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Zwei Kontrahenten, die sich nichts schenken: Donald Trump und Kamala Harris haben sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft der Vereinigten Staaten.

Wohin steuert Amerika? : Duell mit harten Bandagen

Der US-Wahlkampf zwischen Donald Trump und Kamala Harris ist einer der härtesten der Geschichte. Wofür stehen die beiden Kandidaten?

30.10.2024
True 2024-10-31T17:26:00.3600Z
6 Min

Die Euphorie war riesig. Als Kamala Harris im Sommer von Joe Biden die Präsidentschaftskandidatur übernahm, erwachte die Demokratische Partei aus einem depressiven Dämmerzustand. Auf einmal fühlte sich alles nach Aufbruch an. Die US-Vizepräsidentin verkörperte den Generationswechsel und ließ den 18 Jahre älteren Kandidaten Donald Trump plötzlich alt aussehen. Harris, so hieß es schnell, sei die Entscheidung für die Zukunft, Trump für die Vergangenheit.

Die Entscheidung der Kalifornierin für Tim Walz als Vize-Präsidentschaftskandidat, den volksnahen Gouverneur von Minnesota, wurde als sinnvolle Ergänzung zu ihrem Portfolio gelobt. Der frühere Football-Highschool-Lehrer sollte Menschen im Mittleren Westen ansprechen - und vor allem Männer, die verhaltener auf die Idee einer historischen Premiere im Weißen Haus reagierten. Alles in allem gilt er als eher moderat. Ursprünglich stammt er aus dem ländlichen Nebraska, arbeitete im Sommer in der Landwirtschaft und ist ein begeisterter Jäger. Mit 17 Jahren meldete er sich als Freiwilliger bei der Army National Guard, wo er 24 Jahre lang diente. Walz wurde sogar von der waffenfreundlichen National Rifle Association (NRA) unterstützt - bis er sich nach dem Schulmassaker in Parkland/Florida vor sechs Jahren für ein Verbot von Angriffswaffen aussprach.

Bei den eigenen Plänen bleibt das Team Harris/Walz bewusst vage

Auch Harris spricht in diesem Wahlkampf überraschend offen darüber, dass sie eine Waffe besitzt und diese auch benutzen würde. Gleichzeitig unterstützt die Organisation "March for Our Lives" ihre Kampagne - das erste "endorsement" dieser Protestbewegung, die sich als Reaktion auf die wachsende Zahl von Schulmassakern gegründet hat und für schärfere Waffengesetze einsetzt.

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Dass Harris, Amerikas erste Vizepräsidentin und die erste schwarze und indischstämmige Frau in diesem Haus, endlich den Traum einer US-Präsidentin Wirklichkeit werden lassen könnte, hoffen vor allem Frauen. Hillary Clintons überraschende Niederlage vor acht Jahren gegen Trump war ein Schock für sie - nun soll es Harris richten. In den letzten Wochen vor der Wahl sind die Befürchtungen indes gewachsen, dass es wieder nicht klappen könnte. Falls es so kommt, könnte es daran liegen, dass viele US-Bürger bis zuletzt rätselten, was das Duo Harris/Walz im Fall eines Wahlsiegs genau machen will.

Die ehemalige Staatsanwältin Harris konzentriert sich im Endspurt darauf, die Gefahren auszumalen, die eine Rückkehr des "Faschisten" Trump mit sich bringen würde. Zu ihren Plänen äußert sie sich eher vage. Dahinter steckt durchaus eine Strategie: Je weniger sie sich auf konkrete Vorgaben festlegt, umso weniger können sie vorzeitig in der Luft zerrissen werden. Und dennoch bleibt bei vielen ein Gefühl zurück, dass unklar sei, wofür Harris stehe. Ein besonderes Problem von Harris: Sie ist Teil der in Umfragen schlecht bewerteten Biden-Regierung und hat sichtlich Schwierigkeiten, die Frage zu beantworten, was sie anders als der amtierende Präsident machen würde.

Außenpolitisch sind Unterschiede zu Biden kaum zu erkennen

Was bisher von Harris' Plänen bekannt ist, zeigt eher graduelle Unterschiede zu der Politik Bidens. In ihrer Dankesrede nach ihrer Kür auf dem Parteitag versprach die Vizepräsidentin Hypothekenhilfen für Erstkäufer von Wohneigentum, eine Steuergutschrift für Eltern von Neugeborenen und ein Verbot von Preisabzocke im Lebensmittelhandel, um die Inflation zu bekämpfen. Sie wolle eine "Wirtschaft der Möglichkeiten" schaffen, in der jeder eine Chance hat, sich zu behaupten und erfolgreich zu sein. Auch versprach sie, Steuersenkungen für die Mittelschicht, die mehr als 100 Millionen Amerikanern zugute kommen sollen. Bidens Vorschlag, die Steuern für Amerikaner mit einem Einkommen von weniger als 400.000 Dollar nicht zu erhöhen, unterstützt sie. 

Sie will zudem für die Wahlfreiheit von Frauen kämpfen und hat für den Fall, dass der Kongress ein bundesweites Abtreibungsrecht verabschiedet, angekündigt dieses zu unterschreiben. In Einwanderungsfragen ist Harris konservativer geworden und spricht inzwischen viel davon, den Grenzschutz auszubauen. Außenpolitisch sind die Unterschiede zu Biden noch weniger zu erkennen. Harris, die schon dreimal an der Münchner Sicherheitskonferenz teilgenommen hat, hat wie er versprochen, die Ukraine zu unterstützen, "solange es nötig ist". Im Nahost-Konflikt ermahnt sie den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu etwas expliziter, mehr für den Schutz der Zivilisten in Gaza zu tun. Ein Waffenembargo gegen Israel, das einige Linke in den USA fordern, hat sie nicht unterstützt.

