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Simon Wendt im Interview : Was wurde aus Black Lives Matter?

Der Historiker über Vorbilder und Erfolge von Black Lives Matter - und was Donald Trump mit der schwindenden Unterstützung für die Protestbewegung zu tun hat.

28.10.2024
True 2024-10-28T16:49:38.3600Z
3 Min

Herr Wendt, 2013 löste der Freispruch eines Nachbarschaftswächters, der den schwarzen Teenager Trayvon Martin in Sandford, Florida, erschossen hatte, eine Welle des Protests aus. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich unter dem Hashtag #Black Lives Matter eine internationale Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt. Wie lässt sich dieser Erfolg erklären?

Simon Wendt: Der große Unterschied zwischen Black Lives Matter und der Bürgerrechtsbewegung der 1950er- und 1960er-Jahre ist die Existenz sozialer Medien. Mit wenigen Klicks lassen sich heute Tausende Menschen mobilisieren, während früher Flugblätter gedruckt und verteilt werden mussten. Dass nach dem Tod von George Floyd...

...der 2020 bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis, Minnesota, qualvoll erstickte...

Simon Wendt: ...schätzungsweise zwischen 15 und 26 Millionen Menschen allein in den USA auf die Straße gingen, wäre ohne Social Media nicht denkbar gewesen. Neue Technologien wie Handys mit Kamera haben zudem die Wahrnehmung des strukturellen Rassismus und speziell der Polizeigewalt verbessert. Diese ließ sich damit viel leichter dokumentieren, publik machen und vor allem weit verbreiten. Das Handyvideo von Floyds Tod machte einen großen Unterschied.

Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Jacqueline Larma

Was mit dem Hashtag #Black Lives Matter 2013 begann, wurde schnell zu einer internationalen Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt. Heute ist der Protest abgeflaut.

Knüpft Black Lives Matter an die Bürgerrechtsbewegung an?

Simon Wendt: Als gewaltlose Massenprotestbewegung hat Black Lives Matter klare Anknüpfungspunkte zu ihr. Inhaltlich orientiert sie sich aber weniger an Martin Luther King als an Black Power. Die Bewegung, deren sichtbarste Organisation die Black Panther Party war, prangerte bereits 1966 Polizeigewalt und strukturellen Rassismus an, der sich nicht allein durch eine Bürgerrechtsgesetzgebung beseitigen lasse.

Gibt es auch neue Ansätze?

Simon Wendt: Ja. Black Lives Matter, übrigens initiiert von drei Frauen, will eine basisdemokratische Bewegung sein, in der es nicht nur um schwarze Männer geht, sondern ganz im Gegenteil auch um Frauen, queere Menschen, Transpersonen und alle anderen marginalisierten Gruppen, die doppelt von Diskriminierung und Unterdrückung betroffen sind.


„Der eigene Geldbeutel ist auch vielen Afroamerikanern gerade wichtiger als der Kampf gegen Rassismus.“
Simon Wendt, Historiker

Nach Floyds Tod erreichte die Bewegung ihren Höhepunkt. Viele Weiße solidarisierten sich, auch viele Prominente. Wo steht sie heute?

Simon Wendt: 2020 war die Mobilisierung auf ihrem Höhepunkt. Doch das Jahr markiert auch den Anfang eines beginnenden Wandels der öffentlichen Meinung. Ein Grund dafür ist, dass die Proteste vereinzelt gewaltsam wurden. Zusammen mit den massiven Anfeindungen der Trump-Administration sowie rechter Gruppen hat das die Unterstützung für die Bewegung geschwächt. Hinzu kam interner Streit über die Verwendung von Spenden. Heute ist die Bewegung zersplittert. Auf lokaler Ebene sind viele Ortsgruppen aber noch aktiv.

Sichtbarkeit und Einfluss sind aber geschrumpft.

Simon Wendt: Angesichts der konservativen Gegenbewegung, die wir gegenwärtig erleben, ist das nicht verwunderlich. Ideen für einen nachhaltigen strukturellen Wandel, für Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion haben es nicht leicht - und sollte Donald Trump die Wahl gewinnen, wird es noch schwieriger.

2020 spielte Black Lives Matter im Wahlkampf für die Mobilisierung gegen Trump eine wichtige Rolle. Nun zeigen Umfragen, dass Trump gerade bei jungen schwarzen Männern punkten kann. Wie ist das zu erklären?

Simon Wendt: Afroamerikaner sind längst kein einheitlicher Wählerblock mehr. Die Community ist - eine Errungenschaft der Bürgerrechtsbewegung - viel heterogener geworden. Und darunter gibt es auch Männer, die sich nicht mehr in einer Opferrolle sehen und über Afroamerikaner als unterdrückte Minderheit sprechen wollen. Der amerikanische Traum, die Vorstellung, es durch harte Arbeit nach oben zu schaffen, ist für sie viel attraktiver. Und Trump, der sich gern als Selfmade-Milliardär darstellt, vertrauen sie offenbar mehr, diesen Traum zurückzubringen.

Simon Wendt
Der Historiker ist Professor für Amerikanistik an der Universität Frankfurt am Main. Eine von ihm geleitete Forschungsgruppe untersucht die Vorläufer von Black Lives Matter im 20. Jahrhundert und fragt nach den Erfolgen und Auswirkungen von Black Power.

Die eigene finanzielle Lage ist also wichtiger?

Simon Wendt: Ja, der eigene Geldbeutel ist auch vielen Afroamerikanern gerade wichtiger als der Kampf gegen Rassismus.

Was hat Black Lives Matter dennoch erreicht?

Simon Wendt: Auch wenn es noch immer Polizeigewalt gibt, so hat die Bewegung es doch geschafft, das Bewusstsein für strukturellen Rassismus zu stärken. Er ist nicht etwa eine Idee von militanten Aktivisten, sondern Realität.

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