Zweite Amtszeit für die Präsidentinnen : Von der Leyen und Metsola wiedergewählt
Das neu gewählte Europäische Parlament hat seine erste Bewährungsprobe bestanden und bestätigt Ursula von der Leyen und Roberta Metsola in ihren Ämtern.
Zwei Präsidenten gewählt, die ersten Debatten absolviert, eine stabile Mitte etabliert: Sechs Wochen nach der Europawahl hat das neu gewählte EU-Parlament seine ersten Bewährungsproben bestanden. Die konstituierende Sitzung am 16. Juli in Straßburg war mit einiger Spannung erwartet worden, schließlich hatte die Wahl viel verändert: 54 Prozent der 720 Abgeordneten sitzen zum ersten Mal im Parlament, die Mitte ist geschrumpft, nach einem Rechtsruck haben sich nun gleich drei Fraktionen am rechten Rand gebildet.
Parlamentspräsidentin Metsola wird mit Rekordergebnis im Amt bestätigt
Was wird das ändern? Weniger als mitunter vermutet, sollte die Wahl der Parlamentspräsidentin am ersten Tag zeigen. Die Abgeordneten bestätigten die maltesische Christdemokratin Roberta Metsola mit einem Rekordergebnis für weitere zweieinhalb Jahre in ihrem Amt. 562 der 623 gültigen Stimmen erhielt Metsola, so viel wie keiner ihrer Vorgänger seit der ersten Direktwahl des Parlaments 1979.
Für die 45-jährige Juristin hatten auch viele Mandatsträger des Rechtsaußen-Lagers votiert, von der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) ebenso wie von der neugegründeten Fraktion Patrioten für Europa.
Nur die Linke-Fraktion schickte eine eigene, chancenlose Kandidatin ins Rennen. Die über Parteigrenzen beliebte Metsola sagte in ihrer Bewerbungsrede, sie werde sich für ein "starkes Parlament" einsetzen: "Ich möchte dazu beitragen, die verbleibende Lücke zwischen den Erwartungen der Menschen an Europa und dem, was wir leisten können, zu schließen."
Bei der Wahl der 14 Vizepräsidenten kamen auch zwei deutsche Politikerinnen zum Zug: Die SPD-Abgeordnete Katarina Barley wurde in ihrem Amt bestätigt, ihre CDU-Kollegin Sabine Verheyen wurde als Nachfolgerin des ausgeschiedenen CDU-Politikers Rainer Wieland zum ersten Mal gewählt. Verheyen erhielt das Bestergebnis von 604 Stimmen, was nur mit Hilfe des Rechtsaußen-Lagers möglich war. Die deutsche FDP-Gruppe stellt erstmals seit längerem keinen Vizepräsidenten mehr, dafür will deren prominenteste Vertreterin Marie-Agnes Strack-Zimmermann Vorsitzende des Verteidigungsausschusses werden. Mit zwei statt bisher einem Vizeposten bedacht wurde die EKR-Fraktion, die größere, extremere Fraktion der Patrioten für Europa ging dagegen leer aus.
Von der Leyen nahm sich Zeit für Einzelgespräche mit Parlamentariern
Höhepunkt der Sitzungswoche war zwei Tage später die Wahl der EU-Kommissionspräsidentin. Im Vorfeld war mit einem knappen Ergebnis für Amtsinhaberin Ursula von der Leyen, der einzigen Kandidatin, gerechnet worden: Dem informellen Mitte-Bündnis von christdemokratischer EVP, Sozialdemokraten (S&D) und Liberalen (Renew) wurde wegen des fehlenden Fraktionszwangs nicht zugetraut, ihre zusammen 401 Abgeordneten so geschlossen abzustimmen zu lassen, dass von der Leyen sicher die erforderliche absolute Mehrheit von 361 Stimmen erreichen würde. Von der Leyen hatte deshalb bis zuletzt bei Parlamentariern um Unterstützung geworben, auch in Einzelgesprächen - ausführlich verabredete sie sich mit den drei Fraktionen des informellen Mitte-Bündnisses, recht intensiv war der Austausch mit den Grünen/EFA, für Gespräche immerhin nahm sie sich auch bei der EKR Zeit.
Der Einsatz lohnte sich: Am Ende erzielte von der Leyen in geheimer Wahl mit 401 von 707 abgegebenen Stimmen, ein solides Ergebnis. Neben den meisten Abgeordneten des Mitte-Bündnisses hatten nach eigenen Angaben auch die Grünen mehrheitlich für von der Leyen votiert, offenbar gab es aber auch Unterstützung von einigen Abgeordneten der EKR. Deren wichtigste Delegation, die rechtspopulistische Fratelli d'Italia der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, versicherte allerdings, nicht für die Präsidentin gestimmt zu haben. Die deutschen FDP-Abgeordneten erklärten ebenfalls, sie hätten die Christdemokratin nicht gewählt - abweichend von der Linie der Liberalen-Fraktion.
EU-Verbot für Verbrenner-Autos könnte wieder gelockert werden
Von der Leyen hatte in kurz vor der Wahl vorgelegten politischen Leitlinien und einer fast einstündigen Bewerbungsrede versucht, ein möglichst breites Spektrum politischer Forderungen abzudecken, um sich die Mehrheit zu sichern. Dabei kündigte die 65-Jährige etwa an, sie wolle das bereits beschlossene, aber umstrittene EU-Verbot von neuen Verbrenner-Pkw ab 2035 durch Ausnahmen für sogenannte E-Fuels lockern. Andere Pläne zielten unter anderem auf Initiativen für günstigeres Wohnen, eine Verdreifachung der Zahl der EU-Grenzschützer und ein Luftverteidigungssystem der EU.
Das Versprechen eines Bürokratieabbaus folgt auf massive Klagen der Wirtschaft, die amtierende Kommission habe mit zu vielen neuen Vorschriften Unternehmen und Bürger überlastet. Der Klimaschutz in der Industrie, Landwirtschaft und bei der Energieerzeugung soll stärker auf das Prinzip der Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet werden. Was aus den nur skizzenhaften Ankündigungen wird, was sich schließlich in Gesetzen realisieren lässt, ist noch nicht absehbar. Das informelle Mitte-Bündnis dürfte sich nicht bei allen Vorhaben einig sein, von Fall zu Fall wird die Kommissionschefin auf Grüne und womöglich auch auf Teile der EKR angewiesen sein - und natürlich auf die Zustimmung der Mitgliedstaaten.
Wahl der Kommissare: Regierungen melden Wünsche an
Von der Leyens nächste Aufgabe ist es, Zuschnitt und Besetzung der 26 Kommissar-Ämter in der neuen Amtsperiode vorzubereiten. Zahlreiche Regierungen haben sich bei ihr schon mit Wünschen nach einflussreichen Ressorts gemeldet, demnächst werden sie in Abstimmung mit der Präsidentin Kandidaten benennen. Am Ende muss das Parlament die Kommissare bestätigen.
Erstmal nimmt sich von der Leyen jetzt aber einige Tage frei. Die Abgeordneten noch nicht. Auf die erste Sitzungswoche folgt nun in Brüssel die erste Ausschusswoche.
Der Autor ist EU-Korrespondent der Funke-Mediengruppe.