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Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress
Aydan Özoguz, Wolfgang Kubicki, Bärbel Bas, Petra Pau, Yvonne Magwas und Claudia Roth (v.l.n.r.) bilden das neue Präsidium.

Sextett gewählt : Das Präsidium des 20. Deutschen Bundestages

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und ihre fünf Stellvertreterinnen und Stellvertreter bilden das neue Präsidium. Keine Mehrheit fand der Kandidat der AfD-Fraktion.

Foto: photothek

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ist die erst dritte Frau im zweithöchsten Staatsamt.

Bärbel Bas (SPD): Die Präsidentin

Wer sich auf der Webseite der neuen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas umsieht, erfährt viel Privates über die Sozialdemokratin aus Duisburg. Von ihrer Begeisterung für Fußball zum Beispiel: In jungen Jahren spielte sie selbst als Linksaußen und Libero, heute drückt sie den Frauen des MSV Duisburg die Daumen. Stadiontauglich ist auch eines ihrer Leibgerichte: Currywurst mit Pommes und Mayo, dazu passend hält sie der Duisburger Brauereikunst die Treue und schwört aufs Köpi. Auch abseits diverser Top-5-Listen gibt Bas viel von sich preis. Wer will, kann sich ihre Steuerbescheide der vergangenen Jahre herunterladen, sich über ihre mandatsbezogenen Einnahmen und Ausgaben informieren und nachvollziehen, welche Gespräche mit Lobbyisten sie geführt hat. Es überrascht daher nicht, dass Transparenz eines der Themen ist, die Bas nun als Bundestagspräsidentin angehen will, wie sie im Interview mit dieser Zeitung ankündigte.

Bas war vor ihrer Nominierung vor allem Menschen in der Berliner Politikblase ein Begriff und weniger in der breiten Öffentlichkeit präsent. Ihr Weg zum Amt war gesäumt von einer Diskussion innerhalb und außerhalb der SPD über die Repräsentanz von Frauen in hohen Staatsämtern. Sie habe nicht selbst den Finger gehoben, sagte Bas vergangene Woche in ihrer Antrittsrede. "aber im richtigen Moment ja gesagt". Nach Annemarie Renger und Rita Süssmuth ist sie nun die dritte Frau im Amt.

Anspruch: Politik verständlicher zu machen

Die 53-Jährige sei "eine Sozialdemokratin mit einer großen Biografie", würdigte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich die von ihm vorgeschlagene Abgeordnete. Achim Post, Vorsitzender der NRW-Landesgruppe, lobte Bas als "eine über Fraktionsgrenzen hinweg hochangesehene Parlamentarierin". Mit ihrer Persönlichkeit und parlamentarischen Erfahrung bringe sie Voraussetzungen mit, "um dieses so wichtige Amt im Sinne eines starken und bürgernahen Parlamentarismus auszuüben". Der Anspruch, Politik an Bürgerinnen und Bürger heranzutragen und verständlicher zu machen, durchzog Bas' Antrittsrede. Es ist auch ihr politisches Motto. "Politik, die Du sagt", heißt es auf ihrer Webseite.

Geboren wurde Bärbel Bas am 3. Mai 1968 in Walsum, heute ein Stadtbezirk von Duisburg. Sie wuchs mit fünf Geschwistern auf. In der Familie gab es drei Mädchen und drei Jungs. "Meine Eltern haben auf Parität geachtet", schreibt Bas, die seit vergangenem Jahr verwitwet ist. 1984 schloss sie die Hauptschule in Voerde mit der Fachoberschulreife ab, lernte zunächst für ein Jahr an einer höheren Berufsfachschule für Technik Schweißen und - nach eigenem Bekunden - "perfekt einen U-Stahl" zu feilen. Dann wechselte sie von der Werkstatt ins Büro. Nach einer Ausbildung zur Bürogehilfin bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) bildete sich bis zur Personalmanagement-Ökonomin fort. 2007 wurde Bas Abteilungsleiterin bei der einstigen Betriebskrankenkasse der DVG, der heutigen BKK futur.


