Iran : "Warme Worte reichen nicht mehr aus"
Der Bundestag verurteilt die Gewalt gegen die Proteste und würdigt den Mut iranischer Frauen zur Auflehnung gegen das Machtsystem der Mullahs.
Der Bundestag hat die gewaltsame Niederschlagung regimekritischer Demonstrationen im Iran über die Fraktionsgrenzen hinweg verurteilt und den Mut insbesondere iranischer Frauen zur Auflehnung gegen das Machtsystem der Mullahs gewürdigt. "Die iranischen Behörden müssen ihr brutales Vorgehen gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten unverzüglich einstellen", sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in einer Aktuellen Stunde, die auf Verlangen der Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP auf die Tagesordnung gesetzt worden war.
Proteste ausgelöst durch den Tod der 22 Jahre alten Mahsa Jina Amini
Die seit Tagen anhaltenden Proteste waren vom Tod der 22 Jahre alten Mahsa Jina Amini ausgelöst worden. Sie war wegen eines vorgeblichen Verstoßes gegen die strenge islamische Kleiderordnung von "Sittenwächtern" in festgenommen worden und wenig später unter ungeklärten Umständen gestorben. Baerbock sprach von einem "entsetzlichen Verbrechen", das "nichts, aber auch gar nichts mit Religion oder Kultur zu tun" habe. Sie kündigte an, im Kreis der EU-Staaten Sanktionen gegen jene auf den Weg bringen zu wollen, "die ohne Rücksicht Frauen im Namen der Religion zu Tode prügeln, Demonstranten erschießen".
Annette Widmann-Mauz (CDU) sprach von "einem Kulturkampf für gesellschaftliche Veränderungen", in dem Frauen die treibende Kraft seien. "Die Brutalität und die Härte, mit denen das Regime gegen sie vorgeht, zeigen, wie sehr Despoten Frauen fürchten, die ihre Stimmen erheben und für ihre Rechte kämpfen." Widman-Mauz mahnte eine wirksame "Frauenaußenpolitik" und konkrete Schritte der Bundesregierung an. Der Druck auf den Iran müsse erhöht werden. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seiner jüngsten Rede vor der UN-Vollversammlung die Proteste im Iran nicht mit einem einzigen Satz angesprochen habe, sei "wirklich mehr als beschämend", sagte Widmann-Mauz.
Gabriela Heinrich (SPD) nannte den Zwang zum Schleier das "sichtbarste Symbol einer systematischen Repression" im Iran. Es gehe dabei nicht um Religion. "Hier geht es um Kontrolle - über die Körper, über die Selbstbestimmung und über die Freiheit von Frauen." Heinrich forderte eine unabhängige Untersuchung des Falls. Die Bundesregierung bringe diesen in den UN-Menschenrechtsrat, die EU werde über Konsequenzen beraten, darunter gezielte Sanktionen gegen Verantwortliche.
Jürgen Braun (AfD) sprach von einer Vorgeschichte, die ins "Herz der europäischen Linken" führe: So sei der Ayatollah Khomeini in seinem Pariser Exil von Vertretern der 68-Generation hofiert worden. Seine Machtergreifung, "eine der größten Katastrophen des letzten Jahrhunderts", sei vom "Erzgrünen" Joschka Fischer verklärt worden. Dass die Menschen im Iran heute auf der Straße sterben, habe "sehr wohl mit dem frauen- und menschenverachtendem Islam und auch mit den jahrelangen Beschwichtigungen von links zu tun".
FDP: "Fundamental andere Iranpolitik" nötig
Bijan Djir-Sarai (FDP) forderte eine "fundamental andere Iranpolitik". "Solidarität und warme Worte reichen nicht mehr aus." Man könne nicht ständig nur über ein Atomabkommen reden, während im Iran seit vielen Jahren eklatante Menschenrechtsverletzungen stattfänden. Der "naive Kuschelkurs" Europas müsse enden, personenbezogenen Sanktionen sollten verhängt werden. "Die Führung der Islamischen Republik muss wissen, dass die Weltöffentlichkeit nichts vergisst."
Gökay Akbulut (Die Linke) verurteilte die iranische "Staatsgewalt auf das Schärfste". Der Ampelkoalition indes warf sie einen "Kuschelkurs" gegenüber dem Iran, Saudi-Arabien und der Türkei. "Im Großen und Ganzen geht es hier wieder um Profite und geostrategische Interessen." Akbulut sprach sich dafür aus, die Unterdrückung von Frauen im Iran in Deutschland als Asylgrund anzuerkennen und Abschiebungen in den Iran zu stoppen.
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