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Kurze Vorbereitungszeit : Warum die Bundestagswahl 2025 zur Herausforderung wird

Die vorgezogene Bundestagswahl fordert Wahlämter und Gemeinden heraus: Stimmzettel, Briefwahl, Helfer – alles muss in nur 60 Tagen organisiert werden.

14.02.2025
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5 Min

Stimmzettel müssen gedruckt, Briefwahlunterlagen verschickt und Wahlurnen bereitgestellt werden. Doch das ist nur ein Bruchteil der logistischen Herausforderungen, die zur Vorbereitung auf die Bundestagswahl 2025 zu meistern sind: Hunderttausende Wahlhelferinnen und Wahlhelfer müssen koordiniert und ausgebildet werden, damit der Wahlprozess reibungslos funktioniert.

Während die Parteien in den Wahlkampfmodus wechseln, Infostände aufbauen und in TV-Debatten ihre Positionen vertreten, bereiten sich die Verantwortlichen hinter den Kulissen auf eine der größten logistischen Aufgaben des Jahres vor.

Foto: picture alliance/dpa

Die Wahlvorbereitungen laufen auf Hochtouren. Laut Schätzung des Statistischen Bundesamtes sind in Deutschland rund 59,2 Millionen Bürgerinnen und Bürger wahlberechtigt.

Und in diesem Jahr muss alles schneller gehen. Durch den Bruch der Ampel-Koalition wurde die Bundestagswahl vorgezogen - statt am 28. September findet sie nun bereits am 23. Februar 2025 statt. Grund dafür ist Artikel 39 des Grundgesetzes, der vorschreibt: "Im Falle einer Auflösung des Bundestages findet die Neuwahl innerhalb von 60 Tagen statt." Diese gesetzliche Frist setzt die Verantwortlichen unter Zeitdruck. Denn normalerweise wird etwa ein Jahr im Voraus mit den Planungen begonnen.

Robert Baumanns von der Pressestelle der Stadt Köln spricht von einem enormen Kraftakt: "60 Tage sind sehr knapp, weil schon die Gewinnung und Einarbeitung von zusätzlichem Personal, die Ausschreibung und Vergabe von Dienstleistungen und die Vorbereitung der Briefwahl zeitaufwändige Verfahren und Prozesse sind." Doch Köln steht mit diesen Herausforderungen nicht allein - sie betreffen Wahlämter in ganz Deutschland.

Millionen Wahlberechtigte, Millionen Stimmzettel

In den 299 Wahlkreisen Deutschlands sind laut Schätzung des Statistischen Bundesamtes rund 59,2 Millionen Bürgerinnen und Bürger wahlberechtigt. Dazu kommen deutsche Wahlberechtigte im Ausland. Sie alle benötigen Wahlbenachrichtigungen und Stimmzettel, die Briefwähler zusätzlich Briefwahlunterlagen, die von den zuständigen Behörden bereitgestellt werden müssen.

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Um die Vorbereitungen innerhalb der 60-Tage-Frist abzuschließen und einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, waren in zahlreichen deutschen Gemeinden - darunter auch in Köln bei Robert Baumanns - zahlreiche Überstunden erforderlich. "Wir mussten das Homeoffice teilweise aussetzen, eine Urlaubssperre verhängen, die Betriebsferien zum Jahreswechsel streichen und Wochenendarbeit anordnen", erklärt Baumanns. Möglich sei dies nur dank der hohen Motivation und des großen Engagements im Wahlamt und in der Stadtverwaltung.

Auch in den Wahllokalen - oft Schulen oder Turnhallen - laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Welche Räume werden genutzt? Wo werden die Wahlurnen platziert? Wer stellt sicher, dass am Wahltag alles reibungslos funktioniert?

Immer mehr Wahlberechtigte geben Stimme per Brief ab

Diese Fragen betreffen auch die 675.000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, die laut Bundeswahlleiterin Ruth Brand im Einsatz sein werden. Viele von ihnen haben bereits Erfahrung, doch Neulinge müssen geschult werden. Die Aufgaben der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer reichen von der Vorbereitung des Wahllokals über die Ausgabe der Stimmzettel bis zur Auszählung der Stimmen.

Eine weitere Herausforderung: Die Briefwahl wird immer beliebter. Während 2005 weniger als 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme per Post abgaben, waren es 2021 bereits 47,3 Prozent. Die hohe Nachfrage, kombiniert mit der verkürzten Frist stellt eine weitere logistische Herausforderung dar.


