Systemwettlauf USA - China : Kurs "Frieden durch Stärke" oder Konfrontation?
Nach Jahrzehnten von Ambivalenz in der China-Politik wurden im Wahlkampf Kontraste zwischen Harris und Trump sichtbar. Eine zentrale Rolle nimmt der Außenhandel ein.
Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist das Verhältnis zwischen den USA und China von einer bemerkenswerten Ambivalenz geprägt. Mit seiner historischen Reise nach Peking im Jahr 1972 versuchte der damalige Präsident Richard Nixon, ein versöhnliches Zeichen zu setzen. In den Jahrzehnten danach folgte ein Wechselbad der Gefühle. Militärübungen im südchinesischen Meer und Drohgebärden gegenüber Taiwan versetzten Washington in Alarmbereitschaft. Auch kam es immer wieder zu Vorwürfen seitens der Amerikaner, Peking würde den Wechselkurs der chinesischen Währung Renminbi manipulieren, um Ausfuhren in die USA zu verbilligen.
Nach der Jahrtausendwende gesellten sich neue Konflikte hinzu. Von US-Seite kamen die Vorwürfe des Datenklaus und der Produktpiraterie. Dazu das hartnäckig hohe Handelsdefizit, das die USA seit über 30 Jahren gegenüber China verzeichnen. Der immense Fehlbetrag im Außenhandel war vor allem dem 45. Präsidenten Donald Trump ein Dorn im Auge. Sollte er am 5. November erneut gewählt werden, dann läge ein Handelskrieg zwischen den beiden weltgrößten Wirtschaftsmächten im Bereich des Möglichen. Schließlich hat Trump damit gedroht, sämtliche Importe aus China mit historisch hohen Zöllen zu überziehen.
Kräftemessen: US-Präsident Joe Biden (rechts) und der chinesische Präsident Xi Jinping beim Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) in San Francisco.
Einen weniger rigiden Kurs würde die demokratische Spitzenkandidatin und amtierende Vizepräsidentin Kamala Harris steuern. Sie will die Regierung von Staatspräsident Xi Jinping wegen ihrer protektionistischen Handelspolitik ebenfalls zur Rechenschaft ziehen. Harris würde aber weniger auf Konfrontation setzen. Sie würde an die Doktrin ihres derzeitigen Chefs Joe Biden anknüpfen, und die heißt: Frieden durch Stärke.
Präsident Barack Obama stellte Weichen mit "Pivot to Asia"
Die Weichen für Bidens China-Politik hatte sein früherer Chef Barack Obama gestellt. 2010 hatte Obama den "Pivot to Asia", also den Schwenk in der amerikanischen Sicherheitspolitik vom transatlantischen hin zum transpazifischen Raum, eingeleitet. Auf der einen Seite wollte er die Zusammenarbeit mit Peking verstärken, insbesondere im Kampf gegen die globale Erwärmung. Gleichwohl geißelte er die militärischen Muskelspiele des chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dessen Beharren auf Gebietsansprüchen im süd- und ostchinesischen Meer.
Obama steuerte einen zweigleisigen Kurs und konzentrierte sich auch auf bilaterale Beziehungen in der Region. So verstärkte das Weiße Haus zum einen die Militärbeziehungen mit Ländern wie Australien, Vietnam und den Philippinen. Auch bot Obama an, für das Jahr 2016 beim ASEAN-Gipfel die Rolle des Gastgebers zu übernehmen. Darüber hinaus war er eine der treibenden Kräfte hinter der Gründung der Transpazifischen Partnerschaft (TPP). Das Handelsabkommen mit elf Staaten, China ausgenommen, wurde aber nie Realität. Trump kündigte den Vertrag auf, noch ehe der US-Kongress den Pakt absegnen konnte.
Obamas "Pivot to Asia" litt aber nicht nur unter dem Unilateralismus der Marke Trump und der Tatsache, dass sein Nachfolger die transpazifische Partnerschaft verließ. Chinas Drohgebärden gegenüber Taiwan und der wachsende Handelsüberschuss belasteten zudem das bilaterale Verhältnis zwischen Washington und Peking. Hinzu kamen finanzielle Engpässe. Die Zwangseinsparungen, die der Haushaltskompromiss mit den Republikanern vorgeschrieben hatte, bedeuteten, dass die USA ihre Militärpräsenz in der Region stark einschränken mussten. Washington musste sogar den Gürtel derart eng schnallen, dass Präsident Obama 2016 außerstande war, zum APEC-Gipfel zu reisen.
