Grenzen schließen, Migranten deportieren? : Wahlkampf mit Hass und Hetze
Donald Trump hat im US-Wahlkampf den Ton in der Debatte um illegale Migration massiv verschärft. Welche Folgen hätten seine Abschiebepläne?
Zwei Männer überwinden im US-Bundesstaat Michigan einen Drahtzaun. Asylsuchende warten dahinter an der Grenzmauer, die Mexiko und die USA trennt, auf ihre Registrierung.
Kein Thema hat Donald Trump im Präsidentschaftswahlkampf so forciert wie die illegale Einwanderung. Bei keinem anderen Thema, mit Ausnahme der hohen Verbraucherpreise und der Inflation, war seine Widersacherin Kamala Harris bis zuletzt so sehr in der Defensive.
Trump bringt Rassismus in den Wahlkampf
Der Ex-Präsident beschreibt sein Land als von Schwerverbrechern, Mördern, Vergewaltigern und Geistesgestörten überrannt. Er nennt die Asylsuchenden "Tiere" und menschlichen "Müll". Amtsinhaber Joe Biden und seiner Stellvertreterin wirft er vor, seit 2021 etwa 25 Millionen Flüchtlinge unkontrolliert über die amerikanisch-mexikanische Grenze ins Land gelassen zu haben. Die meisten davon seien kriminell und gefährlich. Nur die "größte inländische Abschiebeaktion in der amerikanischen Geschichte" könne die Misere beenden, so Trump.
Obwohl das Heimatschutzministerium von insgesamt rund 11,5 Millionen Menschen ohne entsprechende Aufenthaltsberechtigungen spricht, verfängt in Umfragen Trumps Horrorszenario von einer "Nation am Abgrund", weil die Demokraten angeblich die Grenzen geöffnet hätten.
Zahl der illegalen Migranten ist zuletzt deutlich gesunken
Aber stimmt das so? In Trumps letzten Amtsmonat im Januar 2021 wurden laut US-Grenzschutz 75.000 Asylsuchende entlang der 3.400 Kilometer langen Grenze registriert. Im Juli dieses Jahres lag die Zahl bei 57.000. Bereits seit Februar hat es zwischen San Diego im äußersten Westen und Brownsville im grenznahen Süden von Texas von Monat zu Monat immer weniger illegale Einwanderung gegeben. Als Gründe dafür nennen Migrationsexperten unter anderem die Einführung einer Handy-App, mit der Flüchtlinge sich vor Einreichung ihres Asylgesuchs bei den US-Behörden anmelden müssen. Andernfalls werden sie zurückgeschickt.
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Flüchtlinge aus Latein- und Mittelamerika sollen von einer rigideren Asylpolitik der US-Regierung abgehalten werden. Ob das funktioniert, ist fraglich.
Parallel dazu hat die Biden-Regierung mit Mexiko Maßnahmen vereinbart, welche die Zahl der ankommenden Armutsflüchtlingen aus Latein- und Mittelamerika an der US-Grenze senken sollen. Im Heimatschutzministerium in Washington erwarten Experten, dass die neue mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum mit einer Präsidentin Kamala Harris "unaufgeregter und zielorientierter zusammenarbeiten würde", als dies unter Trump möglich wäre.
Ex-Präsident ließ Einwanderungsreform bewusst platzen
Der 78-Jährige hat dem Nachbarland mit einem Einsatz des US-Militärs gegen die Drogenkartelle gedroht. Anfang 2024 ließ er zudem eine überparteilich ausgehandelte Reform der Einwanderungspolitik, die etwa die beschleunigte Rückführung von nicht asylberechtigten Flüchtlingen und 1.500 Grenzschützer zusätzlich vorsah, aus taktischen Gründen scheitern. Trump wollte mit dem Thema Wahlkampf machen.
Darum verschärfte er den Sommer über seine Rhetorik, sprach von Schmarotzern, die Amerikanern "die Arbeitsplätze wegnehmen" und "das Blut unseres Landes vergiften". Dass Trump nach Überzeugung vieler Experten mit seinem Abschiebeplan die Wirtschaft zum Absturz bringen, Familien und Nachbarschaften zerreißen sowie Polizei und Justiz in einen Alptraum stürzen würde, blieb unterbelichtet.
