Startschuss für die 10. Legislaturperiode : Was diese Woche im Europäischen Parlament passiert
Das Europäische Parlament kommt zu seiner ersten Sitzung zusammen. Die neuen Europaabgeordneten stellen dabei die Weichen für die Parlaments- und Kommissionsspitze.
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Knapp fünf Wochen nach der Europawahl kommt das Europäische Parlament am Dienstag in Straßburg zu seiner konstituierenden Sitzung der 10. Legislaturperiode zusammen. In der bis zum 19. Juli dauernden Plenarwoche wählen die 720 neuen Europaabgeordneten am Dienstag ab 10 Uhr die Spitze des Europäischen Parlaments. Die Wiederwahl der amtierenden Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (EVP) aus Malta gilt als sicher. Anschließend wählt das Parlament 14 Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten.
Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (EVP) könnte noch in dieser Woche vom Europaparlament für eine zweite Amtszeit bestätigt werden. Am Donnerstag soll ab 9 Uhr eine Debatte mit der Amtsinhaberin über ihre Pläne für die Legislatur stattfinden; im Anschluss, gegen 13 Uhr, folgt die Abstimmung. Von der Leyen setzt auf die Unterstützung durch die Europäische Volkspartei, die Sozialdemokraten und die liberale Fraktion Renew, die sie bereits vor fünf Jahren ins Amt gewählt hatten. Rechnerisch stellen die drei Fraktionen 400 Abgeordnete. Einen Fraktionszwang gibt es im Europaparlament jedoch nicht.
Diese acht Fraktionen gibt es im neuen Europaparlament
In der neuen Legislaturperiode gibt es acht Fraktionen, eine mehr als bisher. Sechs der bisher sieben Fraktionen bestehen weiter: Neben der Europäischen Volkspartei (EVP) mit 188 Abgeordneten, der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) mit 136 Mandaten, den Europäischen Konservativen und Reformern (EKR, 83 Abgeordnete) und der liberalen Renew mit 75 Abgeordneten sind das die Grünen/EFA (54 Abgeordnete) und Die Linke (39 Abgeordnete).
Aufgelöst hat sich die Fraktion Identität und Demokratie. Eine Reihe der dort organisierten Parteien haben sich unter dem Dach der neuen Fraktion Patrioten für Europa (PfE, 84 Abgeordnete) zusammengeschlossen. Neu ist auch die Fraktion Europa der souveränen Nationen (ESN, 25 Mitglieder), in der unter anderem die AfD vertreten ist.
Abgeordnete wählen Parlamentsspitze am Dienstagvormittag
Nach der Konstituierung des neuen Parlaments am Dienstagvormittag ab 10 Uhr wählt das Parlament in geheimer Abstimmung seinen Präsidenten für die nächsten zweieinhalb Jahre. Kandidaten konnten bis Montagabend von einer Fraktion oder einer Gruppe von mindestens 36 Mitgliedern vorgeschlagen werden. Für die Wahl benötigt der Kandidat laut Geschäftsordnung des Europaparlaments eine absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, also 50 Prozent plus eine Stimme. Es können bis zu vier Wahlgänge erfolgen.
562 von 720 Stimmen für Roberta Metsola (EVP): Die Europaabgeordneten votierten am Dienstagvormittag für eine zweite Amtszeit der Christdemokratin aus Malta.
14 Vizepräsidenten und 5 Quästoren werden gewählt
Anschließend wählen die Abgeordneten die übrigen Mitglieder des Parlamentspräsidiums, die für den ordnungsgemäßen Ablauf der Arbeit des Parlaments erforderlich sind: 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten. Am Mittwoch folgen dann die fünf Quästoren. Diese fungieren als eine Art Klassensprecher der 720 Abgeordneten und als Bindeglied zwischen Verwaltung und Abgeordneten. Hier können jeweils bis zu drei Wahlgänge stattfinden. In der parlamentarischen Praxis wird darauf geachtet, dass die Vizepräsidenten und Quästoren in etwa die zahlenmäßige Stärke der Fraktionen widerspiegeln.
Die Vizepräsidenten sind für verschiedene Aspekte der parlamentarischen Arbeit, wie etwa Kommunikation, Gebäude oder Infrastruktur zuständig und leiten in Vertretung des Präsidenten die Sitzungen. Die Kandidaten werden wiederum von mindestens 36 Abgeordneten nominiert.
Startschuss für die Ausschüsse am Mittwoch
Am Mittwoch stimmen die Europaabgeordneten über die zahlenmäßige Zusammensetzung der ständigen Ausschüsse, Unterausschüsse und Delegationen ab. Die Nominierungen beschließen die Fraktionen; die Bekanntgabe erfolgt am Freitag im Plenum.
Die Ausschüsse nehmen ab dem 23. Juli in Brüssel ihre Arbeit auf. Dann wählen sie auch die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden. Im Europaparlament muss dabei auf Geschlechterparität und geographische Ausgewogenheit geachtet werden. Die Ausschüsse tagen ein- bis zweimal im Monat öffentlich in Brüssel.
Mehrheit für eine zweite fünfjährige Amtszeit ungewiss: Das Europaparlament entscheidet am Donnerstagmittag, ob Ursula von der Leyen Kommissionschefin bleibt. Die 65-Jährige hat bis zuletzt in den Fraktionen um Unterstützung geworben.
Zweite Amtszeit für von der Leyen? Wahl der Kommissionsspitze am Donnerstag
Nach der Konstituierung wählt das Europaparlament auf Vorschlag des Europäischen Rates den Präsidenten der Europäischen Kommission. Der Europäische Rat, also die Staats- und Regierungschefs, hat am 27. Juni Kommissionspräsidentin von der Leyen für eine zweite Amtszeit vorgeschlagen. Ab 9 Uhr erläutert von der Leyen gemäß der Geschäftsordnung ihre politischen Ziele und Pläne für die nächsten fünf Jahre im Plenum und stellt sich den Fragen der Abgeordneten.
Im Anschluss an die Debatte, ab 13 Uhr, entscheidet das Parlament in geheimer Abstimmung über die Kandidatur von der Leyens. Erhält sie nicht die absolute Mehrheit von 361 Stimmen, müssen die Staats- und Regierungschefs innerhalb eines Monats einen neuen Kandidaten vorschlagen.
Auch auf weitere Personalien hat sich der Rat bereits geeinigt: Die liberale Noch-Ministerpräsidentin Estlands, Kaja Kallas, die am Montag ihren Rücktritt eingereicht hatte, soll danach EU-Außenbeauftragte werden. Sie übernimmt das Amt vom Sozialdemokraten Josep Borrell. Präsident des Europäischen Rates wird der frühere portugiesische Regierungschef António Costa, der von Charles Michel übernimmt.