„Eine Sozialdemokratin mit einer großen Biografie“
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich

Ihr politischer Werdegang hängt eng mit ihrem beruflichen zusammen. Seit ihrer Ausbildungszeit engagierte sich Bas im Betriebsrat, fand so zur sozialdemokratischen Betriebsgruppe und trat 1988 der SPD bei. Es folgten Stationen bei den Jusos sowie in lokalen und regionalen Parteivorständen. Mehrere Jahre lang saß Bas zudem im Rat von Duisburg.

Erfahrung als Parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion

Ihren Bundestagswahlkreis Duisburg I, seit den 1960ern eine SPD-Hochburg, gewann Bas seit 2009 viermal direkt. Im Bundestag machte sie als Gesundheitspolitikerin von sich reden. Sie hat als überzeugende Rednerin in vielen großen Gesundheitsdebatten die Position der SPD und der Koalition mit vertreten. In Debatten war sie es oft, die einen kritischen Punkt noch einmal klargestellt hat. So hat Bas immer deutlich gemacht, dass sie selbst und die SPD eine Bürgerversicherung anstreben, dies aber in der Koalition mit der Union nicht durchsetzbar ist.

Bas weiß, wie der Bundestag tickt. In der Fraktion übernahm sie von 2013 und 2019 das Amt der Parlamentarischen Geschäftsführerin. 2019 rückte die Duisburgerin, die der Parlamentarischen Linken angehört, als Vize in den Fraktionsvorstand auf mit Zuständigkeit für die Themen Gesundheit, Bildung und Forschung. Nun folgte der große Schritt: an die Spitze des Deutschen Bundestages.


Foto: Tobias Koch

Hanseatin mit türkischen Wurzeln - Aydan Özoguz ist künftig eine der Vizepräsidentinnen des Bundestages.

Aydan Özoguz (SPD): Die erste Muslima

Zuerst war es ihr Name, der in der Diskussion darum, wer der zweite Mann oder die zweite Frau im Staat werden könnte, die Runde in den Medien machte. Doch die SPD-Fraktion entschied sich schließlich für Bärbel Bas als Präsidentin - und nominierte Aydan Saliha Özoguz als ihre Stellvertreterin. Wie Bas ist sie eine erfahrene Politikerin und Parlamentarierin. Özoguz hatte sechs Jahre den stellvertretenden Partei- und Fraktionsvorsitz inne und war von 2013 bis 2018 Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Ihren Hamburger Wahlkreis Wandsbek gewann die Frau, die oft als Musterbeispiel für gelungene Integration genannt wird, gerade zum dritten Mal hintereinander direkt. Zuvor hatte ihre Hamburger SPD sie mit 94,5 Prozent zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gewählt.

In die Hamburger Sozialdemokratie holte die 54-Jährige seinerzeit Olaf Scholz. Und auch als Özoguz 2009 frisch in den Bundestag gewählt wurde, war er zur Stelle: "Ich erinnere mich noch gut daran, es war ein gewisser Olaf Scholz, der mir damals ein Büro abgab, weil ich als Neue einfach kein Büro abbekam", erzählte Özoguz der "Hamburger Morgenpost". Nicht nur die geographische Heimat eint sie, sondern auch die politische: Beide sind Teil des Seeheimer-Kreises, dem konservativen Flügel der Fraktion.