Foto: picture alliance / Anadolu | Peter Zay / picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Adam Bettcher

"Running mates": J.D. Vance (links) von den Republikanern und Tim Walz von den Demokraten könnten im Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Trump und Harris den entscheidenden Vorteil herausholen.

“Verbrecher/Hinterwäldler”: So werben Trump und Vance für sich

Es ist eines der T-Shirts, die besonders gut laufen könnten. "Fellon/Hillbilly" steht da drauf. Und: "Make America Great Again 2024". Wer mit den Schlagworten "Verbrecher" und "Hinterwäldler" für sich wirbt, und damit Amerika wieder zu alter "Größe" zurückzuführen verspricht, meint zu wissen, wer seine Wähler sind. Adressiert werden die MAGA-, die überzeugten Anhänger des Ex-Präsidenten Trump - die längst auch dessen "running mate" J.D. Vance ins Herz geschlossen haben.

Gegen Trump, US-Präsident von 2017 bis 2021 und zum dritten Mal in Folge Kandidat der Republikanischen Partei, wurde zweimal ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Als erster ehemaliger US-Präsident wurde der 78-Jährige zudem wegen eines Kapitalverbrechens verurteilt. Ein New Yorker Geschworenengericht befand ihn in allen 34 Anklagepunkten für schuldig, die Wahl 2016 durch eine Schweigegeldzahlung an eine Pornodarstellerin, die behauptete, die beiden hätten Sex gehabt, unrechtmäßig beeinflusst zu haben. Gegen ihn laufen drei weitere Anklagen unter anderem wegen seiner Bemühungen, den Ausgang Wahl 2020 nachträglich zu kippen. Auf seine Wähler scheint das keine Wirkung zu haben. Sie glauben seiner Argumentation, dass die Demokraten die Justiz dazu benutzen, ihn politisch aus dem Verkehr zu ziehen. Genauso wie Umfragen zufolge zwei Drittel der republikanischen Wähler der Aussage zustimmen, dass die Wahl 2020 "gestohlen" worden sei. Das verspricht nichts Gutes für den Fall einer erneuten Niederlage Trumps.

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Eines der wichtigsten Wahlversprechen Trumps ist es, die Inflation zu beenden "und Amerika wieder erschwinglich machen". Dafür will er die Energieproduktion in den USA ausweiten ("Drill, baby, drill") und geschützte Gebiete wie die arktische Wildnis für Ölbohrungen öffnen, was seiner Meinung nach die Energiekosten senken würde. Außerdem verspricht er umfangreiche Steuersenkungen und spricht von neuen Zöllen in Höhe von bis zu 20 Prozent auf die meisten Importe ausländischer Waren. Trump hat versprochen, die Grenze durch die Fertigstellung der Mauer zu Mexiko abzuriegeln und die größten Massenabschiebungen von Migranten ohne Papieren in der Geschichte der USA anzuordnen.

Trump will die USA aus Konflikten in anderen Ländern raushalten

Außenpolitisch vertritt er einen isolationistischen Ansatz und fordert, dass sich die USA aus Konflikten in anderen Teilen der Welt heraushalten sollen. Den Krieg in der Ukraine meint er, "innerhalb von 24 Stunden" durch eine Verhandlungslösung mit Russland beenden zu können. Mit Blick auf die Nato ist er der Meinung, dass Länder, die nicht die versprochenen zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben, der Schutz entzogen werden könnte. 

Vance, erst seit 2023 für Ohio im US-Senat, war vor seiner politischen Blitzkarriere als Erklärer des vernachlässigten Amerikas bekanntgeworden. Sein Buch "Hillbilly-Elegie", in dem er die Geschichte seiner in Armut lebenden Familie nacherzählt, wurde ein Bestseller und anschließend ein erfolgreicher Kino-Film. Als Vance dies vor acht Jahren schrieb, war er kein Anhänger von Trump. Jetzt gibt er sich als glühender Fan.

"Project 2025" - Pläne für eine radikale Umgestaltung der Regierung

Der 40-Jährige ist bei seinen Auftritten konzentriert und fokussiert sich stark auf die aus republikanischer Sicht wichtigsten Wahlkampfthemen Migration und Inflation.

Besondere Aufmerksamkeit ziehen Vances Verbindungen zu Kevin Roberts auf sich, dem Chef der Heritage Foundation. Unter Roberts' Regie hat die rechtskonservative Denkfabrik in Washington DC "Project 2025" erarbeitet, ein konservatives politisches Konzept für eine künftige republikanische Regierung. Auf rund 900 Seiten wird darin eine radikale Umgestaltung der Regierung dargelegt. Dazu gehören Pläne zur Auflösung mehrerer Bundesbehörden. Auch sollen viele Beamte ihren Sonderstatus verlieren, sodass sie leicht gegen loyale Mitarbeiter ausgetauscht werden können.

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Angesichts großer medialer Aufregung hat sich Trump davon distanziert. Aber Vance hat ein sehr positives Vorwort zu einem Buch von Roberts geschrieben, das nun zwar erst nach der Wahl erscheinen soll, aber in Teilen geleakt wurde. Die Demokraten versuchen, dieses Thema im Bewusstsein der Wähler zu verankern und sie mit Warnungen vor einer zunehmend radikalen Bewegung von der konservativen Konkurrenz abzuwerben.

Die Autorin ist US-Korrespondentin für den “Tagesspiegel”