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Foto: picture alliance / Jasper Colt USA TODAY
Nach seiner Rede übergibt Präsident Wolodymyr Selenskyj, US-Vizepräsidentin Harris eine von Soldaten unterschriebene Fahne der Ukraine.

Zukunft der Ukraine-Unterstützung : Banger Blick in die USA

Wie die Ukraine-Unterstützung der USA nach den Wahlen konkret aussehen wird, ist unklar. Europa wird mehr Verantwortung übernehmen müssen.

28.10.2024
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3 Min

Die Ukrainerinnen und Ukrainer kämpfen stellvertretend für die ganze Welt gegen Putins autokratisches Regime, um auch andere Aggressoren in Schach zu halten." Mit dieser Botschaft war der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 21. Dezember 2022 nach Washington gereist, um im US-Kapitol vor beiden Kammern des Kongresses zu sprechen. Nach seiner Rede erhoben sich die US-Politiker und spendeten Selenskyj minutenlang Applaus.

Knapp zwei Jahre später scheint die Unterstützung für das von Russland überfallene Land zu bröckeln. Als Präsident Selenskyj Ende September die USA besuchte, war lange nicht klar, ob sich führende republikanische Politiker überhaupt mit ihm treffen würden, da die Fraktion über die weitere Unterstützung der Ukraine uneins war. Bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung blieben viele Stühle leer.

Es ist unklar, ob die USA größter Unterstützer der Ukraine bleiben

Mit bangem Blick verfolgen die Ukrainer die Entwicklungen in den USA. Das Land ist der größte Einzelunterstützer, der US-Kongress hat seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 fünf Hilfspakete mit einem Umfang von 175 Milliarden US-Dollar verabschiedet. Im Vergleich: Deutschland hat in dem Zeitraum Militärhilfen in Höhe von etwa 28 Milliarden Euro geleistet. Nicht nur den Ukrainern, sondern allen in Europa ist bewusst, dass sich der Kontinent in Zukunft stärker um sich selbst kümmern muss, egal, ob Kamala Harris oder Donald Trump das Rennen um das Weiße Haus gewinnen werden.

Welche Szenarien es dazu gibt, hat Dominik Tolksdorf, Experte für transatlantische Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), beschrieben. Auch bei einem Wahlsieg von Kamala Harris würde die US-Regierung eine stärkere Rolle der Europäer bei der Unterstützung der Ukraine einfordern. Das hieße, Europa müsste sich finanziell stärker als bisher an den Ukraine-Hilfen beteiligen.

Trump-Administration könnte Verhandlungen über einen Waffenstillstand anstoßen 

Bei einer Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus wäre die Ukrainepolitik "um vieles unberechenbarer als unter Biden", schreibt Tolksdorf. Trump sei der Auffassung, dass die Europäer viel mehr finanzielle und militärische Unterstützung leisten müssten, da das Überleben der Ukraine für sie wichtiger als für die USA sei.

Eine Trump-Administration könnte daneben Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit Russland anstoßen, die die territoriale Integrität der Ukraine infrage stellten. Trump könnte dabei versuchen, die Ukraine zu Verhandlungen zu drängen, indem er droht, andernfalls jegliche US-Unterstützung auszusetzen.

Zudem könnte Trump die Europäer unter Druck setzen, sich seiner Initiative anzuschließen, indem er ankündigt, andernfalls die US-Verpflichtung gegenüber der NATO-Bündnisverteidigung aufzuheben. Die vollständige Einstellung der US-Hilfe an die Ukraine gilt als Worst-Case-Szenario.

SPD bringt diplomatische Lösung ins Spiel

Auch in Deutschland beherrschen die Themen Verhandlungen und Waffenstillstand seit Monaten die politische Debatte. Angestoßen hatte sie Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, als er sich im März für eine diplomatische Lösung des Ukraine-Kriegs aussprach. In Kiew wird befürchtet, ein Waffenstillstand könnte zum Einfrieren des Konfliktes führen. Auch Experten wie Claudia Major - sie leitet die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) - sind alarmiert.

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Major warnte bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung davor, jene Fehler zu wiederholen, die bei den Minsker Abkommen von 2014 und 2015 zwischen Russland und der Ukraine gemacht wurden. Das Abkommen, das in der weißrussischen Hauptstadt Minsk vereinbart wurde, sah nach der Annexion der Krim durch Moskau die Beendigung des Kriegs im Donbass sowie die Beilegung des politischen Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine vor. Was tatsächlich geschah, war ein Verstetigen der russischen Besatzung in ukrainischen Gebieten und das Bevorteilen Russlands, stellte Major fest. Die politischen Fragen hinter dem Konflikt seien ungeklärt geblieben. Russland halte an seinen Zielen fest und lehne eine unabhängige ukrainische Identität und Staatlichkeit ab.

Ukraine hat Westorientierung festgelegt

Die Ukraine hingegen hat für sich spätestens seit 2014 geklärt, dass sie ihre Zukunft in Europa, im Westen sieht. Deutschland hat die EU-Integration zuletzt stark unterstützt. Das hat gravierende strategische Folgen: Bei der Beilegung des Krieges geht es nicht nur um die Ukraine, sondern um die zukünftige Grenze zwischen der Europäischen Union und Russland. Und es sieht so aus, als wollten die USA in dieser Frage nicht die führende Rolle spielen, sondern es den Europäern überlassen.