Zweisprachig aufgewachsen in Lokstedt

Özoguz nennt sich eine "Hamburger Deern." Dort ist sie im Mai 1967 geboren und groß geworden und nicht selten schleicht sich ein Wort auf Plattdeutsch in ihre Erzählungen ein. Sie wuchs zweisprachig auf. Ihre Eltern siedelten Anfang der 1960er Jahre aus dem türkischen Istanbul in die Hansestadt um und gründeten ein Importunternehmen für Haselnüsse. Aufgewachsen ist sie in einem Hochhaus in Lokstedt mit zwei älteren Brüdern. Nach ihrem Abitur 1986 folgte ein Studium der Anglistik, Spanisch und Personalwirtschaft an der Hamburger Universität. Bis zur ihrer Wahl in den Bundestag arbeitete sie bei der Körber-Stiftung, in der sie Integrationsprojekte koordinierte - parallel zu ihrer Arbeit in der Bürgerschaft, der sie von 2001 bis 2008 angehörte. Dort lernte sie ihren späteren Partner und Vater ihrer Tochter, Ex-Innensenator Michael Neumann (SPD), kennen.

 


„Ich bin dafür auch in die Politik gegangen, um anderen zu helfen, die Hürden und Hindernisse haben“
Aydan Özoguz

Themen Zuwanderung und Integration begleiten Özoguz schon lang

Özoguz saß im Bundestag bislang im Auswärtigen Ausschuss, im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und im Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung. Die Themen Zuwanderung und Integration begleiten sie schon lang: Bereits im Studium engagierte sie sich aktiv in der Türkischen Studentenvereinigung. Sie ist Muslima und eine der Gründerinnen des Arbeitskreises muslimischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Sie ist nun die erste Muslima im Bundestagspräsidium. Schon früh trat Özoguz ein für weniger Schubladendenken und griff dabei in ihrer Zeit als Staatsministerin öfter auch zu deutlichen Worten. Mit ihrer Position, eine spezifisch deutsche Kultur jenseits der Sprache gebe es nicht, vielmehr hätten "Einwanderung und Vielfalt unsere Geschichte geprägt" und Globalisierung und Pluralisierung von Lebenswelten zu einer weiteren Vervielfältigung geführt, wurde sie zur Reizfigur für Konservative und Rechte. Auch für Aussagen etwa zu Kinderehen oder salafistischen Gruppen erntete sie Kritik für zu wenig Präzision und Vorsicht. Doch auch bei offenen Anfeindungen wählte Özoguz stets einen höflichen Ton: "Es muss nicht immer jedem alles gefallen."

In den derzeitigen Koalitionsverhandlungen für eine Ampel-Regierung findet sich ihr Name in der Arbeitsgruppe 19 "Flucht, Migration, Integration" wieder. Das sei aber nie ein Automatismus: "Ich mache das gern, ich bin dafür auch in die Politik gegangen, um anderen zu helfen, die Hürden und Hindernisse haben. Aber nicht jeder mit Einwanderungsgeschichte will Integrationspolitik machen", sagte sie etwa dem NDR. Es sei "ein schönes Gefühl" gewesen, dass Scholz ihr damals zugetraut habe, aktiv zu werden. Später habe sie oft überlegt, wie wichtig dieser Schritt war, denn "für viele, deren Eltern eingewandert sind, ist es ja nicht selbstverständlich, beispielsweise in einer Partei verankert zu sein."


Foto: Thomas Trutschel

Fünf Jahrzehnte Erfahrung - Wolfgang Kubicki wird erneut Vizepräsident.

Wolfgang Kubicki (FDP): Der letzte Mann

Der erste Hinweis auf die sich verändernde Situation kam bereits vor der Wahl: "Sie sind der einzige Mann, wenn das Ergebnis so kommt", rief die frisch gewählte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) dem als einen ihrer Stellvertreter kandidierenden Wolfgang Kubicki (FDP) zu. Ein Problem ist das für den 69-jährigen Kubicki, seit über 50 Jahren bei den Liberalen, nicht. Er sagte einmal: "Ich habe mit emanzipierten Frauen kein Problem." Also dürfte der Grandseigneur der deutschen Politik auch mit einer Frauenquote im Präsidium von 84,4 Prozent zurechtkommen.

