einem Anteil von 5,7 Prozent etwas über dem Vorjahreswert (fünf Prozent). Doch es planten weniger Menschen die Anschaffung eines Elektroautos in den kommenden zwölf Monaten. Nur 2,9 Prozent gaben an, dies vorzuhaben, im Jahr 2022 waren es noch 5,7 Prozent. Wie es im Energiebarometer heißt, könnte der Grund hierfür die unklare Förderlandschaft zum Befragungszeitpunkt um den Jahreswechsel gewesen sein. Die Neuzulassung der batteriebetriebenen Elektroautos sei zwischenzeitlich von über 100.000 Fahrzeugen im Dezember 2022 auf rund 20.000 bis 40.000 Fahrzeuge in den Monaten Januar bis März 2023 eingebrochen, heißt es von der KfW.

Neben den (noch) hohen Kaufpreisen ist das zweite Problem der E-Mobilität die unzureichende Ladeinfrastruktur. Fehlende Ladesäulen für E-Autos reihen sich dabei in die Reihe der Dinge ein, die in dicht besiedelten Ballungsgebieten leichter verfügbar sind als im ländlichen Raum.

Bedarf an Ladepunkten ist immens

Im Jahr zuvor hatte mehr als die Hälfte der 4.000 von der KfW repräsentativ befragten Haushalte angegeben, sich die Anschaffung eines E-Autos wegen der fehlenden Ladeinfrastruktur nicht vorstellen zu können. Neben fehlenden Ladesäulen waren die geringe Reichweite, lange Ladezeiten und hohe Anschaffungspreise weitere Argumente gegen batteriebetrieben Autos. In ländlichen Regionen gaben zwischen 34 und 38 Prozent der Befragten an, ein Auto grundsätzlich auch auf einem privaten Stellplatz laden zu können. 25 Prozent haben hingegen nach eigener Einschätzung dafür keinen Platz. In den kreisfreien Großstädten erklärten nur 19 Prozent, einen eigenen Ladeplatz organisieren zu können. Der Bedarf an öffentlichen Ladepunkten ist auf dem Land also größer.

Die KfW verwies darauf, dass in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der Elektroautos dreimal stärker gewachsen sei als die Lademöglichkeiten. Es müssen sich nun 23 statt acht Elektroautos einen öffentlichen Ladepunkt teilen. Das liegt deutlich unter der ursprünglichen EU-Zielgröße eines Ladepunkts pro zehn Elektro-Autos.

Bundesregierung forciert Ausbau 

Die Bundesregierung ist im Juni mit einem Kabinettsbeschluss einen neuen Schritt zum Ausbau der Ladeinfrastruktur gegangen und verpflichtet Tankstellenbetreiber, die mindestens 200 Tankstellen führen, dazu, künftig Ladesäulen bereitzustellen. Demnach sollen die Unternehmen ab dem 1. Januar 2028 grundsätzlich an jeder Tankstelle mindestens einen öffentlich zugänglichen Schnellladepunkt mit einer Leistung von mindestens 150 Kilowatt betreiben müssen. Von der Verpflichtung seien voraussichtlich etwa ein Dutzend Unternehmen betroffen, wie es in einem Papier des Verkehrsministeriums heißt. Doch auch was Tankstellen angeht, ist die Dichte auf dem Land deutlich geringer als in der Stadt. Da beißt sich die Katze also in den Schwanz.

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In einem Selbstversuch hat eine Reporterin der Online-Plattform Utopia.de berichtet, wie sich ihr Leben auf dem Land ohne Auto gestaltet. Ihr alter Wagen hatte es nicht mehr durch den TÜV geschafft und die Journalistin beschloss, auf die Anschaffung eines neuen Autos zu verzichten. Ihr Fazit: Mit ein wenig mehr Zeitaufwand für Wege zur Arbeit oder zur Freizeitgestaltung sei ein autofreies Leben auch auf dem Land möglich. Aber: "Für Familien mit kleinen Kindern, Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder Bewohnern von sehr kleinen Dörfern ohne jeglichen Bahnanschluss sieht die Ausgangssituation anders aus", räumt die Reporterin ein.

Da kann ihre Kollegin, die am Anfang bereits erwähnte Autorin dieser Zeilen, nur zustimmen. Dorf ist nicht gleich Dorf und Busanbindung ist nicht gleich Busanbindung. Doch einen Vorteil hat der ländliche Raum: Dort gibt es Platz, viele Menschen haben eine Garage oder einen privaten Parkplatz. An privaten Ladestationen, sogenannten Wallboxen sollte die Verkehrswende auf dem Land also eigentlich nicht scheitern.