„Wir haben natürlich ein paar Aufträge anders einordnen müssen, um vorrangig das Wahlpapier zu produzieren.“
Dietrich Arnhold, Geschäftsführer der Papierfabrik Freital

Denn noch bevor der Wahltermin offiziell feststand, hatte Bundeswahlleiterin Brand in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz vor möglichen Papierengpässen gewarnt. Doch die deutsche Papierindustrie dementierte. "Wir haben keine Produktionsengpässe", sagt auch Dietrich Arnhold, Geschäftsführer der Papierfabrik Freital. Er erklärt: "Wir haben natürlich ein paar Aufträge anders einordnen müssen, um vorrangig das Wahlpapier zu produzieren." Dies sei jedoch in Abstimmung mit den Kunden geschehen und habe keine weiteren Probleme verursacht.

Bürgerämter empfehlen "Briefwahl vor Ort"

Dass die Fristen dennoch knapp sind, wird auf den Webseiten verschiedener Bürgerämter deutlich. In Berlin beispielsweise wird den Wählerinnen und Wählern dort empfohlen, die Briefwahlunterlagen nicht per Post anzufordern, sondern nach Möglichkeit persönlich im zuständigen Briefwahlzentrum abzuholen und direkt vor Ort zu wählen.

In vielen Städten sorgte diese sogenannte Briefwahl vor Ort laut dpa-Recherchen bereits für lange Warteschlangen in den Briefwahlzentren. Besonders in den Berliner Bezirken Tempelhof und Friedrichshain-Kreuzberg war der Andrang am ersten möglichen Wahltag, dem 10. Februar, enorm. Im Bezirksamt Kreuzberg wurden bis zum frühen Nachmittag desselben Tages bereits 520 Briefwähler gezählt.

Versand der Briefwahlunterlagen erst zwei Wochen vor dem Wahltag

Eine Hürde stellen die verkürzten Fristen auch für im Ausland lebende Wahlberechtigte dar. Lange Postwege erschweren die Zustellung und Rücksendung der Wahlunterlagen. Die Bezirksämter erklären: "Aufgrund des kurzfristigen Drucks der Stimmzettel konnte der Versand der Briefwahlunterlagen erst etwa zwei Wochen vor dem Wahltag beginnen", während bei regulären Wahlen fünf bis sechs Wochen vorher versandt wird.

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Betroffen sind also vor allem Wahlberechtigte außerhalb Europas. Erschwerend hinzu kommt: Die sogenannten Auslandsdeutschen, also Deutsche mit dauerhaftem Aufenthalt im Ausland, die nicht in Deutschland gemeldet sind, müssen, um wählen zu können, erst einen Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis stellen - ein zusätzlicher Schritt, der Zeit kostet. Die Möglichkeit, direkt in deutschen Botschaften zu wählen, gibt es nicht.

Gefahr für das Vertrauen in die Integrität der Wahl?

Anica Wenke, die für die Deutsche Bank in London arbeitet, ist eine dieser Auslandsdeutschen. Sie hat ihre Briefwahlunterlagen bereits am 1. Februar beantragt, doch bis jetzt waren sie nicht angekommen. Selbst wenn sie in den kommenden Tagen eintreffen, könnte es mit der Rücksendung ihres Stimmzettels knapp werden - ein Brief von London nach Deutschland kann bis zu vier Werktage unterwegs sein.

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Bundeswahlleiterin Brand hatte bereits im November vergangenen Jahres gewarnt, dass eine so kurzfristige Wahl eine "hohe Gefahr für das Vertrauen in die Integrität der Wahl" darstelle. Zeit, um Fehler auszubügeln, bleibe dann eigentlich nicht. Denn jeder Fehler könne den knappen Zeitplan verzögern.

Angesichts der kurzen Frist rückt einmal mehr die Frage nach digitalen Wahlen in den Fokus. Eine Online-Wahl könnte Abläufe straffen, Bürokratie abbauen und insbesondere bei kurzfristigen Neuwahlen für Entlastung sorgen. Doch noch fehle es an einer technischen Lösung, die den Anforderungen der Wahlrechtsgrundsätze - "allgemein, frei und geheim" - gerecht wird, so die Einschätzung von Bundeswahlleiterin Brand.

Für die in London lebende Anica Wenke wären digitale Wahlen eine Erleichterung - sie würden ihr garantieren, dass sie ihre Stimme fristgerecht abgeben kann. Doch vorerst bleibt ihr nur die Hoffnung, dass die Unterlagen rechtzeitig eintreffen. "Ich möchte unbedingt von meinem Wahlrecht Gebrauch machen", betont sie. “Ich bin nur vorübergehend in London und möchte daher die politische Zukunft meiner Heimat aktiv mitgestalten.”

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