Als Kubicki 1971 in die FDP eintrat, war von Frauenquoten und Geschlechtergerechtigkeit noch keine Rede, und die FDP war fast reine Männerangelegenheit. Nur wenige liberale Damen wie Liselotte Funcke oder Hildegard Hamm-Brücher erreichten größere Bekanntheitswerte. Kubicki hatte kurz zuvor sein Abitur in seiner Heimatstadt Braunschweig gemacht und studierte Volkswirtschaft und Jura in Kiel. Schleswig-Holstein sollte seine politische und persönliche Heimat werden.

Name gemacht als freiheitlicher und unabhängiger Kopf

Gelegentlich zog es ihn auch in die Bundespolitik, aber das blieben nur Abstecher. Erst zu Beginn der letzten Legislaturperiode 2017 kam er endgültig in Berlin an. Nach dem Wiedereinzug der FDP in den Bundestag wurde er zum Vizepräsidenten gewählt und in der letzten Woche mit 564 Jastimmen bei 91 Neinstimmen, 69 Enthaltungen und drei ungültigen Stimmen wiedergewählt.

Kubicki, der auch erfolgreich als Anwalt tätig ist, hat sich in fünf Jahrzehnten einen Namen als freiheitlicher und unabhängiger Kopf gemacht, der den Mut zur deutlichen Aussprache besitzt. Dies führt er auf seine Familie zurück: "Von meiner Mutter habe ich das Prinzip Attacke übernommen. Sie hatte durch die Härten der Kriegs- und Nachkriegsjahre gelernt, dass sich wenigstens einer in der Familie nicht die Butter vom Brot nehmen lassen darf. Ich habe mir ihre Renitenz abgeschaut - und die Eigenschaft, Entscheidungen nicht allein deshalb zu akzeptieren, weil irgendjemand etwas behauptet, sondern nur, weil das Argument überzeugend ist."

Der Mann mit eigenen Ansichten ist gefragter Gast als Redner und in Fernsehsendungen. Bei der Linkspartei trat er schon einmal beim Geburtstag von Fraktionschef Dietmar Bartsch auf. Und bei öffentlichen Auftritten sorgt Kubicki gerne für Überraschungen, zum Beispiel wenn er Kritik an der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel deutlich werden lässt oder Zweifel an den Sanktionen gegen Russland äußert. Bei der Pandemie-Bekämpfung warnte er deutlich davor, Grundrechte zur Disposition zu stellen. Und zur Gendersprache kommentiert er kurz und knapp: "Ich warne dringend davor zu meinen, man könnte Menschen durch solche neuen Sprachvorgaben erziehen."

Bekannt für straffe Leitung von Bundestagssitzungen

Trotz des oft eigenwilligen Kurses hat sein Wort in Partei und Fraktion Gewicht. Der Aufstieg von Christian Lindner zum Parteichef wäre ohne die Unterstützung Kubickis wohl schwieriger geworden. Als die Liberalen 2013 erstmals seit 1949 nicht mehr in den Bundestag kamen, war es Kubicki, der einen schnellen Neuanfang mit Lindner forderte. Der Neustart gelang, 2017 kehrte die FDP in den Bundestag zurück und hat jetzt sogar eine Beteiligung an der Bundesregierung in Aussicht. Und wieder ist es Kubicki, der massiv für Lindner als Finanzminister wirbt.

Kubicki selbst strebt keine Kabinettswürden mehr an. Das Amt des Vizepräsidenten füllt ihn aus. Im Bundestag ist Kubicki für eine straffe Leitung von Sitzungen bekannt. Im letzten Bundestagspräsidium hatte ihn Präsident Wolfgang Schäuble gebeten, ein Auge auf die Bauprojekte des Bundestages zu haben. Den Umgang mit den großen Verwaltungen habe er erst lernen müssen, erzählt er schmunzelnd. Aber auch das hat geklappt.

