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Einbürgerungsfeier in Kiel: Mit den nun beschlossenen Regeln soll der Erwerb der Staatsbürgerschaft vereinfacht werden.

Neue Regeln für Einbürgerung : Deutscher werden soll leichter werden

Mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit hat der Bundestag am Freitag die Hürden für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit abgesenkt.

20.01.2024
True 2024-03-05T15:45:43.3600Z
4 Min

Die doppelte Staatsbürgerschaft gilt in Deutschland vielen als Reizthema - man denke nur an die umstrittene "Doppelpass"-Kampagne der Union von 1999 gegen die damaligen rot-grünen Pläne zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Mittlerweile leben hierzulande laut Mikrozensus 2022 mehr als 2,7 Millionen deutsche Doppelstaatler, wobei nach Angaben des Statistischen Bundesamtes tendenziell eine Untererfassung möglich ist. In der Europäischen Union ist die doppelte Staatsbürgerschaft in knapp zwei Drittel der Mitgliedsstaaten zulässig, in einigen anderen zumindest eingeschränkt zulässig.

Nun soll sich auch Deutschland nach dem Willen der Regierungskoalition vom hier bislang noch gültigen Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit verabschieden. Die generelle Akzeptanz der Mehrstaatigkeit ist eines der Kernelemente des Gesetzentwurfes der Bundesregierung "zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts", den der Ausschuss für Inneres und Heimat am vergangenen Mittwoch in modifizierter Fassung gegen die Stimmen der CDU/CSU- und der AfD-Fraktion zur Annahme im Bundestagsplenum empfahl. Dort wurde die Vorlage am Freitag in namentlicher Abstimmung mit 382 von 639 abgegebenen Stimmen verabschiedet.

Die Fristen für den Aufenthalt vor der Einbürgerung werden verkürzt

Danach will die Ampel das Staatsangehörigkeitsrecht "an die Erfordernisse eines Einwanderungslandes" anpassen und dazu den Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit erleichtern sowie einen Anreiz zur schnelleren Integration schaffen, Neben der generellen Hinnahme von Mehrstaatigkeit ist vorgesehen, dass eine Einbürgerung in der Regel bereits nach einem Aufenthalt von fünf statt bisher acht Jahren möglich ist, bei "besonderen Integrationsleistungen" auch schon nach drei Jahren.

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Auch die für den automatischen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit eines Kindes ausländischer Eltern durch Geburt im Inland erforderliche Aufenthaltsdauer eines Elternteils in der Bundesrepublik soll von acht auf fünf Jahre verkürzt werden und die bisher für diese Kinder geltende Optionsregelung vollständig entfallen.

Voraussetzung für eine Einbürgerung soll zudem ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes sein. Antisemitische, rassistische oder sonstige menschenverachtende Handlungen sollen eine Einbürgerung ausschließen. Mit dem Gesetzentwurf soll auch gewährleistet werden, dass die Staatsangehörigkeitsbehörden durch die Staatsanwaltschaften sicher von strafrechtlichen Verurteilungen erfahren, denen antisemitische, rassistische oder sonstige menschenverachtende Beweggründe zugrunde liegen.

Ausgeschlossen sein soll eine Einbürgerung auch im Fall einer Mehrehe oder wenn jemand durch sein Verhalten zeigt, dass er die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung von Mann und Frau missachtet. Bei der Sicherheitsabfrage ist eine Erweiterung des Kreises der zu beteiligenden Sicherheitsbehörden vorgesehen.

Der Lebensunterhalt muss ohne staatliche Leistungen bestritten werden

Bei der Anspruchseinbürgerung gilt mit Ausnahme bestimmter Fälle, dass der Lebensunterhalt für sich selbst und die unterhaltspflichtigen Angehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII) oder Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) bestritten werden muss. Ausnahmen davon sollen für Personen gelten, die in den vergangenen zwei Jahren mindestens 20 Monate in Vollzeit erwerbstätig waren, für Menschen, die mit einer in Vollzeit tätigen Person sowie einem Kind in familiärer Gemeinschaft leben sowie für die sogenannten Gastarbeiter und Vertragsarbeitnehmer, die bis 1974 in die Bundesrepublik beziehungsweise bis 1990 in die DDR eingereist sind. Gast- und Vertragsarbeiter und ihre nachgezogenen Ehepartner müssen zudem keinen Einbürgerungstest absolvieren und lediglich mündliche deutsche Sprachkenntnisse nachweisen.

Einbürgerungen im Jahr 2022

Mehr Menschen eingebürgert Im Jahr 2022 wurden in Deutschland laut Statistischem Bundesamt rund 168.500 Menschen eingebürgert. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Zahl der Einbürgerungen um rund 37.000 oder 28 Prozent.

171 Staatsangehörigkeiten Der deutlichste Anstieg wurde bei Einbürgerungen von Syrern (plus 29.200) verzeichnet, gefolgt von Ukrainern (plus 3.700). Insgesamt wurden im Jahr 2022 Menschen mit 171 unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten in Deutschland eingebürgert.



In einer mit der Koalitionsmehrheit verabschiedeten Entschließung des Innenausschusses wird die Bundesregierung aufgefordert, eine Ermessenseinbürgerung für bestimmte Personengruppen wie etwa Menschen mit Behinderungen oder Alleinerziehende in Betracht zu ziehen, die "die erforderliche Unterhaltssicherung aufgrund von Umständen nicht erreichen können, die außerhalb ihrer Beeinflussungsmöglichkeiten liegen".

Union und AfD üben scharfe Kritik

In der Debatte sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), mit der Reform werde die Lebensrealität von Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte anerkannt. Zwei Pässe seien "im Jahr 2024 das Normalste der Welt". Alexander Throm (CDU) sprach dagegen von einem "Staatsangehörigkeitsentwertungsgesetz", mit dem die Koalition "zentrale staatliche Interessen wie die Steuerung, die Vorsicht und die Sicherheit" aufgebe. Schahina Gambir (Grüne) entgegnete, die Staatsbürgerschaft werde mit der Reform "weder verramscht noch leichtfertig vergeben". Christian Wirth (AfD) beklagte demgegenüber, die "stolze Staatsbürgerschaft" werde mit einer "Turboeinbürgerung" verramscht. Stephan Thomae (FDP) betonte, schon nach bisherigem Recht führten 70 Prozent der Einbürgerungen zu einer Mehrstaatigkeit. 

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