Wie der seltene Prozess im Parlament abläuft : Frage nach Vertrauen
Der Bundeskanzler hat eine Vertrauensfrage im Bundestag angekündigt. Wie sieht eine Vertrauensfrage aus? Und welche Möglichkeiten gibt es für die Abstimmung?
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Am 16. Dezember dieses Jahres wird der Bundeskanzler die Vertrauensfrage stellen, das hat Olaf Scholz (SPD) in seiner Regierungserklärung heute angekündigt. Im Falle eines Scheiterns des Kanzlers bei dieser Vertrauensfrage könnten im weiteren Verlauf eines Verfahrens zur Auflösung des Bundestages die Bundestagswahlen dann am 23. Februar 2025 stattfinden. Es ist erst die sechste Vertrauensfrage in der 75-jährigen Geschichte der Bundesrepublik. So läuft sie ab:
Von Vertrauen braucht im Antrag keine Rede zu sein
Olaf Scholz wird seinen Antrag am 11. Dezember stellen, kündigte er im Bundestag an. Eine besondere Form gibt es dabei für den Antrag nicht, die Vertrauensfrage könnte sogar mündlich gestellt werden, also während einer Plenarsitzung. Die Vertrauensfrage muss auch nicht als solche überschrieben als Antrag beim Bundestag eingehen, es muss kein bestimmter Wortlaut eingehalten werden. Bei der Vertrauensfrage des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl vom 13. Dezember 1982 kam nicht einmal im Text des Antrags der Begriff „Vertrauen” vor.
Kohl formulierte: “Sehr geehrter Herr Präsident, hiermit teile ich Ihnen mit, daß ich den Antrag gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes stelle. Ich beabsichtige, vor der Abstimmung über den Antrag am Freitag, dem 17. Dezember 1982, eine Erklärung dazu abzugeben.”
Die 48-Stunden-Frist ist keine 2-Tages-Frist
Zeitlich muss der Bundestag dabei eine Überlegungsphase von 48 Stunden beachten, die laut Grundgesetz zwischen Antrag und Abstimmung liegen müssen. Die Abgeordneten sollen sich über die Bedeutung und ihr Abstimmungsverhalten noch einmal in Ruhe eine Meinung bilden. Die Frist ist tatsächlich eine nach Stunden zu berechnende Frist und nicht etwa eine 2-Tagesfrist. Während der Überlegungsphase könnte der Kanzler seinen Antrag auch noch zurückziehen.
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Der Bundestag muss abstimmen, es gibt kein Ermessen
Der Bundestag ist allerdings verpflichtet, nach der Überlegungsphase unverzüglich die Abstimmung vorzunehmen; vor allem steht es auch nicht in seinem Ermessen, ob er über den Vertrauensantrag des Regierungschefs überhaupt abstimmt. Er ist dazu ohne jede Ausnahme verpflichtet. Die einzige Möglichkeit für den Bundestag, sich der Vertrauensabstimmung zu entziehen, bietet Artikel 68 des Grundgesetzes selbst: Der Bundestag kann die Vertrauensabstimmung und damit die Gefahr seiner eigenen Auflösung nur durch ein geglücktes konstruktives Misstrauensvotum umgehen.
Enthaltungen können für Abgeordnete ein politischer Ausweg sein
Abgestimmt wird über den Antrag, dem Kanzler das Vertrauen auszusprechen. Wer dem Bundeskanzler das Vertrauen aussprechen will, stimmt also mit Ja, wer es ihm verweigern will, stimmt mit Nein. Der Antrag ist abgelehnt und die Vertrauensfrage damit verloren, wenn er nicht die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält (die so genannte Kanzlermehrheit).
Enthaltungen oder ungültige Stimmen gehen also zu Lasten des Bundeskanzlers und wirken zumindest rechtlich im Ergebnis wie eine Nein-Stimme. Politisch war die Enthaltung bei früheren Abstimmungen allerdings eine Option für Abgeordnete, um nicht gegen den Kanzler der eigenen Partei stimmen zu müssen und trotzdem zu Neuwahlen zu kommen. Konkret bräuchte Olaf Scholz in diesem 20. Deutschen Bundestag 367 Ja-Stimmen, um die Vertrauensfrage zu gewinnen.
Abgestimmt wird über die Vertrauensfrage offen, nicht geheim
Obwohl die Bedeutung der Vertrauensfrage ähnlich hoch ist, wie die der Kanzlerwahl, verlangen weder Grundgesetz noch die Geschäftsordnung des Bundestages eine geheime Abstimmung. Anders als bei der Kanzlerwahl und dem konstruktiven Misstrauensvotum (§97 Geschäftsordnung), gibt es bei der geschäftsordnungsrechtlichen Regelung zur Vertrauensfrage in §98 der Geschäftsordnung gerade keine Festlegung auf eine „Abstimmung mit verdeckten Stimmzetteln“. Es wird daher auf die allgemeinen Abstimmungsregeln zurückgegriffen, bislang war dies der Weg über namentliche Abstimmungen.