Um sein Privatleben macht Kubicki kein großes Aufheben. Er ist in dritter Ehe verheiratet, Vater von Zwillingen und Großvater. In seiner Freizeit fährt er gerne auf seiner Motoryacht mit dem Namen Liberty - der Name ist Programm. Zum Leben, zum Wirken und zur Person passt auch sein Sternzeichen, der Fisch. Und dieser Fisch schwimmt gerne gegen den Strom.


Foto: Tobias Koch

Mehr als eine Kompromisskandidatin - Yvonne Magwas vertritt die Unionsfraktion im Präsidium.

Yvonne Magwas (CDU): Die Stimmenkönigin

Die ersten Worte im neuen Amt waren unmissverständlich. "Da habe ich eine sehr klare Haltung", sagte Yvonne Magwas der "Rheinischen Post". "Das Anliegen der FDP unterstütze ich nicht. Sie hat eine Tradition. Und das soll auch so bleiben." "Spiegel Online" fasste diese Aussage der neuen Vizepräsidentin des Bundestages mit der Schlagzeile zusammen: "Magwas schmettert Wunsch der FDP zur Sitzordnung ab." Die Liberalen wollen im Plenarsaal nicht mehr neben der AfD sitzen und schlugen vor, die Unionsfraktion möge dies tun. Doch Magwas "schmetterte".

Auf dem Zettel hatten die Parlamentskorrespondenten Magwas nicht unbedingt, als sie über die Besetzung des Vize-Postens orakelten, welcher der Union vorbehalten ist. Viele sehr wichtige Posten gibt es für CDU und CSU in Berlin ja nicht mehr, und entsprechend intensiv wurde diskutiert. Dann aber verzichteten Monika Grütters und Annette Widmann-Mauz, beide Beauftragte der Bundesregierung im Kanzleramt, auf ihre Kandidatur. Es ging um ein Zeichen der Geschlossenheit in der angeschlagenen Unionsfraktion. Überraschend zog also die 41-jährige Magwas vorbei - und erhielt bei der Wahl mit 600 Ja-Stimmen das beste Vize-Ergebnis. Seit 2013 sitzt sie im Bundestag. Damals über die Landesliste, 2017 dann direkt in ihrem Wahlkreis Vogtlandkreis gewählt und 2021 wiederum als eine von nur vier CDU-Kandidaten in Sachsen und als einzige in einem ländlichen Wahlkreis.

Ihr politisches Engagement reicht weit zurück. 1998, als Magwas Abitur machte und die erste rot-grüne Koalition gebildet wurde, trat sie in die Junge Union ein. Und schnupperte Parlamentsluft, indem sie ein Praktikum beim Bundestagsabgeordneten Rudolf Braun absolvierte. Es muss ihr gefallen haben. Während ihres Studiums der Soziologie, Psychologie und Betriebswirtschaftslehre wurde sie Stadträtin in Auerbach und Mitglied im Kreistag des Vogtlandkreises. Beinahe hätte es sie einmal in die Wirtschaft gezogen, als Magwas während ihres Studiums eine Firma zur Vermittlung von Praktikumsplätzen gründete. 2005, ein Jahr vor ihrem Diplom in Soziologie, begann Magwas als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundestagsabgeordneten Robert Hochbaum.

Kompass: Pragmatismus und Lösungsorientiertheit

Magwas ist nicht nur eine Kompromisskandidatin. Fraktionschef Ralph Brinkhaus hatte bereits vor der entscheidenden Sitzung von ihr als einem "guten Kompromiss" gesprochen, sie als "erfahrene Parlamentarierin" bezeichnet, die als Mutter eines Kindes "mitten im Leben steht". Liiert ist sie mit Marco Wanderwitz, dem bisherigen Ost-Beauftragten der Bundesregierung. Pragmatismus und Lösungsorientiertheit scheinen ihr eher zu liegen als das Beharren auf harten Positionen; in der sächsischen CDU vertritt sie den moderaten Flügel. Mit ihrer Wahl sendet die Bundes-CDU auch die Botschaft, dass Anliegen der Ostdeutschen in der Hauptstadt ein Gehör haben sollen. Ostdeutsch, Frau und jung - das steht in der Unionsfraktion tatsächlich für einen Neuanfang. Magwas steht der "Gruppe der Frauen" in der Unionsbundestagsfraktion vor und ist stellvertretende Vorsitzende der "Frauen Union".