Hillary Clintons propagierte Plan für "Amerikas pazifisches Jahrhundert"
Umso größer war während der Schlussphase der Obama-Administration das Engagement seiner Außenministerin Hillary Clinton. Auch während ihrer Kampagne zu den US-Präsidentschaftswahlen 2016, bei der sie Trump unterlag, betonte Clinton "Amerikas pazifisches Jahrhundert". Auf den transpazifischen Raum entfalle die halbe Weltbevölkerung, argumentierte sie. Dort Märkte für amerikanische Verbraucher, Unternehmen und Investoren zu erschließen, sei nicht nur für die US-Wirtschaft und speziell den Außenhandel entscheidend, sondern für die gesamte Region von enormer strategischer Bedeutung. Dort gelte es schon deswegen Frieden zu bewahren, um offene Handelswege sicherzustellen.
Ein weiterer Eckpunkt ihrer Politik bestand in einer rigiden Vorgehensweise gegen Nordkoreas Nuklearprogramm. Für die Umsetzung ihrer hochgesteckten Ziele hatte die Demokratin einen Sechs-Punkte-Plan. Dieser bestand zum einen aus einer Verstärkung der bilateralen Beziehungen zu einzelnen Ländern, wobei China besondere Bedeutung beigemessen werden sollte. Weitere Anliegen der früheren Außenministerin und späteren Präsidentschaftskandidatin waren eine deutliche Verstärkung der US-Militärpräsenz und ein größerer Einsatz im Kampf für Demokratie und Menschenrechte.
Clintons ambitionierter Plan endete mit der verlorenen Präsidentschaftskandidatur, doch er war ohnehin auf gemischte Reaktionen gestoßen. Die australische Regierung zum Beispiel lobte den Ansatz. Der Historiker Robert Ross von der Harvard-Universität sah die Dinge aber kritischer. "Das wäre alles sehr gefährlich gewesen. Das massive Engagement des geopolitischen Rivalen USA im eigenen Hinterhof hätte China eingeschüchtert und verunsichert", ist der Experte überzeugt. Er vermutet, dass Peking mit Aggressivität reagiert hätte, es zu regionalen Unruhen gekommen wäre und Hoffnungen auf eine bilaterale Kooperation auf der Strecke geblieben wären.
Steigen die Abgaben für chinesische Einfuhren unter Trump auf 60 Prozent?
Unterdessen hat die China-Politik während des laufenden Präsidentschaftswahlkampfs eine vergleichsweise untergeordnete Rolle gespielt. Gleichwohl haben beide Kandidaten ihre Position mehr oder minder deutlich artikuliert. Dabei nimmt der Außenhandel eine zentrale Rolle ein. Schließlich belief sich das bilaterale Defizit der USA gegenüber China im Handel mit Waren 2023 auf fast 280 Milliarden Dollar.
Der "neue republikanische Protektionismus" von 2017 bis 2020 wurde in der Person des 45. Präsidenten Trump verkörpert. Er überzog das Reich der Mitte mit 380 Milliarden Dollar an Abgaben auf Importe. Im Falle eines Wahlsieges will Trump nun sogar noch nachlegen, ungeachtet der Warnungen, die zahlreiche Ökonomen ausgesprochen haben. Sollte er im Januar die Nachfolge von Präsident Joe Biden antreten, dann hat er angedroht, die Abgaben für Einfuhren aus China auf 60 Prozent anzuheben.
Harris steht für die Beibehaltung der "One China"-Politik
Mit Blick auf die Schlussphase des Wahlkampfs sind die Zölle für Trumps Konkurrentin Harris ein gefundenes Fressen. Sie geißelte Trumps Pläne. Diese seien nichts anderes als "eine unzumutbare Mehrwertsteuer auf Güter des täglichen Bedarfs", sagte sie. Zudem hat Harris ihre sicherheitspolitischen Pläne deutlich artikuliert.
Sie tritt für die Beibehaltung der "One China"-Politik ein, die seit 1972 ein Eckpfeiler der US-Strategie im asiatisch-pazifischen Raum ist. Demnach erkennen die USA nur die Volksrepublik China an, respektieren aber ebenso Taiwans Recht auf politische Autonomie und Selbstverteidigung. Zweifel bestehen jedoch, inwieweit sie Bidens Versprechen, Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch zu verteidigen, tatsächlich nachkommen würde. Trump versucht hingegen, auch in der Geopolitik kaufmännische Prinzipien einzusetzen. "Wenn wir Taiwan zu schützen und zu verteidigen haben, dann sollten sie uns dafür bezahlen", hat er wiederholt betont und würde dies wohl auch im Falle eines Wahlsiegs umsetzen.
Der Autor ist Washington-Korrespondent der "Börsen-Zeitung".
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