Heimatschutz-Experte: Vorschläge auf der praktischen Ebene “nahezu unmöglich”
Geht es nach Trump, sollen bewaffnete Truppen von Militär, Nationalgarden, lokalen Sheriffs- und Polizei-Departements zusammen mit den Fahndern der Behörde "Immigration and Customs Enforcement" (ICE) in allen 50 Bundesstaaten in Gemeinden eindringen, an Türen klopfen, Arbeitsplätze und Wohnungen durchsuchen und mutmaßliche Einwanderer ohne Papiere willkürlich verhören, festnehmen, internieren und so zügig wie möglich per Flugzeug außer Landes bringen.
Auf der praktischen Ebene sei das "nahezu unmöglich", sagt der frühere Heimatschutz-Experte John Sandweg. Szenen von Massenverhaftungen würden das Land erschüttern und einen öffentlichen Aufschrei erzeugen. Ein anderer Grund: Über ein Dutzend Bundesstaaten und über 200 Kommunen sind "sanctuary cities" - also "Zufluchtsstädte", die eine Kooperation mit den Abschiebungsbeamten der ICE ausschließen.
Trumps Abschiebepläne: Teuer und realitätsfern?
Nach einer Studie des rechtsorientierten "American Action Forum" würden die Abschiebung von elf Millionen Illegalen rund 265 Milliarden Dollar verschlingen. Bei 25 Millionen Menschen stiege der Betrag auf über 500 Milliarden Dollar. Unvorstellbar, dass der Kongress solche Summen bewilligen würde, sagen Experten. Realitätsfern, finden Migrationsforscher der Georgetown-Universität, sei die Deportationsidee auch aus anderen Gründen.
Das Gros der illegalen Migranten lebt seit zehn, 15 Jahren in der Regel unbescholten in den USA, geht geregelter Arbeit nach, zahlt Steuern, finanziert die sozialen Sicherungssysteme mit und schickt seine Kinder auf den amerikanischen Bildungsweg. Diese Menschen in kurzer Zeit ausfindig zu machen und bis zur Abschiebung in neu zu bauenden Internierungslagern entlang der amerikanisch-mexikanischen Grenze unterzubringen, ist nach Angaben von Anwälten in Washington, die beruflich mit dem Thema zu tun haben, "absolut illusorisch". Auch weil rund 3,5 Millionen illegale Einwanderer minderjährige Kinder haben, die - weil in den USA geboren - amerikanische Staatsbürger sind.
Folge der Ausweisung wäre Fachkräftemangel
Der wichtigste Grund, auf den Kamala Harris und die Demokraten zuletzt häufiger zu sprechen kamen, liegt in der Wirtschaft. Die massenhafte Ausweisung würde nach Berechnungen von Robert J. Shapiro, einst Unterstaatssekretär für Handel in der Regierung von Bill Clinton, eine Rezession auslösen und die Inflation anheizen. Die US-Wirtschaft würde durch einen Mangel an Niedriglohnarbeitern massiv schrumpfen, zitiert ihn das Magazin "Mother Jones". Viele Wirtschaftszweige sind auf "undocumented immigrants" angewiesen, weil alteingesessene Amerikaner für die teils körperlich schwere und mäßig bezahlte Arbeit nicht zur Verfügung stehen.
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Wer nach den Wahlen im Senat und im Repräsentantenhaus die Mehrheit hat, ist völlig offen. Davon hängt aber die politische Beinfreiheit des nächsten Präsidenten ab.
Am stärksten betroffen wäre die Landwirtschaft, in der die Hälfte der Arbeitskräfte illegal sind. Pierre Mérel von der "University of California" in Davis, prophezeit, dass die arbeitsintensive Obst- und Gemüseernte extrem betroffen sein würde. Ein 50-prozentiger Rückgang des Arbeitskräfteangebots in der Landwirtschaft, so seine Studie, würde zu einem Preisanstieg von circa 20 Prozent für handgepflückte Feldfrüchte führen.
Im Falle eines Wahlsieges von Kamala Harris würde es dazu nicht kommen. Die Demokratin hat angekündigt, eine bessere Balance zwischen humanitären Asylbeweggründen und den Aufnahmekapazitäten der USA zu finden.
Der Autor ist US-Korrespondent der Funke-Mediengruppe.