Einsatz für die Belange von Frauen

Im Interview mit der "Rheinischen Post" kündigte Magwas auch an, bei einer Wahlrechtsreform die Belange von Frauen stärker berücksichtigen zu wollen. Die Wahlrechtskommission aus der vergangenen Legislaturperiode müsse "schnellstmöglich" wieder eingesetzt werden, sagte sie. Dann werde es darum gehen, wie man eine stärkere Beteiligung von Frauen im Rahmen einer Wahlrechtsreform sicherstellen könne. Die Kommission solle dafür Empfehlungen erarbeiten.

Ferner kündigte Magwas an, dass sie als Vizepräsidentin für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Parlamentsarbeit sorgen wolle. Angesichts ausufernder Sitzungszeiten müsse überlegt werden, "wie wir solche Auswüchse begrenzen und im Bundestag die Digitalisierung stärker nutzen können", sagte sie. Sie wisse aus eigener Erfahrung, dass vor allem namentliche Abstimmungen am späteren Abend problematisch seien, "wenn man zu Hause das Kind betreuen muss, aber zugleich abstimmen soll", so Magwas. "Beides geht bisher nicht." Deswegen müssten digitale Wege gefunden werden.


 

Foto: DBT/Stella von Saldern

Amtiert schon seit 2006 als Vizepräsidentin - Petra Pau bleibt dem Präsidium erhalten.

Petra Pau (Die Linke): Die Rekordfrau

Schon eine halbe Ewigkeit gehört Petra Pau (Linke) dem Parlament an. Seit 1998 ist sie im Bundestag vertreten, seit 2006 als Vizepräsidentin. Anfangs im Parlament noch skeptisch beäugt, gilt die frühere Lehrerin aus Berlin-Marzahn heute als erfahrene, ausgleichende und als Vizepräsidentin in der Sitzungsleitung durchsetzungsstarke Persönlichkeit, die auch im Ältestenrat auf viel Respekt und Zustimmung stößt. Sie ist inzwischen die dienstälteste Vizepräsidentin des Bundestags.

Nicht weniger als sechs Mal hintereinander gewann Pau ihr Berliner Direktmandat, 1998 im Wahlkreis Berlin-Mitte-Prenzlauer Berg, in den Folgejahren im Wahlkreis Berlin-Marzahn-Hellersdorf. Bei der Wahl in diesem Jahr unterlag sie überraschend dem CDU-Kandidaten Mario Czaja. Über die Landesliste zog die Frau mit dem markanten Bürstenhaarschnitt dann aber doch wieder in den Bundestag ein.

Zum fünften Mal im Amt bestätigt

2006 war sie noch zweite Wahl für den Posten des Vizepräsidenten. Eigentlich sollte Lothar Bisky das Amt bekommen, er erreichte jedoch nicht die nötige Mehrheit. Daraufhin trat Pau an und wurde im ersten Wahlgang gewählt. Vergangene Woche wurde sie zum fünften Mal in Folge im Amt bestätigt. Auf Pau entfielen 484 Ja-Stimmen, 163 Nein-Stimmen und 76 Enthaltungen. Sie bot eine gute Zusammenarbeit an "für die Demokratie".

Die frühere Funktionärin der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in der DDR kennt die Besonderheiten der Parlamentsarbeit aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln. Als bei der Wahl 2002 die damalige PDS, die Nachfolgeorganisation der SED, politisch strauchelte, zogen nur Pau und ihre Kollegin Gesine Lötzsch als Einzelkämpferinnen in den Bundestag ein. Für die beiden Frauen standen hinten im Saal zwei Stühle bereit. Die beiden PDS-Frauen hatten in Berlin jeweils Direktmandate gewonnen, während die PDS unter der Fünf-Prozent-Marke blieb. Es reichte damals nicht einmal für den Status als Gruppe, von den Rechten einer Fraktion ganz zu schweigen.

Von dieser politischen Durststrecke ließ sich Pau nicht aus der Bahn bringen, sondern setzte Akzente, wo es ging, etwa mit ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus. Sie gilt als Innenexpertin und war Obfrau in Untersuchungsausschüssen.

Das Durchhaltevermögen mag auf ihre Erfahrungen in der DDR und der Wendezeit zurückgehen. Pau stammt aus einem Arbeiterhaushalt. Geboren am 9. August 1963 in Berlin, absolvierte Petra Pau in der DDR eine Laufbahn nach den Vorstellungen des SED-Regimes. Von der Polytechnischen Oberschule wechselte sie 1979 an das Zentralinstitut der Pionierorganisation "Ernst Thälmann" (ZIPO) in Droyßig (Sachsen-Anhalt). Dort schloss sie ihr Studium 1983 als Freundschaftspionierleiterin und Unterstufenlehrerin für Deutsch und Kunsterziehung ab. Im selben Jahr trat sie in die SED ein.

Es folgte ein Studium an der Parteihochschule Karl Marx (PHS) in Berlin, das Pau 1988 mit einem Diplom in Gesellschaftswissenschaften abschloss. Bis 1990 arbeitete Pau im Zentralrat der FDJ, dann wurde die DDR-Jugendorganisation abgewickelt.

Einsatz für die Belange der Menschen in Ostdeutschland

Pau sieht sich als demokratische Sozialistin und hat ihre DDR-Biografie immer offensiv verteidigt. Auch sie konnte sich den gesellschaftlichen Umbrüchen der Wendezeit nicht entziehen, wurde vorübergehend arbeitslos und schien mit der PDS politisch auf verlorenem Posten. Pau resignierte aber nicht und machte Karriere in der PDS, die seit 2007 als "Die Linke" firmiert, amtierte lange als Berliner Landesvorsitzende und später als stellvertretende Bundesvorsitzende. Sie setzt sich auch heute noch insbesondere für die Belange der Menschen in Ostdeutschland ein.

In den Jahren hat Pau immer wieder staunend auf ihre ungewöhnliche Karriere im Bundestag zurückgeblickt, die sie selbst so nicht erwartet hatte. Geholfen hat wohl ihre unaufgeregte, ausgeglichene Art. Auch privat lässt sie es ruhig angehen, sie kocht und liest gerne und kümmert sich um ihren Balkon-Garten im Haus, wo sie mit ihrem Mann wohnt. Zwischendurch findet sie noch Zeit, Anekdoten aus dem Alltag von Politik und Parlament zu schildern. Ihr neues Buch trägt den verheißungsvollen Titel "Gott hab sie selig".


 

Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Mit eigenem Stil auch im Präsidium - Claudia Roth komplettiert das Sextett im Präsidium.

Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen): Die Unerschrockene

Die Szene vom vergangenen November wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die zurückliegende Wahlperiode des Bundestages, sondern auch auf die Amtsführung seiner Vizepräsidentin Claudia Roth: Im Parlament gilt Maskenpflicht; nur am Rednerpult und am Sitzplatz darf die Bedeckung im Plenarsaal abgenommen werden, doch kommt der AfD-Abgeordnete Thomas Seitz mit einem Netzstoff über Mund und Nase an das Pult. Als er nach seiner Rede wieder gehen will, reicht ihm Roth als Sitzungsleiterin mit der Hand eine frische FFP2-Maske, da er selbst "nur ein löchriges Tuch" habe. Seitz protestiert: Diese neue Maske habe Roth jetzt kontaminiert. Die amtierende Präsidentin lässt sich nicht beirren, nestelt aus einer sterilen Packung mit FFP2-Masken eine weitere ostentativ mit einem Stift heraus und reicht sie dem AfD-Mann, ohne sie zu berühren: "So! Und die setzen Sie jetzt bitte auf!" Das Protokoll vermerkt Heiterkeit und Beifall bei Union, SPD und Grünen. Seitz folgt der Aufforderung, nicht ohne zu fragen, ob er "mit dem Maulkorb" nun das Pult verlassen dürfe. Das sei eine Maske, kein Maulkorb, bescheidet Roth ihm, und wenn er so weiter mache, bekomme er einen Ordnungsruf.

Claudia Roth pflegt ihren eigenen Stil, gern unkonventionell, nicht immer präsidial, aber immer authentisch: Seit acht Jahren amtiert die langjährige Grünen-Vorsitzende als Vizepräsidentin des Bundestages, in den sie 1998 erstmals eingezogen war. Bei ihrer ersten Wahl in das Parlamentspräsidium hatte sie 2013 versprochen, "es so zu machen, wie ich bin" - woraufhin der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) konstatierte, dies berechtige "zu den schönsten Hoffnungen". Insgesamt elf Jahre hatte sie zuvor an der Spitze der Grünen gestanden und, wie ihr anschließend ein Weggefährte bescheinigte, die "emotionale Wahrheit" grüner Politik verkörpert. Als bunt und leidenschaftlich wurde sie oft beschrieben, eine streitbare Moralistin mit ausgeprägtem Talent zu offener Empörung wie zu ehrlicher Herzlichkeit.

Aufgewachsen in einer linksliberalen Familie

Quittiert wird ihr das nicht nur mit breiter Anerkennung, wie unzählige Hass-Mails an ihre Adresse belegen. Dass sich die heute 66-Jährige gleichwohl treu geblieben ist, zeigt ihre "Unerschrockenheit, sie selbst zu sein", die ihr einmal aus den Reihen der Union attestiert wurde.

1955 in Ulm geboren, wuchs Roth in einer linksliberalen Familie auf. Den Jungdemokraten, bis 1982 ein FDP-Jugendverband, gehörte sie von 1971 bis 1990 an. Sie studierte Theaterwissenschaften, arbeitete als Dramaturgin. Bevor Roth 1987 den Grünen beitrat, war sie schon - nach der Zeit als Managerin der Polit-Rock-Gruppe "Ton Steine Scherben" - zwei Jahre lang Pressesprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion; dies blieb sie bis zu ihrer Wahl ins Europaparlament 1989, in dem sie fünf Jahre später Fraktionsvorsitzende wurde.

Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Schon in Brüssel als Menschenrechtspolitikerin profiliert, übernahm sie nach dem Wechsel in den Bundestag 1998 den Vorsitz des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Das galt als Traumjob für Roth, doch 2001 legte sie ihr Mandat nieder, um erfolgreich für den Parteivorsitz zu kandidieren. Den musste sie indes 2002 nach ihrem neuerlichen Einzug in den Bundestag aufgrund der von den Grünen später gelockerten Trennung von Amt und Mandat wieder räumen. Sie wurde Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung und kehrte, nun mit Bundestagsmandat, 2004 zurück an die Parteispitze.

Dort hielt sich Roth insgesamt länger als alle ihre Vorgänger. 2012 aber wurde die Parteilinke bei der Grünen-Urwahl der Spitzenkandidaten nur vierte; nach der Bundestagswahl 2013 verzichtete sie auf eine erneute Kandidatur für den Parteivorsitz; stattdessen wurde sie mit 67,8 Prozent der gültigen Stimmen zur Bundestags-Vizepräsidentin gewählt. 2017 waren es bei ihrer Wiederwahl 69,9 Prozent. Vergangene Woche bestätigten die Abgeordneten Claudia Roth mit 77,8 Prozent der gültigen Stimmen im Amt.